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# taz.de -- Urteil gegen Bremer IS-Aussteiger: Kronzeuge gegen den Terror
> Der Prozess gegen den Bremer IS-Aussteiger Harry S. ist nach nur vier
> Verhandlungstagen vorbei: Am Dienstag wurde er in Hamburg zu drei Jahren
> Haft verurteilt.
Bild: Gestand „umfassend und glaubhaft“: Harry S. (l.) vor dem Staatsschutz…
HAMBURG taz | Drei Jahre: So lautet das Urteil gegen den Bremer
IS-Aussteiger Harry S. vor dem Hamburger Oberlandesgericht. Nach nur vier
Verhandlungstagen wurde er am Dienstag wegen Mitgliedschaft in der
ausländischen Terrorvereinigung Islamischer Staat (IS) und des Verstoßes
gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Waffengesetz verurteilt.
Es war der erste Prozess gegen einen IS-Rückkehrer vor dem
Staatsschutzsenat, der für die Länder Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein
und Mecklenburg-Vorpommern zuständig ist.
Die kurze Verhandlungszeit lag vor allem am Angeklagten selbst: Schon vor
Beginn hatte S. gegenüber Verfassungsschützern und Polizei umfassend
ausgesagt. Vor Gericht hatte er erneut gestanden. Der 27-Jährige hatte von
seiner Zeit in Syrien erzählt, von seiner Ausbildung in einer
Spezialeinheit, der Mitwirkung an einem deutschsprachigen
IS-Propagandavideo, von Morden anderer und Mittätern.
## Harry S. wusste, was auf ihn zukam
Harry S., in hellem Hemd und blauer Jeans, nahm das Urteil gefasst. Wegen
Verstoßes gegen Bewährungsauflagen wird wohl ein weiteres Jahr Haft aus
einem anderen Verfahren hinzukommen, gegen eine Verurteilung zu weiteren
vier Jahren wegen Raubes hat er Revision eingelegt. Demnach ist offen, wie
lange er letztendlich in Haft bleiben wird.
Doch S. wusste, was auf ihn zukam. Von Anfang an machte er einen klaren
Eindruck. Noch im Gerichtssaal erklärte sein Anwalt, dass S. das Urteil
annimmt und keine Revision einlegen will.
Auch in seinem letzten Wort hatte S. noch einmal betont: „Als ich in Syrien
war, habe ich schnell erkannt, dass alles Schwachsinn war“. Und: „Ich
hoffe, dass ich anderen Jugendlichen helfen kann, diesen Weg nicht zu
gehen.“
## Abwägung vor Gericht
In ihrem Plädoyer hatten die Vertreter des Generalbundesanwalts denn auch
von einer Abwägung gesprochen: Zwischen dem Harry S., der Reue zeigt und
als Kronzeuge gegen die Terroristen auftritt. Und zwischen jenem Harry S.,
der als Anhänger eines radikalen Islam in Syrien Teil der Terrorvereinigung
ist, der zunächst auch kämpfen will.
Der eine Kalaschnikow besaß, wenn auch ohne Munition, und in einem
Propagandavideo auftrat. Das seien Bilder, die beim IS „zu Waffen“ würden,
sagte ein Vertreter des Generalbundesanwalts und forderte eine
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
Harry S. Verteidiger schlug hingegen vor, von einer eher unbedeutenden
Rolle seines Mandanten in der Zeit beim IS auszugehen und forderte ein Jahr
und neun Monate.
## Radikalisierung im Gefängnis
Dem wollte der Vorsitzende Richter Klaus Rühle nicht folgen. „Ein Mitläufer
waren Sie bei weitem nicht“, sagte er an Harry S. gerichtet in seinem
Urteil. Beim IS handele es sich um „eine terroristische Vereinigung, die an
Menschenverachtung kaum zu überbieten ist“, sagte Rühle.
Aber: Harry S. habe ganz entscheidend zur Aufklärung von Taten beigetragen
– von Morden und Massenmorden. „Sie sind kein Terrorist mehr und werden –
da bin ich mir sicher – auch nie wieder einer werden“, sagte der Richter.
Sein Geständnis sei „umfassend und glaubhaft“ und dazu „gehört Mut.“
Im Prozess hatte Harry S. erklärt, wie er sich im Kontakt mit René Marc S.
radikalisierte, nachdem er wegen eines Supermarkt-Überfalls ins Gefängnis
musste. Im April 2015 war er zum IS nach Syrien ausgereist. Mit anderen
Deutschen tauchte er in einem etwa Anfang Juni 2015 gedrehten
IS-Propagandavideo auf und trägt die IS-Fahne. Sieben Gefangene wurden
darin ermordet, er selbst habe weder geschossen noch vor der Kamera reden
wollen, sagte S..
## Flucht nach Video-Dreh
Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg hatte im Prozess erklärt, Ziel des
Videos, in dem mit Anschlägen in Deutschland gedroht wurde, sei die
Rekrutierung neuer Kämpfer gewesen. Unter den 25.000 bis 30.000
IS-Mitgliedern befänden sich rund 700 Männer und 100 Frauen aus
Deutschland.
Harry S. war kurz nach dem Dreh geflohen. Ende Juli 2015 wurde er am Bremer
Flughafen festgenommen und sitzt seither in Haft.
5 Jul 2016
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Lena Kaiser
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