# taz.de -- Debatte Fairphone: In der Aktualitätsfalle | |
> Sicherheitslücken, keine Ersatzteile mehr: Das Scheitern des Fairphones | |
> ist exemplarisch für die Elektronik aus dem Internet der Dinge. | |
Bild: Die Batterie des Fairphone 1 ist rausnehmbar. Es gibt halt keinen Ersatz … | |
Nachhaltig, reparierbar, fair – das war das Versprechen. Doch am Ende ist | |
es leider anders: Die Fairphone-Macher haben es nicht geschafft, ihre | |
bisherigen Geräte tatsächlich nachhaltig zu gestalten. Die Ankündigung, | |
[1][keine Ersatzteile mehr für die erste Generation des Telefons zu | |
liefern], ist der letzte Hinweis darauf, dass die Strategie nicht | |
erfolgreich war. | |
Für BesitzerInnen des Telefons ist das bitter. Für die Macher des | |
Fairphones, hoffentlich auch für andere Unternehmen, in jedem Fall aber | |
für die Politik ist es eine Gelegenheit, Lehren daraus zu ziehen. Um es | |
selbst (für andere Unternehmen) oder beim nächsten Mal (für die | |
Fairphone-Hersteller) besser zu machen. Oder, und das ist noch wichtiger, | |
die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu setzen. Denn die | |
Probleme beim Fairphone sind exemplarisch für die aktuelle und für künftige | |
Elektronik-Generationen. | |
Wer heutzutage sein Produkt mit einer endlichen Lebensdauer versehen will, | |
der braucht keine Sollbruchstellen mehr, keine angesägten Teile oder | |
labilen Steckverbindungen. Zumindest dann nicht, wenn es um ein | |
Elektronikgerät geht. Meistens reicht schon das Nichtstun. Nämlich, die | |
Software nicht aktuell zu halten. Smartphonehersteller haben dieses Prinzip | |
schon vor Jahren perfektioniert. | |
Mittlerweile versucht Android-Hersteller Google gegenzusteuern, doch | |
Smartphones sind fast schon wieder von gestern: Smarte Uhren, Wasserkocher, | |
Waschmaschinen sind die aktuelle und nächste Generation der mit Software | |
versehenen Geräte. Und auch, wenn wohl nur wenige versuchen, sich mit ihrem | |
Wasserkocher ins Online-Banking einzuloggen – wenn ein veraltetes | |
Betriebssystem Angreifern so viele Sicherheitslücken bietet, dass es ein | |
Leichtes ist, seine Abschaltautomatik zu manipulieren, dann werden sich | |
Verbraucher wohl doch einen neuen Wasserkocher kaufen. Notgedrungen. | |
## Systemproblem auch bei Fairphone 2 | |
Ein ähnliches Problem hat das Fairphone. Und zwar sowohl die erste als auch | |
die zweite Generation. Letztere liegt immerhin mittlerweile bei Android | |
6.0. Aktuell wäre die 7er-Version, demnächst soll die 8er kommen. Schlimmer | |
ist es beim Fairphone 1: Das steckt immer noch bei Version 4.2 fest. Zum | |
Telefonieren ist das noch brauchbar, aber in persönliche Accounts einloggen | |
sollte man sich mit so einem Gerät eigentlich nicht mehr. | |
Dass die Fairphone-Macher daran gescheitert sind, liegt an einer etwas | |
komplizierten Gemengelage, die auch damit zu tun hat, dass ein | |
Prozessorhersteller keinen Zugriff auf einen notwendigen Quellcode bietet. | |
Das hätte sich vorher klären lassen, aber der Punkt ist: Es ist ein | |
Problem, wenn so der Hersteller einer einzelnen Komponente einen | |
Update-Prozess torpedieren kann. | |
Helfen würde hier eine Pflicht zur Offenlegung entsprechender Quellcodes. | |
Natürlich schreien da die Hersteller, dass damit ihr Markt kaputt gehen | |
würde. Dass es durchaus quelloffene Software gibt und trotzdem | |
Unternehmen, die damit Geld verdienen, ist vielleicht noch nicht zu ihnen | |
durchgedrungen – aber in diesem Fall würde auch eine Offenlegung gegenüber | |
