# taz.de -- Kommentar Steuerpläne der Grünen: Es lebe der Selbstwiderspruch | |
> Auch viele Grünen-WählerInnen sind egoistisch und wollen kein Geld | |
> abgeben. Selbst wenn der Staat es gut gebrauchen könnte. | |
Bild: Die neue Finanz- und Steuerpolitik der Grünen lässt das Geld der eigene… | |
Das Linkssein hört bei vielen ganz schnell auf, wenn das eigene | |
Portemonnaie betroffen ist. Diese Lehre haben die Grünen aus dem Wahlkampf | |
2013 gezogen. Ihre neue Finanz- und Steuerpolitik, über der eine | |
Arbeitsgruppe gut zwei Jahre lang brütete, tut nun alles dafür, die eigene, | |
gut verdienende Klientel zu schonen. Stattdessen fokussieren sich die | |
Grünen lieber auf Superreiche, auf millionenschwere Firmenerben. | |
Dieser Schwenk folgt nicht inhaltlichen, sondern taktischen Überlegungen – | |
und er ist sehr nachvollziehbar. Die WählerInnen der Grünen sind | |
überdurchschnittlich gut gebildet und verdienen entsprechend. Sie sind | |
Ärztinnen, Architekten oder Beamtinnen, die gerne etwas mehr Geld für ein | |
Bio-Dinkelbrot ausgeben und das gute Leben lieben. Diese Milieus waren nie | |
frei von Selbstwidersprüchen. | |
Der Klimaschutz ist ihnen wichtig, aber der Wochenendflug nach Barcelona | |
muss bitte schön drin sein. Flüchtlingskinder sind wirklich süß, aber zu | |
viele sollten nicht in der Schulklasse der frühgeförderten Anna-Lisa | |
sitzen. Auch das postmaterialistische Credo, es gehe im Leben nicht um | |
Geld, sondern um Glück, Freiheit und Selbstverwirklichung, war so ein | |
Selbstbetrug. | |
Seit 2013 ist aber klar: Auch viele Grünen-WählerInnen sind egoistisch, | |
auch sie wollen kein Geld abgeben, selbst wenn der Staat es gut gebrauchen | |
könnte, etwa für bessere Schulen oder eine engagierte Energiewende. | |
Die Grünen kalkulieren diesen Egoismus jetzt ein, ihr neues Konzept umarmt | |
die obere Mittelschicht sanft. Der Freiburger Oberarzt, 115.000 Euro brutto | |
im Jahr, SUV und Townhouse, die Frau hütet ehegattengesplittet die Kinder, | |
braucht keine Angst mehr vor den Grünen zu haben – er zahlte keinen Cent | |
mehr. Dieser Kurs dürfte den Grünen einige Prozentpunkte bringen, weil er | |
relevante Zielgruppen nicht verschreckt. Parteien funktionieren da nicht | |
anders als Firmen, die ihre Produkte der Kundschaft anpassen. | |
Außerdem bleibt das Konzept vage genug, um Kompromisse mit Angela Merkels | |
Union zu ermöglichen. Die Steuerpolitik stünde Schwarz-Grün jetzt | |
jedenfalls nicht mehr im Wege: Die Abgeltungssteuer will längst auch | |
Wolfgang Schäuble abschaffen, gegen Steuerflucht sind sowieso alle und die | |
Vermögenssteuer, so sie ein Grünen-Parteitag noch beschließt, wanderte | |
selbstverständlich sofort in den Papierkorb. | |
Und die Nachteile des neuen Kurses? Auch die liegen auf der Hand. Viele | |
gute grüne Ideen sind nun nicht mehr gegenfinanziert, die Ökopartei kehrt | |
zum Prinzip des Wünsch-dir-was zurück. Überfälliges, wie die Abschaffung | |
des reaktionären Ehegattensplittings, wird auf den St. Nimmerleins-Tag | |
verschoben. Und ein schwarz-grünes Bündnis würde sich ab 2017 | |
selbstverständlich mit dem Auseinanderdriften von Arm und Reich in | |
Deutschland arrangieren. | |
12 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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