| # taz.de -- Gedenken an die Deportation der Juden: Weiße Rosen, mahnende Worte | |
| > Vor 75 Jahren begann die Deportation der Juden aus Berlin. Am 19. Oktober | |
| > wurde ihrer am Bahnhof Grunewald gedacht | |
| Bild: Traditionell werden weiße Rosen zum Gedenken an den Gleisen abgelegt | |
| Graue Wolken bedecken den Himmel, die Luft ist noch feucht vom Regen. 200 | |
| Menschen sind an diesem Mittwoch (19.10) zum Gleis 17 gekommen; viele, vor | |
| allem ältere, sitzen auf Klappstühlen an der Gedenkstätte. Die meisten | |
| halten eine weiße Rose in der Hand. Um eine ist die israelische Flagge | |
| gewickelt. Ihre Besitzerin hält die Augen geschlossen, sie lauscht mit | |
| gesenktem Kopf der tiefen, durchdringenden Stimme Horst Selbigers. „Wird je | |
| ein Mensch der Nachwelt sagen können, wie wir hier gelebt und gelitten | |
| haben, wie wir gehungert und wie wir gestorben sind?“, zitiert der | |
| 88-Jährige aus dem Tagebuch des nach Łódź deportierten Oskar Singer. | |
| Vor 75 Jahren begann die Deportation der Berliner Juden vom Bahnhof | |
| Grunewald. Der Holocaust-Überlebende Horst Selbiger, lange weiße Haare, | |
| getönte Brille, erinnert an die Opfer. Er trägt Zeitzeugenberichte von | |
| Deportierten und Tätern vor. 61 Mitglieder aus Selbigers Familie wurden | |
| ermordet, er selbst wurde mit 14 Jahren zur Zwangsarbeit verpflichtet. Er | |
| erlebte mit, wie fast alle seine Freunde verschleppt wurden. | |
| Am 18. Oktober 1941 verließ der erste Berliner Osttransport mit 1.089 Juden | |
| den Bahnhof in Richtung Litzmannstadt, Łódź im heutigen Polen. Es folgten | |
| 183 weitere Züge. Den Deportierten wurde die Fahrt zu einem Ort der | |
| Gastfreundschaft versprochen. Stattdessen landeten sie hungrig, zerlumpt | |
| und müde mitten im Nichts, berichtet Selbiger. Spätere Transporte brachten | |
| die Juden direkt in die Vernichtungslager. Zwischen 1941 und Kriegsende | |
| wurden mehr als 56.000 Juden aus Berlin deportiert. Am Bahnhof Grunewald | |
| erinnert seit 1998 das Mahnmal Gleis 17 an die systematische Ermordung. | |
| Zum Ende der Rede zählt Selbiger die Namen von sechs Babys auf, die mit dem | |
| ersten Transport in den Tod fuhren. Er hält inne. Und sagt: „Faschismus ist | |
| keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen.“ | |
| Dann herrscht Stille. | |
| 19 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Lara Janssen | |
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