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# taz.de -- Arbeitsbedingungen in Ruanda: Fair und dreckig
> Fairphone kauft demnächst das Metall Wolfram für seine Smartphones in
> Ruanda. Wird dort nun alles besser? Ein Besuch in der Mine.
Bild: Sie bekommen zwar nicht mehr Lohn, tragen aber Helm und Mundschutz. Ruand…
Kagogo taz | Ein rechteckiges schwarzes Loch, zwei Holzpfosten rechts und
links, einer darüber quer: Das ist der Eingang zur Mine. Wer reinwill, muss
in die Knie und aufpassen, dass er mit dem Helm nicht gegen die niedrige,
scharfkantige Decke rammt. Nach zehn Metern geht es schräg abwärts, die
Felsen kommen näher. Runter auf alle viere. Dunkelheit. Platzangst. Bloß
schnell wieder raus, fordert die innere Stimme.
Das hat der Arbeiter hinter mir gemerkt, er quetscht sich vorbei und
übernimmt die Führung. Also weiter vorwärts, jetzt ist es besser. Nach
einer Weile kann man sich aufrichten. Die Stirnlampe am Helm zuckt hin und
her. Viel ist nicht zu sehen, aber da vorn scheint der Gang eine Biegung
nach rechts zu machen. Und von dort sind dumpfe Schläge zu hören.
Dieser Stollen sticht in einen Bergrücken auf gut 2.000 Meter Höhe im
Gebiet Kagogo des afrikanischen Staates Ruanda. Die Grenze zu Uganda
verläuft wenige Kilometer entfernt, die kongolesische Stadt Goma ist etwa
zwei Autostunden entfernt. Hier wird das Metall Wolfram abgebaut, ohne dass
Smartphones nicht funktionieren. Das schwere Mineral steckt als
Gegengewicht im Vibrationsmechanismus auch des Fairphones, dem Handy mit
dem Gute-Gewissen-Faktor.
Im Gegensatz zu Konzernen wie Apple oder Samsung verspricht die Firma aus
Amsterdam, kaum Gewinne zu machen, ihre Geräte langlebiger und damit
ökologischer zu bauen sowie für bessere Arbeitsbedingungen in der
Zulieferkette zu sorgen. Bisher konnte man die Fairphones nur über die
Webseite des Unternehmens bestellen. Am 21. März jedoch will die
Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile Österreich bekannt geben, wie sie die
Geräte erstmals auf den Massenmarkt bringt.
## Erstmals Massenmarkt
Hier aber, unter dem Berg in Ruanda, drängt sich die Frage auf: Was kann an
den gefährlichen Drecksjobs der Arbeiter hier unten bloß fair sein?
Nachdem die Biegung des Stollen hinter uns liegt, ist die Ursache der
Geräusche zu erahnen. Dort vorne hockt ein Bergmann. Er trägt einen blauen
Overall, Atemmaske über Nase und Mund, Schutzbrille, ehemals rote, jetzt
grau-schwarze Handschuhe und einen gelben Helm mit Lampe. Mehr Licht hat er
nicht. Es ist heiß und staubig. Der Mann atmet schwer, stöhnt bei jedem
Schlag. Mit dem Hammer in seiner Rechten drischt er einen langen
Stahlmeißel ins Gestein. Ist dieser tief genug eingedrungen, rüttelt er
daran, worauf schwarze Brocken aus der Wand herausbrechen. Diese können
Wolfram enthalten.
Irgendwelche technischen Geräte zur Unterstützung? Hier nicht. Solche
Bergleute arbeiten wie im Mittelalter. Ihre Muskeln sind alles, was sie
haben. Sie brechen den Stein mit der Kraft ihrer Hände, zerkleinern die
Brocken mit dem Hammer, stecken sie in Säcke, zerren und schieben sie ans
Tageslicht.
Draußen regnet es. Der saftig grüne Bergwald tropft vor Nässe. Vor dem
Eingang des Nachbarstollens steht Josiane Mugemi. Sie trägt dunkelblaue
Regenkleidung mit der Aufschrift „New Bugarama Mining Company“. Die
34-jährige Arbeiterin leitet ein zehnköpfiges Team von Bergleuten. Es
herrscht der Aberglaube, dass Frauen unter Tage Unglück bringen.
