# taz.de -- Nahostexperte über Syrienkrieg: „Demokratie ist dort chancenlos�… | |
> Assad ist nur noch dank Russland Präsident, sagt Alexej Malaschenko von | |
> der Carnegie-Stiftung. Ein Gespräch über russische Großmachtallüren. | |
Bild: Der russische Generalleutnant Sergei Rudskoi vor Aleppo. Moskau griff ein… | |
taz: Herr Malaschenko, die Türkei hat vor einer Woche den „Islamischen | |
Staat“ (IS) und die syrischen Kurden angegriffen. Wird das Konsequenzen für | |
die Beziehungen zu Moskau haben? Wurde die Versöhnungsvisite des türkischen | |
Präsidenten in Russland damit hinfällig? | |
Alexej Malaschenko: Die Türkei hatte gute Gründe. Der IS stellt eine akute | |
Bedrohung dar und ist ein Destabilisierungsfaktor. Die Aktion war | |
gerechtfertigt. Gleichzeitig unterstrich Ankara, dass es weiterhin mit den | |
USA zusammenarbeitet und sich nicht auf Russland versteift. Die | |
atmosphärische Verbesserung im Umgang mit Moskau bedeutet nicht: Die Türkei | |
folgt nun dem russischen Kurs und beide wurden zu Verbündeten. Russland | |
geht von nationalen Interessen aus. Dass Ankara während des Besuchs von | |
US-Vizepräsident Joe Biden zuschlug, war kein Zufall. | |
Nimmt Moskau den Schlag gegen Syrien und die Kurden einfach so hin? | |
Es entsteht ein größeres Problem. Mir ist Russlands Reaktion noch nicht | |
ganz klar. Die USA unterstützen die Kurden, während Erdoğans Verhältnis zu | |
ihnen äußerst schwierig ist. Klar ist: Moskau versteht, was auch passiert, | |
die Türkei hält an der Kooperation mit den USA fest. Das Gerede bei uns | |
über eine strategische Partnerschaft und Absichten, ein gemeinsames | |
Sicherheitssystem im Nahen Osten zu errichten, erweist sich als Mythos. | |
Russland unterhielt immer gute Beziehungen zu den Kurden in Syrien und | |
Irak. Auch wenn die USA noch bessere Beziehungen hatten und die Kurden | |
immer unterstützten. Wie sich Moskau im Falle einer Zuspitzung verhält, | |
weiß ich nicht. | |
Auch Moskaus Verhältnis zum Iran stiftet Verwirrung. | |
In gewisser Weise ist es mit den russisch-türkischen Beziehungen | |
vergleichbar. Moskau nutzte die iranische Militärbasis Hamadan für Angriffe | |
in Syrien. Teheran hat es gestört, dass bei uns daraus gleich eine | |
strategische Partnerschaft und Koalition gebastelt wurde. Der Eindruck | |
entstand, Teheran sei der kleine Bruder und Russland habe das Sagen. | |
Russland handelt nur im eigenen Interesse. Iran ist nicht das Land, das | |
sich unterordnen würde. Es will nicht als zweitrangig und als | |
Hilfeempfänger dastehen. Denn es begreift sich selbst als Großmacht. | |
Außerdem ist wichtig, Teheran ist gen Westen ausgerichtet: Es braucht Geld, | |
Investitionen und Technologie. Niemand möchte daher den Eindruck erwecken, | |
es bestünde ein besonderes Verhältnis zu Russland. | |
Kann Moskau Syrien als Einheitsstaat erhalten? | |
Das hängt auch von Assad ab. Er ist nur noch dank Russland Präsident. | |
Moskau griff ein, als die syrische Armee bereits um die Hälfte geschrumpft | |
war. Zwei Drittel des schweren Geräts war vernichtet worden. Ohne Russland | |
ist auch Assad verloren. Er wird gehen müssen, aber wann, ist unklar. Ob | |
der Nachfolger, sei es ein General oder eine Koalition, gute Beziehungen zu | |
Russland aufrechterhält, ist eine offene Frage. So intensiv wie bisher | |
werden die Beziehungen wohl nicht mehr werden. Das wird auch Russlands | |
Position im Nahen Osten wieder schwächen. Bislang ist Moskau nur in Syrien | |
präsent. Schwierig zu sagen, ob Syrien die Zeit danach als Einheitsstaat | |
überstehen kann. | |
Russland pflegt regen Austausch mit so unversöhnlichen Gegnern wie | |
Saudi-Arabien, Iran, Israel, Hisbollah …Wie gelingt das? | |
Russland gibt sich als hartnäckiger Partner. Wir haben Erfahrung im Umgang | |
mit der arabischen Welt und den Arabern. Außerdem sind wir mit | |
Rüstungsgütern vor Ort. In der UdSSR ausgebildete Militärs erinnern sich | |
auch gerne an die Studienzeit bei uns. Russland hätte Chancen, Einfluss und | |
Rolle auszubauen. Dieses Potenzial wird im Duma-Wahlkampf auch | |
ausgeschlachtet. Doch es fehlt Geld und viele Fehler wurden gemacht wie in | |
der Ukraine. Überzogene Ambitionen, sozusagen. | |
Bedeutet das Großmachtrolle auf Abruf? | |
Für den Moment hat sich Russland den Status zurückgeholt. Tritt Baschar ab, | |
bleibt der Druck in der Region jedoch erhalten, der Bürgerkrieg geht | |
weiter. Zu viele Kräfte sind involviert, wo sollen die hin? Wie will man | |
mit Kurden und dem Islamischen Staat verfahren? Ein langer Konflikt droht. | |
Wenn vielleicht auch nicht so lang wie der israelisch palästinensische … | |
Ist Russland in der Lage, die syrische Opposition mit Bomben auszuschalten? | |
Bislang ist Moskau dazu noch nicht bereit. Ohne Landstreitkräfte ist der | |
Widerstand nicht zu brechen. Sich in einen Bürgerkrieg, zumal islamischen, | |
einzumischen, würde sich auf die umliegenden Staaten auswirken. Die ganze | |
Welt würde in Mitleidenschaft gezogen. Franzosen, Amerikaner, Engländer und | |
wir bombardieren den „Islamischen Staat“ (IS) ohne durchschlagenden Erfolg. | |
War die Unterstützung Assads auch ein zu ambitioniertes Unternehmen? | |
Nein, das war richtig. Ein Diktator ist besser als der IS. Selbst die | |
Amerikaner sehen das ein. Die Wahl besteht zwischen Islam und Diktatur. | |
Demokratie ist dort chancenlos. | |
Putin trifft Recep Erdoğ an am Rande des G-20-Gipfels. Halten Sie eine | |
Annäherung in der Syrienfrage für möglich? | |
Beide wollen die Beziehungen nicht gleich wieder verderben und suchen daher | |
nach Gemeinsamkeiten. Die Wirtschaft bietet einen Anknüpfungspunkt. Das ist | |
der offizielle Teil. Entscheidend ist jedoch die Syrienfrage. Lässt sich | |
gegenseitiges Verständnis schaffen und worauf kann man sich einigen. | |
Unabhängig davon, erwarte ich nicht, dass es erneut zu einem Konflikt | |
kommt. | |
2 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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