| # taz.de -- Holocaust-Überlebender Max Mannheimer: Versöhnung und Wachsamkeit | |
| > Es war seine Lebensaufgabe, öffentlich gegen Rechtsradikalismus und | |
| > Antisemitismus zu kämpfen. Nun ist Max Mannheimer in München gestorben. | |
| Bild: Max Mannheimer im Jahr 2012 | |
| München epd | Der Holocaust-Überlebende und Zeitzeuge Max Mannheimer ist | |
| tot. Wie die KZ-Gedenkstätte Dachau am Samstag mitteilte, starb er am | |
| Freitag im Alter von 96 Jahren in München. Mannheimer habe sich wie kein | |
| Zweiter mit seiner ganzen Person eingebracht, „um gegen das Vergessen | |
| anzukämpfen und gleichzeitig als Versöhner aufzutreten“. Im | |
| Erinnerungsdiskurs sei er zu einer zentralen Instanz geworden. | |
| Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte: „Seine Stimme wird | |
| fehlen.“ Als Opfer des Nazi-Terrors habe Mannheimer die Größe besessen, | |
| trotz der Ermordung und Auslöschung seiner Familie Deutschland nicht zu | |
| verlassen und sich stattdessen sein Leben lang gegen das Vergessen zu | |
| engagieren. Als Vorsitzender der „Lagergemeinschaft Dachau“ habe er die | |
| Bundesregierung bei der Konzeption der Erinnerungsarbeit beraten und | |
| unterstützt. Deutschland müsse sich in Zukunft auch ohne die großen | |
| Zeitzeugen wie ihn in der historischen und moralischen Bewältigung seiner | |
| jüngeren Geschichte bewähren, sagte die Ministerin. | |
| Mannheimer wurde 1920 in Neutitschein im heutigen Tschechien als ältestes | |
| von fünf Kindern einer jüdischen Familie geboren. Im Januar 1943 wurde er | |
| mit seiner gesamten Familie in das Ghetto Theresienstadt deportiert und | |
| anschließend nach Auschwitz gebracht. Im August 1944 kam er ins KZ Dachau | |
| bei München. Max und sein Bruder Edgar Mannheimer wurden Ende April 1945 | |
| auf einem Todestransport von den Alliierten befreit. Die Eltern, die | |
| Ehefrau und die Schwestern wurden von den Nationalsozialisten getötet. | |
| Der evangelische Pfarrer Waldemar Pisarski lud Mannheimer 1986 ein, in der | |
| Versöhnungskirche Dachau aus seinem Leben zu berichten. Das war der Beginn | |
| von Mannheimers Aktivität als Zeitzeuge. Mit ungezählten Vorträgen, Reden | |
| und Schulbesuchen hielt er die Erinnerung an die Schrecken des | |
| Nationalsozialismus wach. „Ich bin Zeitzeuge und kein Ankläger und kein | |
| Richter“, sagte er einmal. Über seine Erinnerungen verfasste er mehrere | |
| Bücher. Für seinen Kampf gegen das Vergessen wurde er vielfach | |
| ausgezeichnet. | |
| ## Würdigung von allen Seiten | |
| Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) würdigte Mannheimer | |
| als Menschen, der unermüdlich gegen das Vergessen angekämpft und zugleich | |
| sein Leben in den Dienst der Versöhnung gestellt habe. Mit | |
| leidenschaftlichem Engagement habe Mannheimer eine Brücke gerade zu den | |
| jungen Menschen gebaut. Der Satz: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, | |
| was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon“, bleibe | |
| Auftrag. | |
| Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter | |
| nannten Mannheimer einen wichtigen Kämpfer gegen das Vergessen, Mahner und | |
| Erinnerer. „Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet, dass er nach dem | |
| Zweiten Weltkrieg in Deutschland blieb und sich in der politischen und | |
| gesellschaftlichen Debatte so wertvoll einbrachte.“ | |
| Die KZ-Gedenkstätte Dachau erklärte, der Verlust fast seiner gesamten | |
| Familie habe den Verstorbenen tief geprägt. Durch seine künstlerische | |
| Tätigkeit – Mannheimer malte – habe er den quälenden Gedanken zu entgehen | |
| versucht. Unmittelbar nach dem Krieg habe Mannheimer vorgehabt, Deutschland | |
| zu verlassen. „Jahre später wurde es seine Lebensaufgabe, öffentlich gegen | |
| Rechtsradikalismus und Antisemitismus zu kämpfen“, schreibt die | |
| Gedenkstätte. | |
| Mannheimer engagierte sich in der Lagergemeinschaft Dachau und blieb von | |
| 1988 bis zu seinem Tod deren Vorsitzender. Gleichzeitig war er | |
| Vizepräsident des Internationalen Dachaukomitees. „Seine Bemühungen um die | |
| KZ-Gedenkstätte Dachau, sein unermüdliches Engagement um die Errichtung des | |
| Jugendgästehauses in Dachau, seine Tätigkeit für den Verein “Gegen | |
| Vergessen für Demokratie„ und nicht zuletzt seine ganz persönliche | |
| liebenswerte und doch auch hartnäckige Art, mit der es ihm gelang, seine | |
| Vorhaben durchzusetzen, werden uns immer in Erinnerung bleiben, sagte die | |
| Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Gabriele Hammermann. | |
| Von einem “unersetzlicher Verlust„, sprach der Direktor der Stiftung | |
| Bayerische Gedenkstätte, Karl Freller. “Max Mannheimer hat Großartiges für | |
| Frieden, Versöhnung und Demokratie geleistet.“ | |
| 24 Sep 2016 | |
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