| # taz.de -- Nachruf auf Theodor Wonja Michael: Ein Erzähler und Kämpfer | |
| > Er war einer der letzten Schwarzen Zeitzeugen der NS-Geschichte, nun ist | |
| > er verstorben. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, nicht nur für | |
| > Afrodeutsche. | |
| Bild: Theodor Wonja Michael (1925–2019) im Jahr 2014 beim Interview mit der t… | |
| Menschen, die ihre Geschichten erzählen, egal wie grausam oder schwer sie | |
| auch immer sein mögen, sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. | |
| Wir bekommen durch sie die Möglichkeit zu lernen, was wir selbst nicht | |
| durchleben mussten. [1][Theodor Wonja Michael] war so ein Mensch. Am | |
| Samstag ist er im Alter von 94 Jahren gestorben, [2][berichtet die | |
| Initiative Schwarze Menschen in Deutschland]. Er hinterlässt eine Lücke bei | |
| denen, die ihm nahestanden, aber auch bei denen, die ihn nicht persönlich | |
| kannten. | |
| Theodor Wonja Michael kam 1925 in Berlin als Sohn einer ostpreußischen | |
| Näherin zur Welt. Sein Vater, der durch die deutsche Kolonialherrschaft in | |
| Berlin landete, stammte aus einer kamerunischen Adelsfamilie. Als Kind | |
| einer weißen Mutter und eines Schwarzen Vaters wurde Michael in eine Welt | |
| geboren, in der Stereotype und rassistische koloniale Bilder tief verankert | |
| waren. Nach dem Tod seiner Mutter landete er als Kind in Völkerschauen. Ein | |
| Kapitel unserer Geschichte, in dem Schwarze Menschen nicht wie Menschen, | |
| sondern wie Tiere im Zoo behandelt wurden. Doch auch in weiterer Folge | |
| gestaltete sich das Aufwachsen des jungen Mannes nicht unkompliziert, denn | |
| als Schwarzer Mensch in der NS-Zeit war das (Über-)Leben alles andere als | |
| einfach. | |
| Als Darsteller in NS-Propagandafilmen zum Kolonialismus, wie „Münchhausen“, | |
| musste er seine Schauspielkarriere beginnen, die er nach dem Holocaust | |
| freiwillig unter seinen Bedingungen fortführte. Zwangsarbeit in anderen | |
| Bereichen findet sich ebenso in seinem Lebenslauf vor 1945. Ausgestattet | |
| mit einem „Fremdenpass“, wurde aus dem afrodeutschen Mann ein | |
| „Staatenloser“, denn seine Heimat konnte ihn nicht als gleichwertig | |
| ansehen. Und doch war er einer der Schwarzen Menschen, die die NS-Zeit | |
| überlebten. Schätzungen gehen von 2.000 bis 3.000 ermordeten Schwarzen | |
| Deutschen oder Menschen mit afrikanischen Wurzeln in der NS-Zeit aus, | |
| obwohl es wohl nicht per se den Plan gab, alle Schwarzen Menschen zu | |
| ermorden. Etliche Hunderte aber wurden zwangssterilisiert, damit sie sich | |
| nicht fortpflanzen konnten. | |
| ## Schauspieler, Journalist, Beamter | |
| Doch Theodor Wonja Michael konnte unter dem Radar bleiben und später von | |
| dieser Zeit erzählen. Nach Kriegsende studierte Michael unter anderem | |
| Politikwissenschaften und machte einen Abschluss als Diplomvolkswirt. Ein | |
| neues Leben begann. Er wurde Journalist und Chefredakteur der Zeitschrift | |
| Afrika Bulletin. Und dann tat er etwas, was ihn in Interviews manchmal | |
| immer noch nachdenklich stimmen ließ – er gab Deutschland etwas. | |
| Er gab dem Land, welchem er nichts schuldete, sein Wissen und seine | |
| Expertise in Dingen, die er sich hart erarbeitete. Als Afrikaexperte und | |
| Berater stand er der Regierung zur Verfügung und arbeitete als Beamter beim | |
