| # taz.de -- Ex-Hürriyet-Online-Chef über die Türkei: „Ich weiß nicht, wie… | |
| > Bülent Mumay ist einer der 42 türkischen Journalisten, die als angebliche | |
| > Gülen-Anhänger festgenommen werden sollen. Noch ist das nicht passiert. | |
| Bild: Der Journalist Bülent Mumay twitterte früh über den versuchten Militä… | |
| taz: Herr Mumay, Sie sind [1][einer der 42 türkischen Journalisten, die | |
| festgenommen werden sollen]. Im Moment sind Sie noch in Freiheit. Wie geht | |
| es Ihnen? | |
| Bülent Mumay: Im Moment geht es mir gut. Ich weiß nicht genau, wie das in | |
| ein paar Stunden oder Dienstagfrüh sein wird. Ich habe am Montagmorgen auf | |
| den Webseiten einiger regierungstreuer Medien gesehen, dass dort Listen mit | |
| den Namen von 42 Journalisten veröffentlicht wurden, die festgenommen | |
| werden sollen. Mein Name stand auch dort. Außerdem hat man mir gesagt, dass | |
| die Polizei bereits bei meiner alten Adresse nach mir gesucht hat. Aber ich | |
| bin vor wenigen Wochen erst umgezogen. Sie haben mich also nicht gefunden. | |
| Wie haben Sie reagiert, als Sie Ihren Namen auf der Liste lasen? | |
| Ich habe sofort meinen Anwalt angerufen und er hat Kontakt mit dem Gericht | |
| aufgenommen. Ich denke, ich werde in ein paar Stunden zum Gericht geben und | |
| dort meine Aussage machen. Das alles ist natürlich ein Schock für mich. Man | |
| behauptet ja, dass ich zu den Unterstützern des Militärputsches gehöre und | |
| dass ich die Gülen-Bewegung unterstütze. | |
| Stimmt das denn? | |
| Nein. Alles was ich getan habe, war zu twittern. Und zwar schon sehr früh | |
| an diesem Freitagabend des Putsches, als noch niemand genau wusste, ob es | |
| sich wirklich um einen Putsch handelt, oder nicht. Etwa gegen elf Uhr | |
| nachts an diesem 15. Juli schrieb ich auf Twitter: „Verdammt, das sieht aus | |
| wie ein Putsch. Ich hasse Putsche. Das wird unsere Demokratie zerstören.“ | |
| Das war alles. Allerdings tweetete ich eben noch bevor der Präsident im | |
| Fernsehen zusehen war und den Putsch bekanntgab. | |
| Sie haben also eine Vermutung geäußert und nun wirft man Ihnen vor, Sie | |
| hätten von dem Putsch gewusst? | |
| Ja, ich denke, darum geht es. Das ist ein sehr klassisches Verhalten in der | |
| Türkei. Wenn sich die Regierung an jemandem rächen will, setzt sie die | |
| Person einfach auf eine Liste. Man wird einfach zum Bösewicht erklärt. Dein | |
| Name wird mit den Namen anderer Menschen, denen Verbrechen vorgeworfen | |
| werden, in Verbindung gebracht. Es geht darum, deinen Namen in den Dreck zu | |
| ziehen. | |
| [2][ Sie haben lange Jahre die Online-Redaktion der Hürriyet geleitet, aber | |
| seit November 2015 sind Sie dort nicht mehr angestellt. ] | |
| Das stimmt. Ich bin nur noch als Freelancer tätig. Ich schreibe eigentlich | |
| nur noch ab und zu Stücke für internationale Medien. Für türkische Medien | |
| schreibe ich gar nicht mehr. Aber ich twittere eben manchmal und die | |
| Sozialen Medien sind ein sehr machtvolles Instrument in der Türkei. Und die | |
| Regierung kann keinerlei Kritik ertragen. Auch nicht in Sozialen Medien. | |
| Das wird also vermutlich der Grund sein, warum ich nun auf dieser Liste | |
| stehe. | |
| Aber es gibt auch eine Vorgeschichte, oder? | |
