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# taz.de -- Fahrradkontrollen in Bremen: Ordnungshüter im Jagdfieber
> Der Bremer Ordnungsdienst kontrolliert zur Zeit verstärkt RadfahrerInnen
> – und verhängt auch Bußgelder, wo gar keine Vergehen vorliegen.
Bild: Radfahren ist hier bis elf Uhr erlaubt. Der Ordnungsdienst in Bremen wei�…
Bremen taz | Am Dienstag wird die Bürgerschaft über einen [1][Antrag der
FDP-Fraktion] debattieren: Sie fordert, beim städtischen Ordnungsdienst
eine spezielle Einsatzgruppe „Fahrradkontrolle“ einzurichten. Es hat
allerdings den Anschein, als sei der Wunsch der Liberalen bereits in
Erfüllung gegangen: Es wirkt nämlich, als mache der Ordnungsdienst zurzeit
verstärkt Jagd auf Radfahrende – sogar auf jene, die sich überhaupt nichts
haben zuschulden kommen lassen.
Innerhalb von nur fünf Tagen wurde Hans D. (Name ist der Redaktion bekannt)
gleich zweimal vom Ordnungsdienst gestoppt. Beim ersten Mal fand das
Zusammentreffen in der Bischofsnadel statt, wo das Radfahren verboten ist.
Nicht verboten ist in solchen Fußgängerbereichen allerdings das „Rollern“,
also das Fortbewegen durch das Abstoßen eines Fußes auf der Erde, während
der Radfahrer mit dem zweiten Fuß auf der Pedale steht. Das hat [2][unter
anderem das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden]. Vielen Radfahrenden
ist das geläufig.
Den KontrolleurInnen allerdings offenbar nicht: „Vier oder fünf
Ordnungsdienstmitarbeiter haben morgens um acht Uhr an der fast noch
menschenleeren Bischofsnadel Radfahrer kontrolliert und mir vorgeworfen,
ich sei dort widerrechtlich gefahren“, sagt D. Dabei habe er sich noch vor
Beginn des Fußgängerbereichs aus dem Sattel geschwungen und sei dann
langsam durch die Bischofsnadel gerollert.
D. ist nicht nur bekannt, dass er rollern, sondern auch, dass er dabei
nicht gegen Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung verstoßen, sich also nur
rücksichtsvoll und in angemessenem Tempo fortbewegen darf. „Ich habe dem
Ordnungsdienstmitarbeiter das auch gesagt, aber er hat bloß geantwortet, er
sei mit der Rechtsprechung vertraut“ – und ihm eine Verwarnung ausgestellt,
auf der als Tatbestand notiert ist: „Fahrradfahren in der FGZ.“ D. musste
ein Verwarnungsgeld in Höhe von 15 Euro zahlen.
Nur drei Tage später, wieder um acht Uhr morgens, hatte er die nächste
Begegnung mit einem Ordnungsdienstmitarbeiter: „Diesmal im Bereich
Papenstraße, wo wieder mehrere Ordnungsdienstler Fahrradfahrer
kontrollierten.“ Auch diesmal bezog sich die Kontrolle auf vermeintlich
widerrechtliches Radfahren in der Fußgängerzone. „Das ist in der Innenstadt
bis 11 Uhr morgens erlaubt, aber auch das war dem Ordnungsdienst offenbar
nicht bekannt“, sagt D.
In der Tat weist nicht jedes einzelne Schild im Fußgängerzonenbereich
darauf hin, dass die Zone außer für den Lieferverkehr auch für Radfahrende
frei ist, an den „Einflugschneisen“ zur Fußgängerzone stehen die
entsprechenden Schilder allerdings unübersehbar – und das bereits seit über
sieben Jahren.
## Statt gelber Karte gibt es sofort ein Verwarnungsgeld
Weitere, sehr ähnliche Fälle, die der taz innerhalb der letzten beiden
Wochen zugetragen wurden, deuten daraufhin, dass der Ordnungsdienst
verstärkt ein Auge auf RadfahrerInnen wirft. „Natürlich ist es ein Problem,
wenn Radfahrer sich nicht an die Verkehrsregeln halten und es ist in
Ordnung, das zu kontrollieren“, sagt Albrecht Genzel vom ADFC Bremen.
„Aber wenn der Ordnungsdienst nicht einmal weiß, welche Verkehrsregeln
gelten und welche nicht, dann frage ich mich, was deren Mitarbeiter in
ihren mehrwöchigen Schulungen eigentlich gelernt haben.“
Auch das sofortige Verhängen eines Verwarnungsgeldes entspreche nicht dem
veröffentlichten Konzept, mit dem der neue Ordnungsdienst im vergangenen
Oktober seine Arbeit in Bremen aufgenommen habe, so Genzel: Freundlich und
bürgernah sollte der sich geben und bei kleineren Verstößen immer erst eine
eigens zu diesem Zwecke mitgeführte „gelbe Karte“ als Verwarnung vorzeigen.
Selbst wenn also tatsächlich jemand verbotenerweise in der Fußgängerzone
radeln sollte, dies aber langsam und umsichtig tut, wäre erst einmal
„Anzählen“ angesagt.
## Die FDP forderte eine „Einsatzgruppe Fahrradkontrolle“
Genzel ärgert es überdies, dass der Dienst nicht für Falschparker zuständig
ist: „Es gibt in Bremen ein riesiges Problem mit zugeparkten Fuß- und
Fahrradwegen – darum sollte sich der neue Ordnungsdienst unserer Meinung
nach ebenfalls kümmern.“
In der Realität aber agiert er ganz im Sinne der FDP, die in ihrem Antrag
eine „Einsatzgruppe Fahrradkontrolle“ fordert, „welche Verstöße schnell
erkennt und entsprechend konsequent ahndet“.
Auf Nachfragen der taz, welchen Grund es für die momentan verstärkten
Fahrradkontrollen gebe und in welcher Form der Ordnungsdienst hierfür
geschult wurde, hat die zuständige Innenbehörde bis Redaktionsschluss nicht
geantwortet.
3 May 2019
## LINKS
[1] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp19/stadt/drucksache/D19S…
[2] https://www.radl-welt.de/index.php/radl-news/30-rollern-ist-rechtens
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
FDP Bremen
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