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# taz.de -- Türkei „säubert“ weiter: 3.000 Richter bald ohne Vermögen
> Erdoğan macht den Prediger Gülen verantwortlich für den Putschversuch. In
> Justiz, Medien, der Armee und der Geschäftswelt wird seither nach
> Verschwörern gesucht.
Bild: Beschlagnahmt werden sollen unter anderem Immobilien, Bankkonten oder Fah…
Istanbul/Ankara dpa/afp | Nach dem gescheiterten Putschversuch will die
türkische Staatsanwaltschaft die Privatvermögen von mehr als 3.000
suspendierten Richtern und Staatsanwälten beschlagnahmen lassen. Betroffen
sind 3.049 Richter und Staatsanwälte mit mutmaßlichen Verbindungen zur
Bewegung des Predigers Fetullah Gülen, deren Festnahme bereits angeordnet
worden sei, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am
Donnerstagabend meldete.
Die Juristen sind bereits vom Dienst freigestellt. Beschlagnahmt werden
sollen unter anderem Immobilien, Bankkonten oder Fahrzeuge. Die Regierung
macht den in den USA lebenden Gülen für den Putschversuch vom 15. Juli
verantwortlich. Nach Angaben des Innenministeriums saßen am Mittwoch mehr
als 1.600 Richter und Staatsanwälte in Untersuchungshaft. Die Regierung
wirft der Gülen-Bewegung vor, den Staat unterwandert zu haben. Gülen wurde
in der Vergangenheit großer Einfluss im Justizbereich nachgesagt.
Die Ermittlungen nach dem gescheiterten Militärputsch richten sich auch
gegen Vertreter der Geschäftswelt. Drei prominente Unternehmer wurden am
Freitag festgenommen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu
meldete. Der Chef des Boydak-Konzerns, Mustafa Boydak, wurde demnach in der
zentraltürkischen Stadt Kayseri in Gewahrsam genommen. Auch zwei weitere
Mitglieder der Unternehmensleitung, Sükrü und Halit Boydak, seien
festgenommen worden.
Zudem seien Haftbefehle gegen den früheren Konzernchef Haci Boydak sowie
die Verwaltungsratsmitglieder Ilyas and Bekir Boydak erlassen worden. Laut
Anadolu stehen die Ermittlungen im Zusammenhang mit den finanziellen
Aktivitäten der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Die
Boydak-Holding ist im Energie- und Finanzsektor aktiv und besitzt die
bekannten Möbelmarken Istikbal und Bellona.
Grünen-Chef Cem Özdemir prangerte die Schließung von über 100
Medienredaktionen in der Türkei an. „Von Pressefreiheit kann man in der
Türkei längst nicht mehr sprechen“, sagte Özdemir der Rheinischen Post
(Freitag). „Dies hat auch für das Zusammenleben in Deutschland
Auswirkungen, wenn über Erdoğans Blätter und TV-Sender verbreitet wird, wir
würden Terroristen unterstützen oder gar Terroranschläge wie den
ISIS-Anschlag in Istanbul verantworten.“
## „Hexenjagd gegen Unschuldige“
Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der
Mitte-Links-Partei CHP warnte Präsident Erdogan vor einer „Hexenjagd gegen
Unschuldige“. „Journalisten zu verhaften wird unserer Demokratie schaden“,
sagte er der Bild-Zeitung. Trotz der Kritik verteidigte Kilicdaroglou aber
gleichzeitig das harte Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung und sieht diese
hinter dem Putschversuch. „Es gibt starke Anzeichen dafür, dass Teile
dieser zusammen mit einzelnen beim Militär hinter dem Putsch stecken.“
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan müsse jedoch härter kritisiert werden,
verlangte er. „Nicht nur Frau Merkel, sondern alle EU-Institutionen können
sich viel deutlicher und viel lauter gegen die undemokratischen Sitten
aussprechen.“
Mit dem jüngsten Dekret Erdoğans wurde die Schließung von drei
Nachrichtenagenturen, 16 Fernsehstationen, 23 Radiosendern, 45 Zeitungen,
15 Magazinen sowie 29 Verlagshäusern und Pressevertrieben angeordnet. Mit
demselben Erlass wurden außerdem 1.684 Offiziere unehrenhaft aus den
Streitkräften entlassen, davon 149 im Generalsrang.
Der türkische Armeechef Hulusi Akar bleibt hingegen weiter im Amt. Diese
zuvor vom Obersten Militärrat getroffene Entscheidung habe Erdoğan
gebilligt, erklärte sein Sprecher Ibrahim Kalin am Abend. Akar war vor zwei
Wochen von den Putschisten gefangen genommen, später aber befreit worden.
Trotz der Wirren ist das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei nach
Einschätzung von Erweiterungskommissar Johannes Hahn nicht in Gefahr. „Die
Flüchtlingswelle ist gestoppt“, sagte er der Süddeutschen Zeitung
(Freitag). „Das sollte Europa auch selbstbewusst sagen. Heute geht es
darum, dass wir der Türkei helfen, die finanzielle Last durch drei
Millionen Flüchtlinge mit zu schultern.“
29 Jul 2016
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