# taz.de -- Islamist nach der Haft: Keine Fesseln für den „Emir“ | |
> Der Islamist René Marc S. wurde aus der Haft entlassen, soll aber eng | |
> überwacht werden – für die Sicherheitsbehörden am liebsten per | |
> elektronischer Fußfessel. | |
Bild: Vielleicht Gefährder, aber eben keine verurteilten Straftäter: Anhänge… | |
BREMEN taz | Was das Oberlandesgericht (OLG) in München am Freitagabend | |
entschieden hat, interessiert nicht so sehr die dortigen | |
Sicherheitsbehörden – umso mehr die in Bremen: Es ging um Auflagen, die | |
René Marc S. nach seiner Haftentlassung erfüllen muss. Ende Februar kam der | |
Bremer Islamist frei, dreieinhalb Jahre hatte der 35-Jährige verbüßt, weil | |
er Drohungen Osama Bin Ladens im Internet verbreitet hatte und sich | |
al-Qaida anschließen wollte. | |
Die Polizei hält ihn nach wie vor für einen der bedrohlichsten Islamisten | |
Deutschlands. Spiegel-Recherchen zufolge befasste sich sogar das | |
„Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum“ von Bund und Ländern mit der | |
Freilassung von S., der als „Emir von Gröpelingen“ bekannt geworden war. | |
Sein Fall hat auch deshalb Bedeutung, weil er zu einer Generation von | |
Islamisten gehört, von denen in nächster Zeit noch weitere aus der Haft | |
entlassen werden, etwa Mitglieder der sogenannten Sauerland-Gruppe. Die | |
Sicherheitsbehörden ringen nun um einen Umgang mit diesen „Gefährdern“. | |
## Die Auflagenliste ist land | |
Eine ganze Liste mit Führungsauflagen hatte die Bundesanwaltschaft für S. | |
beantragt. Nur über einen Teil hat das Münchner Gericht nun entschieden: | |
Nach Angaben seines Anwalts muss René Marc S. sich ab sofort einmal in der | |
Woche bei der Polizei und einem Bewährungshelfer melden. Ohne Genehmigung | |
darf er Bremen maximal drei Tage lang verlassen. | |
Die Forderungen gingen viel weiter: Täglich sollte er aufs Revier und nur | |
eingeschränkt kommunizieren dürfen: Zu 31 Personen sollte er gar keinen | |
Kontakt aufnehmen, ein Handy nur benutzen, wenn er das Gerät vorher | |
anmeldet. Die Entscheidung über diese Auflagen hat das OLG am Freitag | |
vertagt. | |
Schon vorher zurückgezogen hatte die Bundesanwaltschaft den Antrag, S. eine | |
elektronische Fußfessel anzulegen. Das wäre nur möglich, wenn er Mitglied | |
einer terroristischen Vereinigung gewesen wäre. S. aber hatte al-Qaida nur | |
unterstützt. | |
## Regeln für Gewalt- und Sexualstraftäter ausgelegt | |
Daniel Heinke, im Bremer Innenressort für Terrorismusabwehr zuständig, | |
erklärte dem NDR, dass das „bestehende Reglementarium für Gewalt- und | |
Sexualstraftäter ausgelegt“ sei und an den Herausforderungen durch | |
islamistische Gefährder angepasst werden müsse. Über die aktuelle | |
OLG-Entscheidung sagte er zur taz: „Wir werden den Beschluss im Rahmen | |
unserer Zuständigkeiten umsetzten und im Übrigen angepasste Maßnahmen der | |
Sicherheitsbehörden prüfen.“ | |
Doch was heißt das? Eine 24-Stunden-Überwachung ist personell sehr | |
aufwendig. Wohl auch deshalb hatte der Spiegel berichtet, Bremens | |
Innensenator Ulrich Mäurer sei der erste hochrangige SPD-Innenpolitiker, | |
der sich Forderungen der CDU anschließe, eine elektronische Fußfessel für | |
„Gefährder“ einzuführen. „Meines Erachtens sollte der Anwendungsbereich | |
behutsam erweitert werden, um auch islamistische Gefährder zu erfassen“, | |
wurde Mäurer zitiert. | |
Juristisch allerdings wirft das Fragen auf: „Gefährder“ als solche sind | |
nicht notwendig verurteilte Straftäter, sondern stehen zunächst nur auf | |
einer Verdachtsliste, geführt von Ermittlern, um sie zu beobachten und | |
Anschläge bestenfalls im Vorfeld zu verhindern. Eine präventive Maßnahme | |
also soll als Grundlage für Freiheitsbeschränkungen dienen? | |
## Anwalt sieht keine rechtliche Grundlage | |
Bremens Innenressort rudert zurück: Mäurer sei vom Spiegel „nicht | |
hundertprozentig“ wiedergegeben worden, erklärt Sprecher Nicolai Roth der | |
taz. Nicht allgemein für „Gefährder“ habe der Senator die Fußfessel | |
gefordert, sondern im Zusammenhang mit der „Führungsaufsicht“ von | |
Islamisten, die aus der Haft entlassen wurden – also in Bezug auf Fälle wie | |
den von René Marc S. | |
Dessen Bremer Anwalt Helmut Pollähne hält die Diskussion für „eine | |
Frechheit“. Es gebe keine gesetzliche Grundlage, Fußfesseln einzuführen, | |
„zumindest nicht für Menschen, die nie richtig Mitglied in einer | |
Terrororganisation waren“, sagt Pollähne. „Und auch da hat sich der | |
Gesetzgeber sehr schwer getan, das einzuführen.“ | |
Der Jurist kritisiert das Nebeneinander von Justiz und der Polizei: „Egal, | |
was das OLG in München entscheidet, Polizei und Geheimdienste machen | |
ohnehin was sie wollen.“ Sein Mandant würde weiter beschattet und es gebe | |
etwa auch „Gefährderansprachen“. Das sei nicht im Sinne einer | |
Resozialisierung. | |
14 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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