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# taz.de -- Merkels Afrikareise: Außenpolitik in der Wüste
> Die Kanzlerin besucht Mali, Niger und Äthiopien, um Fluchtursachen zu
> bekämpfen. Sie sollte wissen, dass das heißt: Arbeitsplätze schaffen.
Bild: Mit Raute: Werbung für den Merkel-Besuch im Niger
„Nur private Investitionen werden auf Dauer Wohlstand, Steuereinkommen und
damit Prosperität in die afrikanischen Länder bringen“, sagte
Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Rede vor dem Bund der Deutschen
Industrie (BDI) drei Tage, bevor sie nach Mali, Niger und Äthiopien
aufbrach – und im Anschluss in Berlin die Präsidenten von Tschad und
Nigeria empfängt. Im Mittelpunkt der Reise steht laut Bundesregierung
„wirtschaftliches Engagement in Afrika fördern, Fluchtursachen bekämpfen
und illegale Migration eindämmen“.
Seltsam nur, dass keine deutschen Unternehmer mit nach Afrika fahren, wie
dies sonst durchaus vorgekommen ist. Das sei aus logistischen Gründen nicht
möglich, heißt es dazu.
Es sind wohl auch inhaltliche Gründe. In Mali und Niger trifft Merkel
deutsche Soldaten, in Äthiopien weiht sie ein Lagezentrum des
AU-Sicherheitsrates ein. Fluchtursachenbekämpfung in Afrika heißt für
Deutschland offenbar in erster Linie militärische Zusammenarbeit, damit die
Afrikaner ihre Grenzen selber abschotten.
## Kapital statt Militär
Aber Länder mit schwachen Staaten und und starken Bevölkerungen, mit
immensem Aufbaubedarf und wenig Eigenmitteln kommen nur dann voran, wenn
Kapital fließt statt Militärhilfe, wenn Arbeitsplätze entstehen statt
Flüchtlingslager. Zum Beispiel Äthiopien: Das Land weist die höchsten
Wachstumsraten Afrikas auf und ist mit knapp 100 Millionen Einwohnern ein
immenser Zukunftsmarkt. Von Massenmigration aus Äthiopien ist nichts
bekannt. In Indien oder auch China und Japan gibt es staatliche
Vorfinanzierungen für Investoren, die in solche Risikoländer investieren.
In Deutschland ist das undenkbar.
Nun könnte man einwenden, in einer Zeit, wo Äthiopier aus Protest
reihenweise ausländische Fabriken in ihrem Land anzünden, sei das Gerede
von mehr Investitionen Unsinn. Man könnte auch sagen: Deutschland könnte,
wenn es sich denn auch in Afrika mit Arbeitgebern und nicht nur mit
Soldaten engagieren würde, gutbezahlte und umweltverträgliche Arbeitsplätze
schaffen. Dann könnten Afrikaner zu Hause Geld verdienen, statt ihre Kinder
zum Ertrinken ins Mittelmeer zu schicken in der vagen Hoffnung, dass
irgendwann eine Überweisung aus Europa zurückkommt.
Dafür müsste aber die Politik funktionierende Rahmenbedingungen schaffen.
Eine der besten deutschen Afrika-Nachrichten ging kürzlich völlig unter:
Deutschland gewährt jetzt Exportkreditbürgschaften für die Elfenbeinküste
und Ruanda. Eine mitreißende Nachricht klingt anders – aber es ist ein
großer Schritt zur Vertrauensbildung und zur Handelsförderung. Deutschland
wagt das mit sehr wenigen afrikanischen Ländern, ebenso wie es mit den
meisten Ländern Afrikas nicht einmal Doppelbesteuerungsabkommen gibt,
unverzichtbar für jedes Geschäft.
## Es fehlt an Autos und Benzin
2015 erwirtschaftete die Elfenbeinküste mit Deutschland einen
Handelsüberschuss von 814 Millionen Euro, mit steigender Tendenz. Täglich
über zwei Millionen Euro – diese sprudelnde Geldquelle, genährt aus der
deutschen Lust nach Schokolade, stellt alles an Entwicklungshilfe in den
Schatten. Das Land hat große Entwicklungspläne und spielt in Westafrika
eine zentrale Rolle. Doch Fabriken in der Elfenbeinküste – so weit ist
Deutschland nicht.
Aus Niger bezog Deutschland 2015 weniger Waren als aus der Antarktis
(125.000 gegen 142.000 Euro). Doch soll in Niger eine deutsche Militärbasis
entstehen, um UN-Soldaten in Mali zu versorgen. Militärbasen ersetzen keine
Fabriken.
Deutschlands wichtigste Exporte nach Afrika sind, wenig überraschend, Autos
und alles was damit zu tun hat. Es gibt einen immensen Bedarf an
Ersatzteilen, an professionellen Fahrschulen, an ausgebildeten
Automechanikern, an sicheren Straßen, an ehrlichen Verkehrspolizisten; in
vielen Ländern ist das Benzin immer noch bleihaltig und Emissionsstandards
sind unbekannt. Kümmert das jemanden in der Bundesregierung? Oder hat man
Angst, dass die Migranten dann schneller durch die Wüste ans Mittelmeer
rasen? Immerhin würden dann weniger unterwegs verdursten.
11 Oct 2016
## AUTOREN
Dominic Johnson
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