# taz.de -- Shortlist zum Deutschen Buchpreis: Sind nicht alle korrupt außer m… | |
> Die Entscheidungen rund um den Deutschen Buchpreis werden bemäkelt und | |
> kritisiert. Zum Glück, denn das ist gut für Verlage und AutorInnen. | |
Bild: Die Shortlist kommt raus und es gibt so viele Meinungen, wie ein Buch Sei… | |
BERLIN taz | Jahr um Jahr wird über den Sinn des Deutschen Buchpreises | |
diskutiert, Jahr um Jahr wird der Deutsche Buchpreis schließlich verliehen. | |
Man küre, so heißt es auf der zugehörigen Website, „den deutschsprachigen | |
‚Roman des Jahres‘“, und tatsächlich ist „Roman des Jahres“ in | |
Anführungszeichen geschrieben, denn man ist inzwischen vorsichtig geworden. | |
Früher hieß es noch, dass der „beste deutschsprachige Roman des Jahres“ | |
gekürt werde, was viel Neid und Geschrei mit sich brachte. | |
Dennoch ist der Preis zur Institution geworden. Er wurde 2005 begründet, | |
die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung vergibt ihn mit | |
Unterstützung der Frankfurter Buchmesse und der Stadt Frankfurt. Die | |
Deutsche Welle und der Deutschlandfunk sind Medienpartner, doch es | |
berichten alle, denn kaum eine Zeitung und kaum ein Radiosender kommt um | |
den Preis herum. | |
Für Verlage ist der Deutsche Buchpreis ein Großereignis. In diesem Jahr | |
etwa haben 98 Verlage 158 deutschsprachige Titel eingereicht. | |
Preisverleihung ist traditionell am Tag vor der Eröffnung der Frankfurter | |
Buchmesse, [1][alle Autoren, die auf der Shortlist gelistet sind], sollen | |
der Preisverleihung beiwohnen. | |
Der Siegertitel wird sich spätestens nach der Preisverleihung mehrere | |
zehntausend Mal verkaufen, daher ziehen die Nominierten, die nicht | |
siegreich waren, oft einen Flunsch. Daniel Kehlmann etwa, der 2005 mit „Die | |
Vermessung der Welt“ auf der Shortlist stand, aber nicht ausgezeichnet | |
wurde, empfand die Preisverkündung noch Jahre später als „entwürdigendes | |
Spektakel“. | |
## Hat die Jury richtig entschieden? Nein | |
Sicher ist es demütigend für Narzissten, die viele Künstler nun einmal | |
sind, bei diesem Wettbewerb nicht zu gewinnen, lohnend ist es für die | |
Gelisteten aber allemal. Der Deutsche Buchpreis ist ein | |
Marketinginstrument, bei seiner Etablierung ging es zuerst nicht um | |
Qualität, sondern um Quantität – ein „guter Buchpreisträger“ beschert | |
Verlagen und Buchhandlungen beträchtliche Gewinne. Der Preis prämiert | |
aktuelle Verlagsprodukte. Es geht nicht um das Werk einer verdienten | |
Autorin oder um ein einzelnes Buch, das viele Schriftsteller inspiriert | |
hat, wie bei so vielen anderen literarischen Preisen. Anders als etwa beim | |
ähnlich gelagerten Preis der Leipziger Buchmesse sind Erzählungen oder | |
Poesie nicht einmal zugelassen. Der Deutsche Buchpreis kürt einzig den | |
Roman, da dieser die verkäuflichste literarische Gattung darstellt. | |
Alle wissen dies. Und dennoch wird jedes Jahr um den Preis gestritten. Hat | |
die Jury richtig entschieden? (Nein, hat sie nicht.) Sie hat | |
selbstverständlich den wichtigsten Roman nicht berücksichtigt. (Den von | |
meiner besten Freundin oder mir.) Darf man Literatur überhaupt in einen | |
Wettbewerb führen? (Nein, Bücher sind doch keine Waren!) Es sind schon | |
wieder keine Frauen auf der Shortlist. (Sind nicht schon wieder zu viele | |
Migranten auf der Longlist?) Ist der Siegerroman nicht ein bisschen zu | |
abseitig? (Eine schöne Familiengeschichte verkauft sich viel besser.) Ist | |
der Siegerroman nicht zu kommerziell? (Sie haben schon wieder eine | |
Familiengeschichte ausgewählt!) Warum gewinnt Juli Zeh nie? (Warum gewinnt | |
Clemens J. Setz nie?) Sind nicht alle korrupt? (Außer mir.) | |
In den Debatten um den Preis geht es auch immer wieder darum, dass Bücher, | |
die es nicht auf die Longlist geschafft hätten, nun zum Untergang | |
verurteilt seien, da sie niemand mehr wahrnehme. Andererseits gab es oft | |
Titel auf den Listen, die zuvor kaum rezensiert worden waren. Ja, mit Frank | |
Witzel hat im vergangen Jahr sogar ein Autor gewonnen, der zuvor selbst im | |
kleinen Literaturbetrieb kaum mehr als ein Geheimtipp war. | |
Diese Streitereien sind müßig, es ist allerdings auch nichts gegen sie zu | |
sagen. Sie sind dem Preis implementiert, sie sind Teil des Spektakels. | |
Insofern war es nur konsequent von den Initiatoren des Preises, in den | |
letzten Jahren auch eigene Buchpreisblogger zu benennen, die sich kompetent | |
und kritisch mit beiden Listen auseinandersetzen. Darunter | |
Buchhändlerinnen, freie Kritiker und in diesem Jahr erstmals ein Vlogger, | |
ein Videoblogger. Sie sind allesamt nicht rundweg einverstanden mit den | |
Listen, auch sie kennen andere, ihrer Meinung nach würdigere Bücher. Die | |
Jury steht also noch mehr unter Beschuss. Und der Deutsche Buchpreis selbst | |
hat sich die Kritik somit nun seinerseits einverleibt. Darüber kann man | |
doch wunderbar streiten. | |
20 Sep 2016 | |
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[1] /Shortlist-Deutscher-Buchpreis-2016/!5342295 | |
## AUTOREN | |
Jörg Sundermeier | |
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