| # taz.de -- Europäische Zentralbank senkt Leitzins: 0,000000000000000000 | |
| > Verbraucher fürchten um ihre Ersparnisse: Mit der Zinssenkung will die | |
| > EZB die Wirtschaft ankurbeln. Deutschland kritisiert das. | |
| Bild: Von hier aus wird die Geldpolitik betrieben: EZB-Tower in Frankfurt/Main. | |
| Berlin taz | Wenn die Medizin nicht mehr wirkt, muss die Dosis erhöht | |
| werden. Weil die Politik des billigen Geldes bislang weder die Inflation | |
| auf die angepeilte Marke von zwei Prozent gehoben noch die Wirtschaft in | |
| den Ländern der Eurozone angekurbelt hat, verschärft die Europäische | |
| Zentralbank (EZB) ihren Kurs: Der Leitzins wird um 0,05 Punkte auf erstmals | |
| 0,0 Prozent gesenkt. | |
| Zugleich wurde der Strafzins für Bankeinlagen von 0,3 auf 0,4 Prozent | |
| verschärft. Ferner wird das Anleihenaufkaufprogramm von derzeit 60 | |
| Milliarden Euro monatlich auf 80 Milliarden Euro ausgeweitet. An den Börsen | |
| sorgte die EZB-Entscheidung zunächst für steigende Aktienkurse. | |
| „Mit dem heutigen umfassenden Paket geldpolitischer Entscheidungen liefern | |
| wir erhebliche Anreize, um den erhöhten Risiken für das | |
| EZB-Preisstabilitätsziel entgegenzuwirken“, erklärte EZB-Chef Mario Draghi | |
| in Frankfurt am Main. „Die Zinsen werden für eine sehr lange Zeit niedrig | |
| bleiben.“ Im Februar lag die Inflation im Euro-Raum bei minus 0,2 Prozent. | |
| Fallende Preise – auch Deflation genannt – gelten als gefährlich, weil sich | |
| Konsumenten dann in der Hoffnung zurückhalten, Produkte bald noch günstiger | |
| zu bekommen. Die Firmen machen dann weniger Gewinn und schieben | |
| Investitionen auf. So entsteht eine Abwärtsspirale. Draghi erklärte, die | |
| jüngsten Schritte der EZB sollten verhindern, dass es zu sogenannten | |
| Zweitrundeneffekten komme, etwa bei den Löhnen. Zugleich sollten sie der | |
| Konjunktur helfen. | |
| ## „Gute Nachricht für Schuldenländer“ | |
| In der deutschen Wirtschaft stieß die EZB-Entscheidung auf Kritik. „Das ist | |
| eine gute Nachricht für die Börsianer und für die Schuldenländer im Süden�… | |
| sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner. „Für die | |
| deutsche Bevölkerung ist das katastrophal, die Sparer werden enteignet.“ Es | |
| handele sich um eine gigantische Umverteilung in Europa von Norden nach | |
| Süden. | |
| Die EZB-Entscheidung sei unnötig, sagte Michael Kemmer, | |
| Hauptgeschäftsführer des deutschen Bankenverbands. „Die Notenbank | |
| überzeichnet die Deflationsrisiken.“ Aktuell präge vor allem der Ölpreis | |
| die Teuerungsrate. Doch der Ölpreis sei im Jahr 2015 nicht nur um 60 | |
| Prozent gesunken, sondern in den letzten vier Wochen auch schon wieder um | |
| 40 Prozent gestiegen. „Wirtschaftsreformen sowie die Sanierung von | |
| Bankbilanzen werden verschleppt.“ | |
| ## Für die Katz | |
| Für die Verbraucher ändert sich durch die EZB-Entscheidung zunächst nicht | |
| viel: Ein Leitzins von 0,05 Prozent ist nur unwesentlich höher als 0,0 | |
| Prozent. Bei einer Sparbucheinlage von tausend Euro beträgt der Unterschied | |
| des jährlichen Zinsertrages gerade einmal 50 Cent – für die Katz. Bedeutsam | |
| wird die Entscheidung der Zentralbank aber durch ihre hohe Symbolkraft: | |
| Sparen lohnt nicht, und zwar auf Dauer! | |
| Viele Verbraucher in Deutschland fürchten nun um den Wert ihrer Ersparnisse | |
| und ihrer Altersvorsorge. Viele, die Aktien wegen ihrer | |
| Schwankungsanfälligkeit meiden, investieren lieber in Betongold – und | |
| kaufen sich Immobilien oder bauen diese aus, zumal die Hypothekenzinsen | |
| ebenfalls niedrig sind. Was aber oft verschwiegen wird: Weil die Nachfrage | |
| nach Immobilien und Bauleistungen in vielen Regionen Deutschlands wächst, | |
| steigen die Immobilien- und Baupreise. Entlastungen an der Zinsfront werden | |
| für den normalen Verbraucher dadurch aufgefressen. | |
| Noch schlimmer sieht es für Mieter in Ballungszentren aus: Weil Investoren | |
| nicht wissen, wo sie ihr Geld renditesicher anlegen können, kaufen sie sich | |
| in Wohnhäuser ein. Diese gestiegene Nachfrage – Experten warnen bereits vor | |
| einer Immobilienblase – treibt die Preise und letztlich die Mieten nach | |
| oben. Die Politik des lockeren Geldes fördert diese Entwicklung. | |
| 10 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Richard Rother | |
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