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# taz.de -- Der Überraschungsbestseller des Jahres: Auf den Pfau gekommen
> Am Sonntag liest die Hamburger Autorin Isabel Bogdan in der Hamburger
> Hafencity aus ihrem leichtfüßigen Debutroman.
Bild: Kann nicht nur übersetzen und schreiben, sondern bei Bedarf auch sitzen …
HAMBURG taz | Falls einer ihrer Pfauen erschossen, gerissen oder vom
Klavier geschubst werden sollte – kein Problem: Beim nächsten Abend mit
Freunden wird ihr garantiert der nächste überreicht. Seit Isabel Bogdan mit
„Der Pfau“ (Kiepenheuer & Witsch 2016, 256 S., 18,99 Euro) den
leichtfüßigen Überraschungsbestseller des Jahres geschrieben hat, ist
überall blaues Federvieh: Pfauen-Porzellanfiguren, Pfauen-Etageren, sogar
eine Pfauenstrumpfhose hat sie schon geschenkt bekommen.
„Der Pfau“ spielt auf einem abgelegenen Hof in den schottischen Highlands,
auf dem Lord und Lady McIntosh mit Hund, Gänsen und eben Pfauen leben und
leidlich komfortable Cottages an Großstädter vermieten. Als sich eine zu
Teambuilding-Maßnahmen abkommandierte Fünfertruppe gestresster Banker
einquartiert und dann auch noch einer der Pfauen anfängt, verrückt zu
spielen und alles Blaue anzugreifen, entwickelt sich eine schrullige,
kleine Groteske mit sehr britischem Humor. Denn Bogdan hat ein großes
Talent dafür, im Kleinen des Alltags das Heitere und Absurde in
unterhaltsame Form zu bringen, ohne die Dinge übermäßig zu überzeichnen.
## Britischer Humor
Bogdan, 1968 in Köln geboren, hat bisher diverse Kurzgeschichten und das
Selbstexperiment-Buch „Sachen machen“ (Rowohlt 2012, 224 S., 8,99 Euro)
veröffentlicht. Vor allem aber ist sie preisgekrönte Übersetzerin. Hornby
und Jonathan Safran Foer hat sie ins Deutsche übertragen, derzeit steht sie
neben dem „Pfau“ mit zwei Jane-Gardam-Romanen auf der
Spiegel-Bestsellerliste.
Studiert hat Bogdan Anglistik und Japanologie – „aber mit dem Ende des
Studiums habe ich sofort aufgehört, Japanisch zu können.“ Die Liebe zu
Großbritannien hingegen ist geblieben: „Ich mag die Leute wahnsinnig gerne,
weil sie sich selbst nicht so ernst nehmen“, sagt sie. „Ich bin schon viel
in Schottland gewesen, und da gibt es zum Beispiel in Stonehaven ein
Folkfestival, bei dem im Freibad getanzt wird. Draußen am Rand steht eine
Ceilidh-Band, und im Wasser hüpfen 100 halbnackte Menschen herum, was
natürlich total absurd ist, weil man im Wasser gar nicht den Rhythmus
halten kann. Sowas kann ich mir in Deutschland nicht vorstellen.“
Bogdan gibt sich sympathisch selbstironisch. Auf die Frage, warum sie trotz
mäßigen Interesses Japanisch studierte, antwortet sie: „Meine Mutter würde
sagen: Weil ich auch mal etwas Besonderes sein wollte.“ Einem [1][Blog „For
women. Not girls“] stellte sie für ein Interview über die Entwicklung ihres
modischen Feingefühls völlig uneitel großformatige Bilder in
Oversize-Pastellblusen zur Verfügung. Mittlerweile hat Bogdan für das
Hamburger Modelabel Garment gemodelt – und sagt ein Zeitungsfotograf, dass
sie mal dasitzen solle wie die Queen, weiß sie, was zu tun ist.
Das habe sie das erste Mal mit 30 Jahren gewusst: „Ich habe Sprachen
studiert, weil es mir lag, aber ich habe ewig studiert und mich irgendwie
durch die Scheine gewurschtelt. Beim Übersetzen habe ich das erste Mal
Ehrgeiz entwickelt.“ Das erste Werk: „Gärtnern auf kleinstem Raum – Ideen
für Balkon, Hof und Hauseingang“. Dazu kamen ähnliche populäre Ratgeber
oder auch lustige Frauenromane.
Dünkel hatte sie dabei nicht: „Ich war am Anfang ganz happy damit, weil ich
mich an große Literatur sowieso nicht getraut hätte“, sagt sie. Und diese
Frauenromane machten ja auch Spaß. „Diese 30-jährigen Protagonistinnen
plappern so locker daher, wie ich das auch tue“, sagt Bogdan. „Aber
irgendwann weiß man halt, wie die funktionieren und dass der langweilige
Freak vom Anfang des Textes am Ende dann doch ganz reich und aufregend
ist.“
## Gründliche Übersetzerin
So locker-flockig und offen Bogdan sich für alles Mögliche interessiert:
Als Übersetzerin ist sie gründlich und genau. Wenn sie über
„Wirkungsäquivalenz“ redet und die Herausforderung, von der Syntax der
Ursprungssprache genügend Abstand zu nehmen, um den Text mit vergleichbarem
Rhythmus in die andere Sprache zu übertragen, hört man das Herzblut heraus.