Andererseits gelten sie als zuverlässig im Umgang mit Regeln und Geld.
## 120 Euro pro Monat
Der Nachbarstollen ist besser ausgebaut, man kann aufrecht hineingehen. Auf
Schienen schieben Arbeiter brusthohe Loren mit Erde und Steinen heraus.
Unter den wachsamen Augen Mugemis hockt vor dem Eingang ein Kollege am
Boden und schwenkt eine Waschschüssel hin und her, den ganzen Tag. Erde und
Steine trennen sich vom Wolfram. Schließlich pickt eine Arbeiterin die
schwarz-glänzenden Bröckchen heraus.
Mugemi sagt, dass sie etwa 100.000 ruandische Franc pro Monat verdient. Das
sind 120 Euro. Damit liegt sie beim Doppelten dessen, was die Mine den
Arbeitern mindestens bezahlt. Der Grundlohn beträgt um die 50.000 Franc –
60 Euro. Wer mehr Wolfram aus dem Berg herausholt, erhält eine höhere
Summe. Sind das nicht trotzdem lächerliche Verdienste?
Für sie und ihren Sohn würde dieser Lohn ausreichen, sagt Mugemi. Sie könne
damit den kompletten Lebensunterhalt bestreiten und auch das Schulgeld
bezahlen, obwohl sie keine Landwirtschaft zur Selbstversorgung betreibe.
Ein wichtiger Punkt: Sehr viele Haushalte in Ruanda bauen selbst
Nahrungsmittel an, halten Hühner oder Ziegen. Die Bergleute müssen deshalb
mit der Schufterei in der Mine nur einen Teil des Haushaltseinkommens
sichern. Und auch im Vergleich mit anderen Berufen stehen sie nicht
schlecht da: Ein Lehrer auf dem Land erhält vielleicht 40.000 Franc, eine
Bedienung im Restaurant in der Hauptstadt Kigali 50.000.
Trotzdem hat die Sache mehrere Seiten. Die vor einem Jahr in Kigali
gegründete Bergarbeiter-Gewerkschaft fordert einen Mindestlohn von 200.000
Franc monatlich (250 Euro). Der Gewerkschaftschef der New-Bugarama-Mine –
gleichzeitig Produktionsleiter dort – ist jedoch bescheidener. Wegen der
gesunkenen Weltmarktpreise für Rohstoffe wie Wolfram könne die Firma ihre
Beschäftigten augenblicklich gar nicht mehr bezahlen.
## Gleiche Löhne, aber mehr Sicherheit
Reicht das nun, um das Label „fair“ zu rechtfertigen? Schließlich will
Fairphone den Beweis antreten, dass Elektronikhersteller, wenn sie nur
wollen, bessere Bedingungen bieten können als der Durchschnitt. Laura
Gerritsen aus der Fairphone-Zentrale stapft durch den ruandischen Bergwald.
Hoch und runter führen die steilen, schlüpfrigen Wege über das hügelige
Gelände der Mine. Ihre Gummistiefel sind schlammig. Sie räumt ein: Die
Löhne der Bergleute steigen nicht, weil Fairphone hier Wolfram kauft.
Allerdings habe die Mine bereits in mehr Sicherheit investiert, und über
weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen werde man mit dem Management
bald verhandeln.
Die Niederländerin ist zufrieden, fühlt sie sich doch fast am Ziel. Gerade
laufen die letzten Absprachen mit der Leitungsebene: Dann wird Fairphone
der österreichischen Firma Wolfram Bergbau 50 Kilogramm Metall pro Jahr
abnehmen und in die Endfertigung der Handys nach China schicken. Die
Österreicher beziehen den Stoff von der New Bugarama Mining Company.