dem Geschäftspartner reichen. Auch aus Gründen der Software-Sicherheit ist | |
mehr Offenheit keine schlechte Idee, denn mehr Menschen, die einen | |
Quelltext lesen, finden in der Regel auch mehr Fehler. | |
## Alternative offenes Betriebssystem | |
Doch es gibt noch eine Alternative: offene Betriebssysteme. Momentan werden | |
Systeme wie Lineage nur in der Nische angewendet und gelten als etwas für | |
Freaks. Mozilla, das mit Firefox OS das Potenzial gehabt hätte, zumindest | |
ansatzweise eine Konkurrenz für Android und iOS zu werden, hat dessen | |
Entwicklung längst eingestellt. Warum? Keine Nachfrage, daher kein Angebot | |
an Apps, daher keine Nachfrage … – ein Teufelskreis. | |
Gerade im Hinblick auf smarte Wasserkocher, Alarmanlagen und | |
Staubsaugerroboter, Fernseher und Sprinkleranlagen, das ganze Internet der | |
Dinge also, wäre aber eine Förderung von offenen Betriebssystemen sinnvoll. | |
Bei denen viele Menschen in den Quelltext schauen, Fehler finden, bei denen | |
es entsprechende Updates gibt, Sicherheitslücken geschlossen werden. Damit | |
die Waschmaschine nicht auf den Sperrmüll muss, weil ein Programmierer mal | |
einen schlechten Tag hatte. | |
Doch selbst, wer sich damit abgefunden hat, dass er sein Fairphone 1 besser | |
nur noch zum Telefonieren verwendet, wird das in absehbarer Zeit nur noch | |
dann können, wenn sich Ladekabel und Steckdose in unmittelbarer Nähe | |
finden. Denn im Juli teilte das Unternehmen seinen Kunden mit: Die | |
Ersatzteile sind aus. Da ein Akku, der zwei Jahre mit weitgehend | |
gleichbleibender Qualität durchhält, heutzutage schon an ein Weltwunder | |
grenzt, ist die Rechnung einfach. Spätestens in zwei, drei Jahren werden | |
die Glücklichen, die auf den letzten Drücker noch einen Akku erstanden | |
haben, ihr Telefon aussortieren. | |
## Politisches Gegensteuern | |
Bei anderen Herstellern, die auf fest verklebte Komponenten setzen – Öffnen | |
verboten –, ist die Situation für Verbraucher eher noch schlechter. Um so | |
wichtiger wäre, dass es endlich ein politisches Gegensteuern gibt. Der | |
Hebel wäre ein ganz einfacher: eine Verlängerung der Gewährleistung für | |
Elektronikgeräte – und zwar mit einer Beweislastregelung zugunsten der | |
Kunden. Momentan müssen Kunden nach einem halben Jahr beweisen, dass der | |
Defekt schon beim Kauf vorhanden war. Unmöglich. | |
Eine gestaffelte Gewährleistung – denn smarte Waschmaschinen sollten schon | |
ein paar Jahre länger durchhalten als ein smartes Telefon – wird dazu | |
führen, dass die Zahl der wegen | |
Ach-lohnt-doch-nicht-mehr-die-Reparatur-Entsorgungen deutlich sinkt. Und | |
sich gleichzeitig die Reparierbarkeit der Geräte deutlich verbessert. | |
Schließlich hätten die Hersteller dann einen Anreiz, Reparaturen so schnell | |
und effizient wie möglich durchzuführen – und nicht erst das gesamte | |
Produkt auseinanderzubauen, bis der defekte Akku freigelegt ist. | |
Nachteile gäbe es für diejenigen, die gerne im Jahresrhythmus ein neues | |
Smartphone kaufen. Die Preise der Geräte dürften mit längerer Haltbarkeit | |
merkbar ansteigen. Denn dass die Industrie Regeln zur Nachhaltigkeit und | |
Reparierbarkeit uneigennützig umsetzt – das wird auch mit dem besten Gesetz | |
nicht passieren. | |
3 Sep 2017 | |
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[1] /Maengel-des-Fairphone-1/!5426933 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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