Und sie wird leicht unwirsch, wenn sie erzählt, dass Übersetzer oft gefragt
werden, ob sie nicht selbst schreiben wollen: „Das wirkt immer so, als wäre
Übersetzen eine Art Schreiben zweiter Klasse.“ Mittlerweile übersetzt
Bogdan fast ausschließlich für Hanser und Kiwi, wo sie auch „Der Pfau“
veröffentlicht hat.
Das Anwesen mit dem Pfau gibt es übrigens wirklich. Man findet es, wenn man
Jeannie und Hector MacLean googelt, denen Bogdan den Roman gewidmet hat.
Seit über 20 Jahren fährt sie regelmäßig dorthin, und auch der Pfau, der
plötzlich blaue Sachen angreift, ist kuriose Tatsache. „Daraus habe ich
eine Kurzgeschichte geschrieben, für die ich 2011 den Hamburger Förderpreis
gewonnen habe“, erzählt sie. „Aber die Geschichte war gar nicht
abgeschlossen, deswegen habe ich ‚Romananfang‘ drübergeschrieben.“
Trotzdem dauerte es trotz guter Kontakte in die Buchbranche noch fünf
Jahre, bis der Roman erschien. Denn funktionieren, das funktioniert für
Bogdan nur „mit Termin“. Eine Agentin habe sie sich gesucht, „um die
Peitsche zu schwingen.“ Dabei ist Bogdan für jemanden, der sich als „Chef
der Prokrastination“ bezeichnet, ausgesprochen umtriebig und produktiv:
Neben ihren Übersetzungsarbeiten ist sie seit 2005 auch in der Bloggerszene
aktiv.
Dort hat sie unter anderem mit dem Autor Maximilian Buddenbohm das Projekt
„Was machen die da?“ ins Leben gerufen, in dem sie Menschen über Berufe und
Ehrenämter ausfragt. In „Sachen machen – Was ich schon immer tun wollte“
hat sie 43 ihr unbekannte Dinge ausprobiert, darunter ein Besuch beim
Wacken-Festival, bei einer SM-Orgie und beim Schweineschlachter.
Überhaupt, die sozialen Medien: „Früher habe ich mich manchmal gegrämt,
dass ich so viel im Internet herumlungere“, sagt Bogdan. „Das hat
gleichzeitig mit dem Übersetzen angefangen, als ich gemerkt habe, dass
dieses Alleinesitzen im stillen Kämmerlein eigentlich überhaupt nichts für
mich ist. Ich bin ein Sozialtier.“ In ihrer Wohnung in Hamm veranstaltet
Bogdan deshalb regelmäßig Lesungen oder bringt in Buchhandlungen Autoren
und Geflüchtete zusammen.
Bogdans Internetkarriere hat zur Folge, dass Journalisten tief in ihrer
Vergangenheit googeln können: 2005 gründete sie auf ihrem Blog den „Verein
zur Rettung des anderthalb“. „Der wird neuerdings wieder ausgebuddelt“,
wundert sich Bogdan und freut sich zugleich, denn „ich habe das Gefühl,
dass dieses Wort irgendwie ausstirbt, was ich sehr schade finde, weil es so
ein hübsches kleines Wort ist.“
Die Liebe zu den Worten und zur deutschen Sprache allgemein, ist Bogdans
Texten anzumerken. Fragt man sie danach, was die meisten Menschen am Beruf
des Übersetzers unterschätzen, antwortet sie: „Das Beherrschen der eigenen
Muttersprache.“ Natürlich müsse man die Fremdsprache gut beherrschen. „Ab…
noch wichtiger ist es, gut Deutsch zu können. Das ist weniger banal, als
man meint.“
## Lieblingsinsel Helgoland
An einem übersetzten Satz feilt sie deshalb länger als an einem selbst
geschriebenen: „Wenn ich weiß, was ich sagen will, drücke ich das so aus,
wie ich das eben tue“, sagt sie. „Wenn ich schreiben muss, wie jemand
anders sich ausgedrückt hat, muss ich viel genauer gucken.“
Dafür braucht auch das Sozialtier Bogdan ab und zu mal Ruhe und ein wenig
Abstand: auf Inseln. Mit der Journalistin und Schriftstellerin Anne von
Canal hat sie denn auch im vergangenen Jahr eine Anthologie mit
Insel-Geschichten veröffentlicht. „Irgendwo ins grüne Meer“ (Arche 2016,
224 S., 14,99 Euro) heißt die.
Nicht erstaunlich, dass Bogdans Lieblingsinsel zwischen Großbritannien und
Deutschland liegt – Helgoland: „Man packt einfach sein Rollköfferchen,
fährt zu den Landungsbrücken – und ist in vier Stunden ganz weit weg von
allem.“
16 Jul 2016
## LINKS
[1] http://www.texterella.de/
## AUTOREN
Hanna Klimpe
## TAGS
Literatur
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