# taz.de -- Kretschmann für Verbrennungsmotoren: Schlechtes Klima bei den Grü… | |
> Baden-Württembergs Ministerpräsident will kein Ende von Diesel- und | |
> Benzin-Pkws im Jahr 2030. Er droht, die Harmonie auf dem Parteitag zu | |
> stören. | |
Bild: Gemeinsame Sache: Kretschmann und Zetsche beim gemeinsamen Schrauben an i… | |
BERLIN taz | Dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann | |
(Grüne) die Parteilinie ignoriert, wenn er sie falsch findet, ist nicht | |
neu. Der Oberrealo aus dem Südwesten hat die Grünen schon öfter gegen sich | |
aufgebracht, etwa beim Asylrecht. Jetzt provoziert er bei einem grünen | |
Identitätsthema: dem Klimaschutz. Kretschmann argumentiert gegen ein | |
festgeschriebenes Aus für Diesel und Benziner ab dem Jahr 2030 – und erntet | |
dafür Kritik. | |
„Dass ein Ministerpräsident Schutzreflexe für eine wichtige Industrie in | |
seinem Bundesland entwickelt, verstehe ich. Aber Kretschmann setzt das | |
falsche Signal“, sagte dazu Oliver Krischer, grüner Fraktionsvize im | |
Bundestag. Der Verbrennungsmotor habe in Deutschland auf absehbare Zeit | |
keine Zukunft mehr. „Die Grünen müssen diese Tatsache deutlich benennen.“ | |
Auch Annalena Baerbock, die Klimaschutzexpertin der Fraktion, zeigte sich | |
„verwundert“. „Die Industrie pocht immer wieder darauf, dass sie klare | |
Rahmenbedingungen und Planungssicherheit braucht.“ Sie sehe es als | |
„zentrale Aufgabe“ der Grünen, das Pariser Klimaschutzabkommen in | |
Deutschland umzusetzen. „Die Zielvorgabe, dass es ab 2030 nur noch | |
emissionsfreie Antriebe bei Neuwagen gibt, ist dafür ein zentraler | |
Baustein.“ | |
Der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek wirbt ebenfalls seit Monaten für | |
den Termin 2030. „Ob wir das Ziel emissionsfreier Neuwagen ab diesem | |
Zeitpunkt nun über Verbote oder zum Beispiel über Emissionsvorgaben | |
erreichen, kann man diskutieren“, sagt er. | |
## Ehrgeizige Klimaschutzziele | |
In Paris haben sich 2015 195 Staaten auf ehrgeizige Klimaschutzziele | |
geeinigt. Die Industriestaaten dürften demnach bis 2050 keine Treibhausgase | |
wie CO2 mehr produzieren. Um das zu erreichen, müsste der Verkehr in | |
Deutschland aus Sicht der Grünen ab 2030 auf klimaneutrale Antriebe | |
umgestellt werden. | |
Kretschmann schreckte seine Partei am Dienstag mit einer anderen Sicht auf. | |
„Die Landesregierung hält von solchen konkreten Terminen nicht viel“, sagte | |
er in der Landespressekonferenz in Stuttgart. Die Politik habe nur bedingt | |
Einfluss darauf, ob so ein Termin eingehalten werden könne – und solle | |
keine falschen Erwartungen wecken. „Wir können ja keinen Crash der | |
Automobilindustrie provozieren.“ Noch liege der Anteil der elektrisch | |
betriebenen Fahrzeuge unter einem Prozent. „Ob der Termin nun 2030 ist oder | |
2034, das kann doch niemand auch nur annähernd sagen.“ | |
Baden-Württemberg ist ein wichtiger Standort der Automobilindustrie. Hier | |
haben Daimler und Porsche ihre Firmensitze, aber auch viele | |
Zuliefererbetriebe. Kretschmann ließ seinen Worten Taten vorangehen, indem | |
er sich in der Länderkammer gegen allzu scharfe Vorgaben für die Industrie | |
stemmte. Der Bundesrat befasste sich am 23. September mit einer | |
Stellungnahme zur Strategie der EU-Kommission für eine emissionsarme | |
Mobilität. Darin taucht in einem Nebensatz der umstrittene 2030-Termin | |
ebenfalls auf – nicht in Verbindung mit einem Verbot für Diesel oder | |
Benziner, sondern verknüpft mit der Idee, den Wandel mit Steuern oder | |
Abgaben zu fördern. | |
Doch auch diese weiche Formulierung war Kretschmann offenbar zu hart. | |
Baden-Württemberg stimmte an der Seite Bayerns gegen die Stellungnahme. | |
Jene wurde trotzdem mehrheitlich angenommen, Niedersachsens Regierung, der | |
das Wohl von VW am Herzen liegt, stimmte mit Ja. | |
## Peinlicher Dissens | |
Für die Grünen ist der Dissens in dieser wichtigen Frage peinlich. | |
Eigentlich will die Ökopartei beim Klimaschutz vor dem Bundestagswahljahr | |
2017 klare Kante zeigen. Auf dem Parteitag, der Mitte November in der | |
Fahrradstadt Münster stattfindet, bringt der Bundesvorstand einen Antrag | |
ein, in dem das Datum 2030 klar fixiert ist. | |
Zusätzlich sorgt ein prominenter Gast für Aufregung bei den Grünen: Der | |
Bundesvorstand hat Daimler-Chef Dieter Zetsche nach Münster eingeladen, er | |
soll über Verkehrspolitik referieren. Die Entscheidung stößt vielen im | |
linken Flügel sauer auf. Zetsches Rede und Kretschmanns Einwurf haben | |
nichts miteinander zu tun, doch das dürfte manchen empörten Basisgrünen | |
nicht stören. | |
Grünen-Chefin Simone Peter müht sich deshalb bereits um Schadensbegrenzung. | |
„Die Zukunft gehört abgasfreien Autos. Das sagt auch Winfried Kretschmann“, | |
sagte sie. „Dass wir als Grüne den Übergang schneller schaffen wollen als | |
die Landeskoalition in Baden-Württemberg, ist ganz normal.“ | |
12 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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