# taz.de -- Flüchtlinge werden verteilt: Volksentscheid abgewendet | |
> Die Hamburgische Bürgerschaft hat den Kompromiss zur Unterbringung von | |
> Geflüchteten durchgewunken. Künftig werden Schutzsuchende dezentral | |
> wohnen. | |
Bild: Hat ihren Zweck erfüllt: die Parole gegen Großunterkünfte in Hamburg. | |
HAMBURG taz | Die Hamburgische Bürgerschaft hat am Mittwoch mit rot-grüner | |
Mehrheit und Unterstützung der Linken den mit dem Initiativen-Dachverband | |
„Hamburg für gute Integration“ (IfI) ausgehandelten Kompromiss zur | |
Flüchtlingsunterbringung verabschiedet. Mit dem Kompromiss, der elf | |
sogenannte Bürgerverträge mit lokalen Initiativen beinhaltet, ist ein | |
drohender Volksentscheid über die Unterbringung von Geflüchteten vom Tisch, | |
der nach Auffassung aller Beteiligten die Stadt gespalten hätte. „Das hätte | |
zur Mobilisierung eines rechten Mobs und zu einem Klima geführt, in dem | |
Integration nicht gedeihen kann“, begründet Christiane Schneider von der | |
Linken die Zustimmung ihrer Fraktion zu dem Kompromiss. | |
Der Kern der Vereinbarung lautet: Es soll mehr, dafür aber kleinere | |
Folgeunterkünfte für Geflüchtete in Hamburg geben. Die Anzahl der | |
Folgeunterkünfte soll von heute 150 auf bis zu 300 aufgestockt werden und | |
keine Unterkunft soll langfristig mehr als 300 Menschen beherbergen. Zudem | |
wurden die Integrationsmaßnahmen im Bereich Kinderbetreuung, Bildung und | |
Arbeitsmarkt aufgestockt. | |
Es gibt nur wenig inhaltliche Kritik an dem Papier. „Die Stadtteile, in | |
denen es keine Initiativen gibt, die ihre Interessen in den Kompromiss | |
einfließen ließen, werden die Verlierer sein“, befürchtet allerdings die | |
Vize-Fraktionschefin der CDU, Karin Prien, und hat diese auch schon | |
lokalisiert: „Die zukünftige Verteilung geht zu Lasten der ohnehin stark | |
belasteten Stadtteile.“ Es seien vor allem die begüterten Regionen Hamburgs | |
an Elbe und Alster, wo starke Initiativen entstanden, die mit am | |
Verhandlungstisch gesessen und dort ihre Interessen hätten durchsetzen | |
können. | |
Besonders von den vor Ort tätigen Flüchtlingsinitiativen, die sich um | |
praktische Hilfe für die Schutzsuchenden sowie deren Integration kümmern, | |
kommt massive Kritik an dem Vorgehen der IfI. „Die Initiative hat den Senat | |
mit der Drohung, die Stadt durch einen Volksentscheid zu spalten, schlicht | |
erpresst“, findet etwa Theresa Jakob von der Initiative „Refugees welcome �… | |
Karoviertel“. | |
Ihr Mitstreiter, der Arzt Michael Siassi, kritisiert, dass der Senat mit | |
der Nicht-in-meinem-Vorgarten-Fraktion verhandelt, die „bislang nichts | |
Konstruktives zur Diskussion beigetragen“ habe. „Volksdemokratie heißt | |
nicht, mit demokratisch in keinerlei Weise legitimierten Organisationen in | |
Hinterzimmern politische Weichenstellungen zu treffen“, sagt Siassi. „Das | |
ist eine komplette Bankrotterklärung der Politik und ein Tritt vors | |
Schienbein all jener, die sich seit Jahren für Migranten engagieren und | |
Integration leben.“ | |
Auch die Abgeordnete der Grünen, Stephanie von Berg, räumt ein, dass „der | |
Eindruck bleibt, dass mit denen verhandelt wird, die sich lautstark | |
artikulieren“. Sie lobt aber gleichzeitig den „großen Anteil an | |
zukunftsweisenden Integrationsmaßnahmen, der in dem Antrag enthalten ist.“ | |
Prien hingegen spricht von einem „dunklen Tag für die parlamentarische | |
Demokratie“. Am Dienstag hätte Rot-Grün den Bürgerschaftsabgeordneten „1… | |
Seiten Vertrag vor die Füße gekippt, über den sie nur einen Tag später | |
endgültig abstimmen sollten“. Eine qualifizierte Beratung des Schriftstücks | |
sei innerhalb dieser Frist nicht möglich, eine Zustimmung der CDU deshalb | |
nicht denkbar. Nur aus Respekt vor der Initiative habe sich ihre Partei | |
enthalten, sagt Prien. | |
Die FDP hingegen lehnte den Antrag ab. Ihre Chefin Katja Suding sah in dem | |
Schnellverfahren einen „Anschlag auf die Demokratie“. Ihre Fraktion | |
beantragte eine Sondersitzung in der Sommerpause der Bürgerschaft für die | |
Beratung des Kompromisses, den Suding eine „wachsweiche Angelegenheit“ | |
nennt. Die Mehrheit der Abgeordneten aber wollte für Suding den Urlaub | |
nicht unterbrechen und votierte gegen die Zusatzsitzung in den Ferien. | |
13 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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