# taz.de -- Verkehrs-Visionen in Niedersachsen: Im Zweifel gegen Radler | |
> Der Bund der Steuerzahler hält eine stärkere Förderung des Radverkehrs in | |
> Niedersachsen für Verschwendung – dabei fehlen zum Erhalt der Radwege | |
> Millionen. | |
Bild: Sieht dem Problem ins Auge: Olaf Lies (SPD) will das Radwegenetz verbesse… | |
HANNOVER taz | Mit falschen Zahlen macht der Bund der Steuerzahler (BdSt) | |
in Niedersachsen Stimmung gegen die Förderung des Radverkehrs. „Zusätzliche | |
16,2 Millionen Euro“ wolle die rot-grüne Landtagsmehrheit im Doppelhaushalt | |
2016/17 für RadlerInnen bereitstellen, polterte der BdSt-Landesvorsitzende | |
Bernhard Zentgraf am Dienstag in einer Pressemitteilung: „Bei Radwegen | |
droht Steuerverschwendung.“ | |
Tatsächlich investieren SPD und Grüne in den kommenden zwei Jahren 32,5 | |
Millionen Euro in den Radverkehr. Allerdings: Fünf Millionen Euro flossen | |
nach Auskunft des Landesverkehrsministeriums schon bisher jedes Jahr in den | |
Bau neuer Radwege. Für Reparaturen kamen weitere fünf Millionen hinzu – | |
macht für 2016/17 insgesamt 20 Millionen. Für Radlerinnen stehen also 12,5 | |
Millionen, nicht aber 16,2 Millionen Euro mehr parat. Der BdSt, der auf | |
jeden Euro achten will, hat sich damit um satte 3,7 Millionen Euro | |
verrechnet. | |
„Der Steuerzahlerbund argumentiert ideologisch“, ärgert sich deshalb der | |
Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in | |
Niedersachsen, Dieter Schulz. „Das Auto soll bevorzugt werden.“ Kritik | |
kommt auch von der verkehrspolitischen Sprecherin der Grünen im Landtag in | |
Hannover, Susanne Menge: BdSt-Chef Zentgraf argumentiere nicht | |
„finanztechnisch“, sondern „politisch“, meint auch die Abgeordnete. „… | |
geben kein zusätzliches Geld aus, sondern schichten von Straßen auf Radwege | |
um“, sagt sie. | |
Dringend nötig ist das in jedem Fall: „Im Sommer 2015 wurden rund 4.500 | |
Kilometer Radwege an den Landesstraßen mit Spezialfahrzeugen untersucht“, | |
so ADFC-Mann Schulz. „Davon waren 19 Prozent in schlechtem Zustand, also | |
kaum noch befahrbar.“ Bei Reparaturkosten von 75.000 Euro pro Kilometer | |
seien mehr als 64 Millionen Euro nötig, um auch nur das bestehende Netz zu | |
erhalten, rechnet der ADFC-Vorsitzende vor. | |
Im Schnitt gäben Niedersachsens Städte und Landkreise nur zwei bis drei | |
Euro pro Einwohner und Jahr für die Förderung des Fahrrads aus, klagt auch | |
die grüne Verkehrsexpertin Menge. In wirklich fahrradfreundlichen Städten | |
wie Groningen oder Kopenhagen seien es dagegen 25 Euro – und das hat | |
Wirkung: In den beiden heimlichen Hauptstädten des Radverkehrs wird schon | |
heute jeder zweite Weg mit dem Rad zurückgelegt. „Wir geben noch immer viel | |
zu wenig für die post-fossile Mobilität aus“, sagt Menge. Dazu gehörten | |
nicht nur neue Radschnellwege, sondern auch „Elektroladestationen, | |
überdachte Abstellmöglichkeiten, Haltebügel und die Fahrradmitnahme in | |
Bussen und Bahnen“. | |
Wenig durchdacht scheint auch das Argument des Steuerzahlerbunds, | |
Radstrecken gerade auf dem Land über schon vorhandene, aber abgelegene | |
Wirtschaftswege auszuschildern. „Gerade nachts fahren die meisten Leute aus | |
Sicherheitsgründen nur dort, wo sie auch gesehen werden“, glaubt der | |
Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages, Heiger Scholz. Für | |
den Vertreter der Kommunen gehört die Warnung des Steuerzahlerbunds deshalb | |
offenbar eher in den Bereich der Polit-Folklore: „Vom BdSt war lange nichts | |
zu hören“, sagt Scholz: „Jetzt äußert er sich zu einem ungeeigneten Them… | |
Denn auch BdSt-Chef Zentgraf kann zumindest aus dem Stand nicht erläutern, | |
warum sich sein Verein um 3,7 Millionen Euro verrechnet hat. „Nicht jeder | |
Radweg“, mahnt er dennoch, „hat eine hohe Priorität“. | |
7 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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