# taz.de -- Fluchtwege nach Europa: Die neue Balkanroute | |
> Laut UNHCR schaffen es täglich zwischen 30 und 40 Flüchtlinge aus | |
> Griechenland über Bulgarien nach Serbien. Vermutlich sind es mehr. | |
Bild: Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan in Serbien | |
BELGRAD taz | Wenn heute in Mitteleuropa über Flüchtlinge auf dem Balkan | |
gesprochen wird, hört sich das an wie Berichte von einer Kriegsfront: Die | |
Balkanroute ist dicht, der Einsatz vom Militär an der EU-Außengrenze wird | |
verstärkt, die Anrainerstaaten zeigen sich kooperativ beim Aufhalten der | |
Flüchtlinge . . . | |
Tatsächlich gibt es die alte Balkanroute nicht mehr. Die Behörden | |
Mazedoniens haben gute Arbeit geleistet: Über das Territorium ihres Landes | |
kommen nur noch wenige in Griechenland gestrandete Flüchtlinge in die | |
sicheren, reichen EU-Länder Mittel- und Nordeuropas. Deshalb nehmen die | |
Migranten auf dem Balkan nun einen anderen Weg Richtung Mitteleuropa: über | |
Bulgarien, Serbien und Ungarn. | |
Diese neue Balkanroute wurde lange vermieden – und das nicht nur weil sie | |
länger und teurer ist. Im November vergangenen Jahres berichteten | |
Hilfsorganisationen, dass Flüchtlinge in Bulgarien misshandelt und | |
ausgeplündert werden. | |
Laut dem regionalen TV-Sender N1, hinter dem das US-amerikanische CNN | |
steht, werden die bulgarischen Grenzen nicht nur von regulären | |
Sicherheitskräften geschützt, sondern auch von „Bürgerwehren“, die | |
Flüchtlinge, die illegal die Grenze passieren, jagen, festsetzten und der | |
Polizei übergeben. Und dafür von der Regierung in Sofia explizit gelobt | |
werden. | |
## Das Image bewahren | |
Trotzdem schaffen es nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR | |
täglich zwischen 30 und 40 Flüchtlinge über Bulgarien nach Serbien. Ihre | |
tatsächliche Zahl schätzen Migrationsexperten viel höher ein. Die | |
Flüchtlinge ziehen direkt zur Grenze nach Ungarn, wo täglich zwischen 200 | |
und 300 Menschen ankommen, die meisten davon aus Afghanistan. Ungarische | |
Grenzpolizisten sollen 20 Menschen täglich legal ins Land lassen, wobei | |
Familien, Frauen und Kinder Priorität haben. | |
Auf der serbischen Seite der Grenze gibt es keine Flüchtlingscamps. Die | |
Menschen harren dort im Freien aus, auch bei Regen. Die serbischen Behörden | |
wollen kein Aufsehen erwecken, denn man hat sich bisher nach außen und nach | |
innen ein Image als flüchtlingsfreundlichstes Land des Balkans aufgebaut, | |
an dem niemand rütteln will. Auch ihre ungarischen Kollegen wollen keine | |
Öffentlichkeit für die Tatsache, dass sie – nach dem ganzen | |
Stacheldrahtzirkus an der Grenze zu Serbien – doch wieder eine kleine | |
Anzahl von Flüchtlingen ins Land lassen. | |
In Belgrad wurde vor wenigen Tagen Miksalište, eines der wichtigsten | |
Flüchtlingszentren der serbischen Hauptstadt, unmittelbar am zentralen | |
Busbahnhof über Nacht abgerissen. Bis dahin wurden in der von NGOs | |
betriebenen Enrichtung bis zu 300 Mahlzeiten täglich an Flüchtlinge | |
verteilt. Eine Alternative dazu ist nicht vorgesehen. | |
Laut UNHCR gibt es in Serbien offiziell derzeit weniger als 1.000 | |
Flüchtlinge: In Preševo an der Grenze zu Mazedonien, bis zur Schließung der | |
Balkanroute dem größten serbischen Flüchtlingscamp ganze 50; in Belgrad | |
zwischen 200 und 300; in Adaševci an der Grenze zu Kroatien 33, an der zu | |
Ungarn rund 200, in Flüchtlingscamps im Innland rund 90. Die meisten von | |
ihnen haben kein Geld mehr und kommen daher nicht weiter. Manche stellen | |
Asylanträge in Serbien, weil sie sich danach mit entsprechenden Dokumenten | |
legal bewegen können. | |
Der UNHCR geht davon aus, dass sich 2016 rund 2.000 Flüchtlingen in Serbien | |
aufhalten werden – von rund 15.000, die über das Balkanland weiter Richtung | |
Mitteleuropa ziehen werden. An der deutschen Grenze kamen nach Angaben der | |
Bundespolizei im April durchschnittlich 183 Migranten an, im März waren | |
waren es 179. Diese Zahlen könnten bald wieder deutlich steigen. | |
3 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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