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# taz.de -- Billigfleisch für Kinder in Bremen: Weg von den Fleischtöpfen
> In Bremens Kitas und Schulen soll es ab 2022 kein Billigfleisch mehr
> geben – umgesetzt werden soll es ohne Mehrkosten.
Bild: Opfer der Billigfleischbremse: die Fleischwolfindustrie
Bremen taz | Der städtische Haushalts- und Finanzausschuss hat die
sogenannte Billigfleischbremse auf den Weg gebracht. Der von über 5.000
BürgerInnen eingebrachte Bürgerantrag, in dem die Verwendung von Fleisch
aus „artgerechter“ Tierhaltung für die öffentliche Gemeinschaftsverpflegu…
in Bremen gefordert wurde, ist in den Deputationen und im
Haushaltsausschuss zwar abgelehnt worden – dies sei aber nur die „formale
Lösung“, so der Grünen-Abgeordnete Robert Bücking. Der Begriff war
inhaltlich zu unspezifisch, und nachdem „wir auf diesem zähen Stück Fleisch
eine Zeit lang herumgekaut haben“, so Bücking, sei klar gewesen, dass der
Bürgerantrag so nicht angenommen werden kann.
Da die Abkehr von sogenanntem Billigfleisch aber sowieso im
Koalitionsvertrag vereinbart ist, gibt es jetzt einen Änderungsantrag, der
die Frage nach der Herkunft des Fleisches konkretisiert und der
Bürgerschaft empfiehlt: Es soll künftig „mindestens“ den Kriterien nach d…
EG-Öko-Basisverordnung entsprechen. Die Verordnung regelt die Produktion
und die Kennzeichnung biologisch/ökologischer Erzeugnisse.
„Wir freuen uns, dass durch unseren Bürgerantrag bei den Abgeordneten das
Bewusstsein geschärft wurde, welche Verantwortung die Stadtgemeinde für
eine gesunde und umweltverträgliche Ernährung in der öffentlichen
Gemeinschaftsverpflegung hat, die insbesondere dem Tierschutz Rechnung
trägt“, sagt der Sprecher des Agrarpolitischen Bündnisses Bremen Peter
Bargfrede, der auch Vertrauensperson des Bürgerantrags ist.
Der Beschluss aus dem Haushaltsausschuss sieht jetzt folgenden Zeitplan
vor: Für öffentliche Veranstaltungen der Stadt Bremen wie etwa Empfänge im
Rathaus soll binnen zwölf Monaten die Umstellung von Billig- auf Biofleisch
erfolgen. Zugleich soll ein mehrstufiger Aktionsplan erstellt werden, um zu
ermitteln, wie die Umstellung in Schulen und Kitas bis zum Jahr 2022
gelingen kann.
## „Die Fleischmenge muss runter.“
In den Krankenhäusern sollen bis zum Jahr 2024 mindestens 75 Prozent des
verwendeten Fleisches der EG-Öko-Basisverordnung entsprechen. Langfristig
soll auch hier die komplette Umstellung erfolgen. Damit folgt der Beschluss
des Haushaltsausschusses zwar grundsätzlich dem Bürgerantrag, verlängert
jedoch die Fristen um zwei Jahre und fügt einen kleinen Stolperstein ein,
der so im Bürgerantrag nicht enthalten war: Die Umstellung auf Biofleisch
soll „aufwendungsneutral“ erfolgen, wie es in der Vorlage heißt. Das
bedeutet: Mehr kosten darf die Umstellung nicht.
Kein Problem, sagt der Sprecher für Ernährung und Tierschutz der Grünen Jan
Saffe: „Die Fleischmenge muss runter.“ Er hat nach gründlicher Lektüre der
Speisepläne vieler Kitas und Schulmensen und vielen leidvollen Probeessen
festgestellt: „In vielen Mensen gibt es viermal die Woche Fleisch, in
Krankenhäusern sogar täglich. Das ist auch nach den Empfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung viel zu viel.“ Die empfiehlt etwa für
die Verpflegung in Kindertageseinrichtungen pro Woche nicht mehr als
zweimal Fleisch oder Wurst anzubieten. Soll die Umstellung auf Biofleisch
tatsächlich kostenneutral vonstatten gehen, müsste also entweder die
Fleischmenge runter – oder die Preise für das Essen müssten steigen.
„Grundsätzlich habe ich überhaupt nichts dagegen, wenn das Fleisch teurer
wird“, sagt auch Jan Saffe. „Ich verstehe einfach nicht, warum ausgerechnet
Essen nichts kosten darf!“
Aber auch ohne Kostenanstieg sei die Umstellung zu bewältigen. Köche
müssten entsprechend geschult werden, und vieles ließe sich auch über
regionalen und vor allem saisonalen Einkauf regeln: „Die Natur schmeißt zu
bestimmten Zeiten mit Essen um sich.“
Robert Bücking erhofft sich von der Umstellung auch eine
„Steuerungswirkung“ und fordert: „Esst mehr Möhren, weniger Schnitzel!“
Darauf wird es jedenfalls hinauslaufen, wenn die Umstellung
„aufwendungsneutral“ gelingen soll. In der Koalitionsvereinbarung von 2015
heißt es dazu noch: „In Kenntnis dessen, dass ökologisch erzeugte
Tierprodukte mittelfristig einen höheren Einkaufspreis haben, sind wir in
der Stadt Bremen bereit, den zu erwartenden höheren Preis von
Kindergarten-, Hort- und Schulverpflegung für die Berechtigten des
Bremen-Passes zu Lasten des Sozialetats zu decken.
16 Sep 2016
## AUTOREN
Karolina Meyer-Schilf
## TAGS
Fleisch
Haushalt
Bremen
Ernährung
Gesundheit
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Tierschutz
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Massentierhaltung
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