| Bundesnachrichtendienst. Eine Entscheidung, die er auch traf, um anderen | |
| die Türen zu öffnen. Eine Aufgabe, der er sich verschrieben hatte, denn als | |
| Vortragender und Lehrender verbrachte er viele Jahre. Er wollte Menschen, | |
| die nach ihm geboren wurden, aufklären. | |
| Beim Hören und Lesen könnte seine Geschichte nicht grausamer und | |
| lehrreicher klingen, doch hinter all diesen Lebenserinnerungen steht ein | |
| Mensch. Einer, der viel Kraft bewiesen hat und sie Zeit seines Lebens | |
| selbstlos mit uns geteilt hat. Ein Mann, der immer sympathisch wirkte und | |
| Charme ausstrahlte – auch auf Videos und Bildern – und den man im ersten | |
| Moment seine Erlebnisse nicht ansah. | |
| Theodor Wonja Michael ließ sich nicht demotivieren, nicht brechen und nicht | |
| von seinem Weg abbringen. Er gab viel von sich preis, auch die traurigen | |
| und grausamen Momente seines Lebens. Besonders in der afrodeutschen | |
| Community wird er fehlen, denn er ermöglichte vielen, etwas über die eigene | |
| Geschichte zu lernen. Schwarze Menschen leben schon lange in Europa, auch | |
| in Deutschland. Durch die Erzählungen machte er dies klar und erreichte | |
| zahlreiche Zuhörer*innen und Leser*innen, nicht zuletzt auch durch sein | |
| Buch „Deutsch sein und schwarz dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen“, | |
| die nach Anknüpfungspunkten suchten. | |
| Schwarz und deutsch – kein Widerspruch | |
| Ihm war es immer wichtig zu betonen, dass Schwarzsein und Deutschsein eine | |
| Selbstverständlichkeit ist. Es ist nichts, was sich ausschließt, auch wenn | |
| dieser Umstand für viele bis heute schwer zu akzeptieren ist. Rassismus ist | |
| ein Thema, welches Michael immer klar ansprechen konnte. Er erlebte ihn in | |
| seinen extremen Ausformungen in seinen frühen Jahren, war sich aber | |
| bewusst, dass die heutige Gesellschaft noch lange nicht rassismusfrei ist. | |
| Deutsche sind nicht nur weiß – und das vorauszusetzen, ist ein Bild, unter | |
| dem viele leiden müssen. | |
| Schwarzen Deutschen gab der Zeitzeuge Sicherheit und reflektierte Gedanken, | |
| die sich viele junge Menschen, die mit Rassismus konfrontiert sind, immer | |
| noch machen. „Du bist nicht anders, du wirst nur anders gesehen – das ist | |
| der Unterschied. Und das gefährliche daran ist, dass man sich so | |
| betrachtet, wie die anderen einen betrachten“, sagt er zum Beispiel in | |
| einem Interview mit dem afrodeutschen Journalisten Jermain Raffington. | |
| Theodor Wonja Michael [3][war ein wichtiger Zeitzeuge], ein Erzähler, ein | |
| Vorbild, aber vor allem auch ein Mensch. Er war ein Mann, den viele | |
| persönlich kannten, manche allerdings auch nur durch Medien – überall | |
| konnte er Herzen berühren und zum Nachdenken anregen. Nicht nur | |
| nahestehende Personen trauern um den Kämpfer, der gab, obwohl er es | |
| niemandem schuldig war. | |
| 22 Oct 2019 | |
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| [1] /Theodor-Michael-ueber-seine-Biographie/!5049703 | |
| [2] https://www.gedenkseiten.de/theodor-wonja-michael/?fbclid=IwAR0P-hYtcjztMRT… | |
| [3] /Zeitzeuge-ueber-Judenverfolgung/!5373206 | |
| ## AUTOREN | |
| Vanessa Spanbauer | |
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