# taz.de -- Smartphone nach ethischen Standards: So fairphone wie möglich | |
> Ein Tüftler aus Nordhessen produziert ein faires Smartphone in | |
> Kleinstserie. Doch die globalen Lieferketten machen es ihm schwer. | |
Bild: Selfies gehen auch fair. Immer mehr | |
BERLIN taz | Carsten Waldeck denkt an das große Ganze. Der 44-jährige | |
Tüftler sagt Dinge wie: „Wir stehen vor einer der größten Wendungen in der | |
Geschichte der Menschheit.“ Oder: „Mit der aufkommenden Technologie sollen | |
sich auch andere Dinge im Leben verändern“. Waldeck redet am liebsten über | |
Menschen, wenn es um Technik geht. | |
Vor zwei Jahren brachte er von seinem Sitz im nordhessischen Falkenberg aus | |
sein Shift 7 auf den Markt. Damit ist er der erste deutsche Unternehmer, | |
der ein möglichst faires Handy anbietet – genauer gesagt ein Phablet, eine | |
Mischung aus Smartphone und Tablet. Jetzt läuft die Vorbestellung für das | |
Shift 5, ein klassisches Smartphone. Waldeck behauptet nicht, seine Handys | |
seien vollständig fair. Zu verzweigt seien die Produktionsketten, als dass | |
er dafür garantieren könne. | |
Im Januar 2013 kam in den Niederlanden das erste fair produzierte | |
Smartphone, das Fairphone, auf den Markt. Klassische Handys werden oft in | |
China unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen zusammengesetzt, aus | |
Rohstoffen, die in Afrika unter der Kontrolle von Warlords gefördert | |
werden. Die Macher des Fairphone wollten einen sozial gerechten Weg | |
beschreiten und haben 60.000 Exemplare ihres ersten Fairphonemodells | |
verkauft. | |
Davon ist Waldeck mit seinem Shiftphone weit entfernt. Durch Crowdfunding | |
hat er seine Produktion mit 100.000 Euro finanziert, 800 Phablets hat er | |
schon verkauft. Die Niederländer sieht er nicht als Konkurrenten: „Wir | |
arbeiten an der gleichen Vision“, sagt er. | |
## Nebenher fair | |
Die Idee, erzählt Waldeck, sei ihm gekommen, als er für einen selbst | |
gebauten Kamerakran einen Bildschirm mit einigen Zusatzfunktionen bauen | |
wollte. „Das Phablet ist praktisch durch Zufall entstanden“, sagt er heute. | |
Dass sein Produkt fair sein sollte, war nicht von Anfang an Teil des Plans. | |
„Ich mag einfach Menschen. Da war selbstverständlich, dass ich für die | |
Herstellung nur gute Arbeitsbedingungen wollte“. | |
Waldeck lässt in China nach europäischen Standards produzieren, wie er | |
sagt. Außerdem bemühe er sich, ethisch vertretbare Rohstoffquellen zu | |
nutzen. Für Wolfram oder Tantal sei das problematisch. Waldeck sagt, er | |
arbeite nicht mit Partnern zusammen, von denen er wisse, dass sie Geschäfte | |
mit Rebellen und Warlords machten. | |
Zu einer wirklich fairen Rohstoffbeschaffung sei es noch ein weiter Weg, | |
sagt auch Eberhard Krügler, Anwalt für Umweltrecht. Die Sachlage sei oft | |
unklar: Woher kommen die Stoffe, wer übernimmt den Transport, wer verdient | |
an Mienen und Schmelze? 20-stufige Lieferketten seien keine Seltenheit. | |
„Die lückenlose Beweisführung ist praktisch unmöglich“, sagt Krügler. | |
## „Fairphone und Shift zeigen: Es geht auch anders“ | |
Waldecks Produktion in China läuft nicht durchgehend, sondern nur auf | |
Bestellung. Dafür reist er nach eigenen Angaben häufig nach Fernost, um die | |
Arbeitsbedingungen zu kontrollieren. Laut Waldeck verdienen die Arbeiter an | |
seinem Smartphone umgerechnet gut 560 Euro im Monat. Beim iPhone-Montierer | |
Foxconn sind es nur 141 Euro. | |
Ob das faire Arbeitsbedingungen gewährleistet, stellt Johanna Sydow von der | |
Entwicklungsorganisation Germanwatch jedoch infrage. „Es gibt keine | |
unabhängige Instanz, die die Produktion in China kontrolliert“, sagt sie. | |
Der Kunde müsse sich auf das Wort des Firmengründers verlassen, der | |
natürlich ein Interesse an der Vermarktung seiner Produkte habe. Im | |
Gegensatz zum Fairphone verspreche das Shift vollkommene Fairness. „Das ist | |
ein sehr großer Vorsatz und nicht ganz überzeugend“, sagt Sydow. | |
Das sein Phablet mit 220 Euro relativ günstig ist, erklärt der Hersteller | |
mit der schlanken Produktion: Sein Bruder ist für den technischen Support | |
zuständig, sein Vater macht die Finanzen. Wer die Kundenhotline anruft, | |
landet bei seiner Mutter. Er selbst behauptet, sich nur ein monatliches | |
Gehalt von 1.000 Euro auszuzahlen. | |
Manfred Schumacher vom Bundesverband für fairen Import und Vertrieb findet | |
es wichtig, auf die problematischen Hintergründe von Alltagstechnik | |
hinzuweisen. „Fairphone und Shift zeigen: Es geht auch anders“, sagt | |
Schumacher. | |
Das sieht auch Waldeck so. Langfristig will er die Produktion in seinen | |
Heimatort Falkenberg verlagern, um der Region zu helfen. Dann werde sein | |
Produkt zwar etwas teurer, aber es gehe ihm ja nicht ums Geld. | |
Korrektur: In einer frühere Fassung des Textes stand, dass bisher nur | |
25.000 Fairphones verkauft wurden – wir danken für den Leserhinweis, dass | |
es schon 60.000 sind und bitten den Fehler zu entschuldigen. | |
12 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Dominik Schneider | |
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