# taz.de -- Daimler-Chef beim Grünen-Parteitag: Zuhören heißt nicht zustimmen | |
> Daimler-Chef Zetsche darf Vorschläge machen – beschlossen wird etwas | |
> Anderes. Die Entscheidungen vom Grünen-Parteitag in Münster. | |
Bild: Zetsche mit Sonnenblume | |
MÜNSTER taz | Der Daimler-Chef nimmt den Protest der jungen Grünen mit | |
Humor. Sie haben sich Schnurrbärte ins Gesicht geklebt, recken Schilder | |
gegen Waffenexporte in die Luft und rufen zur Bühne hinüber. „Den meisten | |
von euch steht der Schnurrbart gut“, kontert Dieter Zetsche. Gelächter bei | |
den Grünen. | |
Der Auftritt des Vorstandsvorsitzenden, der über die Verkehrswende sprach, | |
war im Vorfeld des Grünen-Parteitags in Münster heiß umkämpft gewesen. Die | |
Delegierten hatten bereits am Freitag einen Antrag aus der linken Basis | |
abgelehnt, die Rede des Daimler-Chefs ersatzlos zu streichen. Von der | |
Aktion der Grünen Jugend abgesehen, lief bei dem umstrittenen Besuch dann | |
alles sehr zivilisiert ab. | |
Zetsche warb für seine Vision des Zukunftsautos, die Grünen applaudierten | |
höflich – und fassten dann zwei radikale Beschlüsse. | |
Zetsche, ohne Krawatte, in Jeans und Sneakers, sendete eine doppelte | |
Botschaft. Einerseits bekannte er sich zu ökologischer Mobilität. Die | |
Branche habe längst verstanden: „Das größte Risiko für Arbeitsplätze wä… | |
ein Festhalten am Status quo“, sagte Zetsche. „Wir stehen vor einem | |
fundamentalen Wandel, der weit über neue Motoren hinausgeht.“ Die Grünen | |
hätten Recht, wenn sie sagten, die Automobilindustrie werde nur überleben, | |
wenn sie ein emissionsfreies Fahrzeug entwickele. | |
## Ausstieg aus der Kohlenutzung 2025 | |
Gleichzeitig wandte sich Zetsche klar gegen eine Kernforderung der | |
Ökopartei. „Wer glaubt, er könne eine bestimmte Form der Mobilität bis zu | |
einem Stichtag x verbieten, der springt zu kurz.“ Statt zu diskutieren, | |
wann man ankomme, gehe es darum, das Tempo zu beschleunigen. Die Grünen | |
fassten am Ende der Debatte trotzdem einen Beschluss, der deutlich | |
engagierter ist. | |
Sie treten in Zukunft dafür ein, ab 2030 nur noch Neuwagen mit | |
emissionsfreien Antrieben zuzulassen. Diesel oder Benziner wären ab diesem | |
Datum verboten. | |
Beim Kohleausstieg überstimmte die Basis sogar den Antrag des Vorstandes. | |
Statt 2035, wie von der Grünen-Spitze gefordert, soll nun der Ausstieg aus | |
der Kohlenutzung in Deutschland bereits bis 2025 gelingen. | |
Vor Zetsches Auftritt hatte Parteichef Cem Özdemir einen starken Moment. Er | |
verteidigte in seiner Begrüßung die Einladung des Vorstands. Er wundere | |
sich über die Reaktionen, rief Özdemir mit Blick auf Kritiker. | |
## Atem des Aufbruchs | |
„Es ist doch ein Kompliment, wenn man zu uns kommen muss, um über die | |
Zukunft der Autoindustrie zu reden – nicht zur CDU oder zur SPD“, rief | |
Özdemir. „Woher kommt die Angst? Wir haben gute Argumente, wir haben | |
Rückgrat!“ In diesem Saal werde über die Zukunft der Republik entschieden. | |
Einzelne Jubelrufe, die Delegierten reißt es von den Sitzen, der Atem des | |
Aufbruchs weht durch den Saal. | |
Ein weiterer Höhepunkt der Debatte war die ebenfalls bejubelte Rede von | |
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe und einer der | |
schärfsten Kritiker der Automobilindustrie. Er hielt den Autokonzernen | |
„vorsätzlichen Betrug“ vor. | |
Er zitierte Lungenfachärzte, die Menschen aus Städten mit hoher | |
Feinstaubbelastung behandeln. Gerade im Winter müssten sie deutlich mehr | |
Husten- und Erstickungsanfälle behandeln. „Hunderttausende Menschen leiden, | |
weil die Automobilfirmen mit krimineller Energie die Abgasreinigung im | |
Winter auf nahe null herunterregulieren.“ | |
13 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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