| Ja. Die Gezi-Proteste. Seit ich für die Hürriyet über die Gezi-Proteste | |
| berichtet habe – und wir waren wirklich immer vor Ort – hasst mich die | |
| Regierung. Wir haben uns damals nicht vertreiben lassen, auch dann nicht, | |
| als andere Medien sich zurückzogen. Das hat der Regierung nicht gefallen. | |
| Mittlerweile hat sich auch die Berichterstattung der Hürriyet geändert. | |
| Sie, der Onlinechef, wurden auf Geheiß von oben suspendiert. Und auch sonst | |
| ist die Berichterstattung regierungsfreundlicher geworden. | |
| Ja, aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich hier nicht die Arbeit | |
| meiner ehemaligen Kollegen kritisieren möchte. Alles was ich sagen kann, | |
| ist, dass der Druck, der auf die türkischen Mainstream-Medien ausgeübt | |
| wird, von Tag zu Tag größer wird. Wirklich unabhängig zu berichten, ist | |
| also nicht gerade leicht. | |
| Man sagt, die Journalisten, die sich nun auf der Liste wiederfinden, werden | |
| mit der Gülen-Bewegung assoziiert. Erdoğan wirft Fethullah Gülen, dem | |
| geistigen Oberhaupt der religiösen Gülen-Bewegung, vor, den Putsch vom 15. | |
| Juli angezettelt zu haben. Steht die Hürriyet denn der Gülen-Bewegung nahe? | |
| Die Hürrieyt hat absolut nichts mit der Gülen-Bewegung zu tun. Ebenso wenig | |
| wie ich. Aber es stimmt: Die meisten Menschen, deren Namen nun auf dieser | |
| Liste stehen, haben für Gülen-nahe Medien gearbeitet. Jetzt wollen die | |
| Behörden einfach noch einige Namen hinzufügen, um diese Menschen leichter | |
| verhaften zu können. Es geht nur um einen Vorwand. Und ich denke, ich bin | |
| einer von denen, bei denen man einen Vorwand sucht. Wissen Sie, Erdoğan und | |
| die AKP nutzen den Militärputsch, um jede Opposition auszuschalten. Sie | |
| wollen einfach alle Kritiker muntot machen. Sogar in den Sozialen Medien. | |
| Sogar Journalisten wie mich, die nur noch freischaffend tätig sind. | |
| Wurden Sie schon ein Mal festgenommen? | |
| Nein, aber ich war immer sofort bei Gericht oder vor dem Gefängnis, wenn | |
| einer meiner Kollegen und Freunde festgenommen worden war. Aus Solidarität | |
| haben wir dort oft bis in die frühen Morgenstunden ausgeharrt. So auch bei | |
| Can Dündar, dem ehemaligen Chefredakteur der Cumhurriyet. | |
| Wie geht es jetzt weiter? | |
| Die Türkei ist ein Land, in dem sie den morgigen Tag nicht planen können. | |
| Ich kann also wirklich nicht sagen, was jetzt passieren wird. Ich weiß nur: | |
| ich werde entweder diesen Montagabend oder Dienstagfrüh zum Gericht gehen | |
| und eine Aussage machen, sobald mir mein Anwalt das Okay gibt. Was dann | |
| geschieht, welche Entscheidung der Staatsanwalt treffen wird, weiß ich | |
| nicht. Eigentlich hatte ich vor, ins Ausland in den Urlaub zu fahren, bevor | |
| ich heute morgen meinen Namen auf der Liste entdeckte. Aber das habe ich | |
| sofort abgesagt. Ich will nicht, dass es für die Behörden so aussieht, als | |
| wollte ich flüchten. | |
| Ins Ausland zu gehen, kommt für Sie nicht in Frage? | |
| Die Türkei ist meine Heimat und ich werde bleiben. Ich will auf keinen Fall | |
| den Eindruck erwecken, ich hätte vor zu fliehen. | |
| 25 Jul 2016 | |
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| Marlene Halser | |
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