Als Fortschritt, den Fairphone hier bewirkt, stuft Gerritsen diese
Entwicklung ein: 2014 habe es quasi einen Boykott für Wolfram aus der
Region gegeben. Wenn überhaupt konnten ruandische Minen damals nur zu
niedrigen Preisen exportieren. Der Grund: Die USA hatten 2010 das
sogenannte Dodd-Frank-Gesetz beschlossen. Seitdem müssen Unternehmen, die
Erz aus Ost- und Zentralafrika beziehen, bestätigen, dass ihre Lieferanten
nicht den Krieg im Kongo mitfinanzieren. Viele internationale Käufer
wollten erst gar nicht unter Verdacht geraten und kauften die Rohstoffe
lieber gleich woanders, beispielsweise in China. Damit Firmen wie die
österreichische Wolfram Bergbau schließlich doch wieder Material aus Ruanda
importieren konnten, brauchte es viele Fürsprecher.
Laura Gerritsen sieht Fairphone als einen der Akteure, die sich für Ruanda
eingesetzt haben. „Mit unserer Einkaufspolitik wollen wir die Entwicklung
befördern. Wir schaffen zusätzliche Nachfrage nach Produkten, um die lokale
Ökonomie in der Region der Großen Seen zu unterstützen“, sagt Gerritsen.
Mit New Bugarama habe Fairphone außerdem eine der „besseren“ Minen
ausgesucht. Sicherheit, Löhne und Organisation lägen im nationalen
Vergleich über dem Durchschnitt. In anderen Bergwerken dagegen werden die
Arbeiter nicht unbedingt mit Helmen und Schutzbrillen versorgt. Oder sie
müssen auf Lohnfortzahlung verzichten, wenn die Produktion mal stillsteht.
## Nach dem Genozid
Während der Tour über das Gelände hält Minen-Chef Janvier Ndabananiye an
einer Stelle mit wunderbarer Aussicht. Er blickt hinunter ins Tal, in der
Ferne schimmert der Burera-See. Und gleichzeitig schaut der 40-jährige
Geologe zurück. „Nach dem Genozid von 1994 war hier fast nichts mehr.“
Damals ermordeten Angehörige der Bevölkerungsmehrheit der Hutu eine Million
Menschen der Tutsi-Minderheit. Die Gebäude der Mine seien zerstört und
alles Brauchbare geklaut worden. 2009 habe man dann mit einfachsten Mitteln
wieder angefangen, finanziert unter anderem vom belgischen Eigentümer des
Bergwerks.
„Seht die Häuser dort unten!“ Ndabananiye deutet auf das Dorf zwischen
Bananenstauden, Palmen, üppigen Büschen und kleinen Feldern am Fuße des
Minenhügels. „Die mit den neuen Dächern arbeiten bei uns“, sagt der Chef
und meint: Die können sich die Modernisierung leisten. Vielleicht ein
Drittel der Häuser ist mit neuem silbrigem Wellblech gedeckt. Sie heben
sich deutlich ab von den Nachbargebäuden ab.
Die Botschaft: Die Mine ist aus dem Gröbsten raus. Im Weltmaßstab ist man
zwar noch immer bitterarm, aber die Wirtschaft wächst. Bis zu 1.200
Schürfer holten im vergangenen Jahr 240 Tonnen Wolfram aus dem Berg,
doppelt so viel wie 2010. Die ersten Stollen werden inzwischen mit
Kompressoren und Pressluftbohrern ausgestattet. Wenn es gut läuft, können
auch die Arbeiter bald auf mehr Geld hoffen – für elektrischen Strom, einen
Flachbildschirm, eine Kuh.
Im Vorzimmer von Michael Biryabarema muss man etwas warten. Schließlich
amtiert der Mann als Chef des Geologischen Dienstes in Kigali. Als man vor
dem breiten dunkelbraunen Schreibtisch unter dem Porträt des
Staatspräsidenten Platz genommen hat, ist Biryabarema erstaunt über das
Fairphone. Davon hat er noch nichts gehört. Dass die Holländer nun Wolfram
aus der New-Bugarama-Mine für den europäischen Markt kaufen wollen, findet
der Chefgeologe jedoch „sehr, sehr gut“. Für ihn ist das ein Zeichen, dass
Ruanda die Zeiten des Kaufboykotts hinter sich hat.
19 Mar 2016
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Smartphone
Ruanda
Fairphone
Nachhaltigkeit
Arbeitsbedingungen
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Fairphone
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