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# taz.de -- Pro & Contra freie Fahrt: Darf man rote Ampeln überradeln?
> Ein Grüner fordert: Radfahrer sollen rote Ampeln ignorieren dürfen, wenn
> es der Verkehr zulässt. Hilft oder schadet das?
Bild: – Jetzt sattel die Hühner, grüner wird's nich. – Hier ist verkehrsb…
## Ja
Es ist noch nicht lange her, da durften Radler auf Einbahnstraßen nur in
die eine vorgegebene Richtung fahren. Erst 2009 wurde die rigide Regel
entschärft. Weil sich eh kein Fahrradfahrer mehr daran gehalten hat. Vor
allem aber: Weil die Einbahnstraßennichtbenutzungsverordnung nur für
Autofahrer Sinn ergibt. Also: weg damit!
Das Gleiche gilt nun für die endlich hochkochende Diskussion um die roten
Ampeln. Die geben Autofahrern Orientierung. Für Radler aber sind sie nicht
nur eine lästige Bremse, sie sind eine tödliche Falle.
Niemand ist gefährdeter als der Fahrradfahrer, der bei Grün loszuckelt und
dann von einem rechts abbiegenden Lkw umgenietet wird, der auch Grün hat.
Jede Unfallstatistik belegt das. Die meisten Opfer sind Defensivfahrer:
Frauen und Senioren. Jedenfalls nicht der verschrieene Kampfradler.
Denn wer bei Rot radelt, rechnet mit feindlichem Verkehr. Guckt
vorausschauend, wägt die Lage auf der Kreuzung ab, prescht nur vor, wenn
wirklich frei ist. Also genau das, was der „Idaho Stop“ fordert.
Kritiker nörgeln nun, dass es keine Sonderregeln für Radfahrer geben darf.
Das Problem aber ist: Es gibt eigentlich nur Sonderklauseln für Autofahrer.
Nahezu die komplette Verkehrsgesetzgebung fußt einzig und allein auf ihren
Interessen. Weil sie viele sind. Weil sie ohne ein starres Regelwerk gar
nicht mehr vom Fleck kämen, ohne sich die heiligen Kotflügel zu zerbeulen.
Genau deshalb wurde die erste Ampel Deutschlands in den 20er Jahren auf dem
Berliner Potsdamer Platz aufgestellt. An Radfahrer hat damals niemand
gedacht. Und Fußgänger mussten sich nach wie vor irgendwie einen Weg
suchen.
In einer utopischen Stadt ohne Autos bräuchte es nur zwei Regeln: Rechts
vor links. Fußgänger haben Vorrang. Fertig. Auch der kleinste Schritt in
Richtung dieser Utopie ist ein Fortschritt. Wenn Autofahrer Radlern künftig
neidisch hinterherschauen, umso besser. Sie sollen sehen, dass sich
Umsteigen lohnt.
VON GEREON ASMUTH
## Nein
Flexible Vereinbarungen statt polizeilich überwachter Verbote, mehr
Spielraum für mündige Radler statt unsinniger Regeln – klingt super. Kann
auch funktionieren. In Bullerbü oder Centopia. Oder sonst irgend einem
flauschigen Idealuniversum, in dem sich Verkehrsteilnehmer lächelnd
gegenseitig den Vortritt lassen und für jeden Igel bremsen.
Im Autoraserland Deutschland aber, das sich in den Großstädten auch immer
mehr zum Kampfradlerland entwickelt, wird die Nummer mit der freiwilligen
Rücksichtnahme leider nicht klappen.
Woher ich das weiß? Weil ich täglich als Fahrradfahrerin und Fußgängerin im
Berliner Straßenverkehr unterwegs bin. Und da vergeht kein Tag, an dem mich
nicht ein Raser aus zweiter Reihe überholt, um dann so knapp vor mir
einzuscheren, dass ich beim Bremsen fast über den Lenker fliege. Oder eine
Rennrad-Trulla mit Ohrstöpseln mich fast ummäht, weil sie übersehen hat,
dass Fußgänger Grün haben.
Weil es für die zahlenmäßig und technisch überlegenen Autofahrer so viel
Narrenfreiheit gibt (kein Tempolimit, kein Tempo dreißig in Innenstädten),
fühlen sich Fahrradfahrer gerne moralisch im Recht – was sich in
Rechthaberei äußert.
Aber wer denkt eigentlich an die Fußgänger? Klar, an roten Ampeln sind
Radler oft genug selbst in Gefahr, von Rechtsabbiegern übersehen zu werden.
Aber verschwindet die Gefahr, wenn man bei Rot fahren darf? Wer sagt, dass
man dann nicht selbst einen Fußgänger erwischt? Übrigens kann man auch
warten, bis der dicke Lkw abgebogen ist, bevor man losfährt.
Rote Ampeln markieren eine sichtbare Grenze im Straßengewusel. Die auch
noch abzuschaffen ist keine gute Idee. Das zeigen die Zebrastreifen, wo
Anhalten theoretisch auch Pflicht ist.
Wie oft das nicht klappt, gerade bei Fahrradfahrern, kann ich oft genug
beobachten, wenn ich mit meinem Sohn versuche, zur anderen Straßenseite zu
kommen. Wenn „Stopp“ nur noch „Je nachdem“ heißt, will ich mir den Weg…
Spielplatz lieber gar nicht vorstellen.
VON NINA APIN
21 Jul 2016
## AUTOREN
Gereon Asmuth
Nina Apin
## TAGS
Fahrrad
Verkehr
Auto
rote Ampeln
FDP Bremen
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