# taz.de -- ABRA beim Berliner Festival „Pop-Kultur“: Prinzessin, die sich … | |
> Die Künstlerin ABRA aus Atlanta ist die Zukunft der Black Music. Ihr | |
> Sound: reduziert. Ihre Texte und ihre Bildsprache: opulent. | |
Bild: Die Zukunft liegt auf dem Sofa: ABRA | |
Eine junge Frau singt mit souliger Stimme in die Laptop-Kamera. Sie | |
interpretiert Songs von US-Südstaaten-Rappern wie Gucci Mane, nur begleitet | |
von ihrer akustischen Gitarre. So fing es für ABRA an. Ihre | |
[1][Coverversion von Ludacris’ „You’s A Hoe“] leitet sie mit den Worten | |
ein, wie ihr jener Song durch einen schweren Monat geholfen habe. Die in | |
New York geborene und in London aufgewachsene Künstlerin wird nach dem | |
Umzug in die Südstaatenmetropole Atlanta zur Außenseiterin. | |
Raus aus der Isolation geht es für ABRA erst, als sie die Welt von Trap- | |
und Dirty-South-HipHop für sich entdeckt und Anschluss an die Clique um den | |
Rapper Father findet. Nun komponiert sie eigene Tracks und tauscht das | |
akustische Set-up gegen ein elektronisches Instrumentarium, über das sie | |
mehrdeutige Texte haucht. Ihre Stimme klingt mal direkt und eindringlich, | |
mal völlig unnahbar. Nach den beiden im Alleingang veröffentlichten | |
Produktionen [2][„BLQ VELVET“] und [3][„Rose“] erschien kürzlich die t… | |
EP „Princess“. Für die Aufnahmen zieht ABRA zurück in ihr Kinderzimmer in | |
der Vorstadt. Kniend auf dem Boden ihres Kleiderschranks, singt sie die | |
Songs ein. | |
Als 8-Jährige führt die missionarische Arbeit der Eltern ABRA von | |
Großbritannien in die Süden der USA. In ihrer Gedankenwelt fallen der Crunk | |
genannte Rap im Süden und die allgegenwärtige US-Sklavengeschichte, in der | |
die Zwangsarbeiter zeitweise 50 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht | |
haben, zusammen. ABRA fällt zudem auf, weil sie mit britischem Akzent | |
spricht – etwas, das die anderen Kids vorher nur von Weißen kannten. | |
In ABRAS Soundsignatur zeichnen sich Konservenbeats, und Synthiemelodien | |
deutlich ab, darüber schichtet sie verschiedene Gesangsspuren. Auf den | |
sechs Stücken von „Princess“ kristallisiert sich eine Referenz an die | |
Achtziger deutlich heraus. [4][„Crybaby“] sticht hervor, weil es voller | |
Anspielungen an das mitunter knallige Jahrzehnt steckt. Bei ABRA allerdings | |
bleibt das Farbspektrum dunkel. „Darkwave Dutchess“ ist ihr Spitzname. Eher | |
düster ist also ihr Sound, ihre Themen sind es ohnehin. | |
## Smooth, dunkel, visionär | |
„I Can’t Take It“ ist ihre Botschaft: Das Zwischenmenschliche ist nicht | |
auszuhalten. Doch ABRAs lyrisches Ich zeigt, dass Sehnsucht und | |
Selbstbestimmung keine Gegensätze sind. Der Vorwurf, eine Heulsuse | |
(„Crybaby“) zu sein, wird meist gemacht, um fehlende emotionale Härte | |
anzuprangern, ABRA stellt mit „Crybaby“ klar, wer für die Tränen | |
verantwortlich ist: „You callin’ me a crybaby / But you’re makin’ me cr… | |
Es sind Tränen der Wut, des Genervtseins. Auch wenn ihre Stimme mitunter | |
zerbrechlich klingt, sie ist es keinesfalls. | |
Reduktion, wie sie ABRAs Sound auszeichnet, wird mit ihren Texten und in | |
der Bildsprache konterkariert: Auf dem Cover zu „Princess“ wartet sie | |
nicht, dass der Prinz auf einem Schimmel herbeireitet, sondern fesselt sich | |
an das Pferd. Im Video zu [5][„Roses“] performt sie als Lolita in einem | |
Meer aus Kuscheltieren, wetzt ein überdimensionales Messer, mit dem sie | |
daraufhin ihren Liebhaber ersticht. Dazu singt sie: „I’m young and I’ll | |
waste you anyway.“ | |
In [6][„Big Boi“] rollt der Beat langsam über ein steiniges Feld, das auch | |
das aus Backgroundchören bestehende Soundbett nicht weichzeichnet. Vielmehr | |
unterbrechen tiefe, verzerrte Stimmsamples die Raps, die die kanadische | |
Künstlerin Tommy Genesis beisteuert: „You’re a big boy / But you’re not | |
going to be my man“. Auch Tommy Genesis ist Teil von Awful Records, dem | |
Label um den Rapper Father, das immer wieder als Familie postuliert wird. | |
Auch ABRA hat hier die Akzeptanz gefunden, die ihr gefehlt hat. | |
Ihre smoothen, dunklen Sounds sind futuristisch. Dabei klingen sie ganz | |
anders als das, was zuletzt immer als Zukunft von R&B betitelt wurde, unter | |
anderem etwa die Musik der Künstlerinnen FKA twigs und Kelela. Von diesen | |
hebt sich ABRA aber nicht nur ab, weil sie weniger roboterhaft herüberkommt | |
wie ihre Kolleginnen, sondern auch darum, weil die 20-Jährige auch in der | |
Produktion größtenteils unabhängig arbeitet. | |
Während beim Debüt von FKA twigs vor zwei Jahren diskutiert werden musste, | |
wer im Studio die Hosen anhatte, und bei Kelelas EP aus dem vergangenen | |
Jahr mehr über den darin eingeschriebenen Sound von Produzent Arca | |
gesprochen wurde, stammt bei ABRA jede Note aus ihrer eigenen Feder. | |
1 Sep 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://youtu.be/HnyBtd5SjXk?list=PLhrFwpdiV46Pkaij8xlRN4iyTP389LIFg | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=NPjXRmJhCMQ | |
[3] https://soundcloud.com/darkwaveduchess/sets/rose | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=-I-POWtEJ8U | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=1-qcz47h9zo | |
[6] http://de.musicplayon.com/Abra-Big-Boi-feat-Tommy-Genesis-Princess-EP-Music… | |
## AUTOREN | |
Diviam Hoffmann | |
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