| # taz.de -- Zinswende oder nicht?: Globale Sprengkraft | |
| > Mit Spannung erwartet die Finanzwelt den Beschluss der US-Notenbank. | |
| > Allerdings: Nicht jede Fehlentscheidung der Fed wäre gleich schlimm. | |
| Bild: Mit geplatzten US-Immobilienkrediten fing die Krise an. | |
| BERLIN taz | Es geht nur um vielleicht 0,25 Prozentpunkte mehr. Aber wenn | |
| die US-Notenbank Fed an diesem Mittwochabend entscheiden würde, ihre | |
| Leitzinsen anzuheben, hätte das Auswirkungen auf die gesamte Welt. | |
| Seit Ende 2008 liegt der Leitzins bei nur knapp über null. Sollte die Fed | |
| ihn nun erstmals erhöhen, verteuerten sich nicht nur die Kredite in den | |
| USA. Auch Aktien- und Devisenkurse würden weltweit reagieren. Zu diesen | |
| Kettenreaktionen gehört etwa, dass der Dollar gegenüber dem Euro zulegen | |
| würde, weil es sich bei steigenden Zinsen lohnt, Geld gen USA zu | |
| transferieren. | |
| Gibt also der Eurokurs nach, würde dies wiederum die europäischen | |
| Exporteure freuen, deren Waren auf den Weltmärkten billiger würden. Die | |
| Fed-Entscheidung hat Sprengkraft. | |
| Allerdings ist unsicher, ob die Fed die „Zinswende“ wagt. Vorteile und | |
| Risiken sind schwer abzuwägen. Für einen erhöhten Leitzins spricht, dass | |
| die offizielle Arbeitslosigkeit in den USA sinkt und die Marke von 5 | |
| Prozent erreicht hat, die die Fed als Vollbeschäftigung wertet. Da sich die | |
| Wirtschaft normalisiert, erscheint es logisch, „normale“ Zinsen zu | |
| verlangen. | |
| Zudem hat es unerfreuliche Nebenwirkungen, wenn Zinsen dauerhaft bei null | |
| liegen. Vor allem Sparer und Pensionskassen leiden, weil Guthaben und | |
| Staatsanleihen kaum noch Erträge abwerfen. Es setzt eine Flucht in die | |
| Sachwerte ein. Immobilien und Aktien werden immer beliebter, sodass deren | |
| Preise nach oben schießen. | |
| Technisch ausgedrückt: Es ist eine starke Inflation bei den | |
| Vermögenspreisen zu beobachten. Doch auch die Gegner einer Zinserhöhung | |
| haben starke Argumente: So ist die Arbeitslosigkeit in den USA zwar | |
| gesunken, aber die Löhne dümpeln noch auf dem Niveau von 2009, als die | |
| Finanzkrise eine schwere Rezession ausgelöst hatte. | |
| Da die Massenkaufkraft stagniert, leiden die Fabriken an Überkapazitäten, | |
| sodass auch die Preise nicht anziehen. Die US-Inflationsrate ist | |
| alarmierend niedrig, im Oktober lag sie bei ganzen 0,2 Prozent. | |
| Wenn die Preise aber nicht steigen und die Umsätze stagnieren, ist es für | |
| viele Firmen schwierig, Kredite aufzunehmen, um zu investieren. Schon jetzt | |
| wird die Produktion kaum noch ausgeweitet, weil Überkapazitäten existieren. | |
| Höhere Zinsen könnten das schwache Wachstum endgültig abwürgen. | |
| ## „Assymetrie der Risiken“ | |
| Die Fed ist zudem mit einem Problem konfrontiert, das sich als „Asymmetrie | |
| der Risiken“ bezeichnen ließe und auf das der Nobelpreisträger Paul Krugman | |
| hinweist: Nicht jede Fehlentscheidung der Fed wäre gleich schlimm, wie ein | |
| Vergleich zeigt. | |
| Erstes Szenario: Die US-Notenbank hebt die Zinsen nicht an, und wider | |
| Erwarten explodiert die Inflation. Dann könnte die Fed ihre Entscheidung | |
| einfach korrigieren und den Zins bei ihrer nächsten Sitzung nach oben | |
| setzen. Die Inflation würde wieder sinken, und großer Schaden wäre nicht | |
| entstanden. | |
| Zweites Szenario: Die Fed hebt die Zinsen jetzt an, und anders als von ihr | |
| prognostiziert, bricht die Wirtschaft ein. Dann könnte sie die Zinsen zwar | |
| wieder senken – was aber wahrscheinlich nichts mehr nützen würde. Ist die | |
| Konjunktur erst einmal im freien Fall, reichen Zinssenkungen von 0,25 | |
| Prozentpunkten nicht aus, wie man aus historischer Erfahrung weiß. Aber die | |
| Fed hat nur einen Spielraum von 0,25 Prozentpunkten, denn sie kann die | |
| Zinsen nicht unter null fallen lassen. | |
| Diese „Asymmetrie der Risiken“ spricht eigentlich dafür, die Zinsen nicht | |
| anzuheben. Doch spielt auch die Psychologie eine Rolle: Untätigkeit ist für | |
| Zentralbanker schwer zu ertragen. Traditionell war der Leitzins ihr | |
| wichtigstes Steuerungsinstrument. Ihn konstant bei null zu halten, | |
| erscheint vielen wie eine Selbstaufgabe. Sicher ist: Bleiben die Zinsen | |
| unverändert, ist die Entscheidung nur vertagt – und 2016 geht die | |
| Diskussion wieder von vorn los. | |
| 16 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
| ## TAGS | |
| Fed | |
| Zinsen | |
| Aktien | |
| US-Notenbank | |
| Dollar | |
| Schwerpunkt TTIP | |
| EZB | |
| EZB | |
| US-Notenbank | |
| EZB | |
| Janet Yellen | |
| US-Notenbank | |
| US-Notenbank | |
| Europäische Zentralbank | |
| Federal Reserve | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Alternativen zu TTIP: Wir können auch anders | |
| Bei dem Freihandelsabkommen werden die wichtigsten Probleme des Welthandels | |
| ausgeklammert. Vier Vorschläge, was sich ändern muss. | |
| Europäische Zentralbank senkt Leitzins: 0,000000000000000000 | |
| Verbraucher fürchten um ihre Ersparnisse: Mit der Zinssenkung will die EZB | |
| die Wirtschaft ankurbeln. Deutschland kritisiert das. | |
| Kommentar US-Zinswende: Die EZB ist noch im Nebel | |
| Die Fed hebt den Leitzins nach fast einer Dekade erstmals minimal. Die USA | |
| zeigen, dass die Rückkehr zum Normalbetrieb möglich ist. | |
| Entscheidung der US-Notenbank: 0,25 bis 0,5 Prozent | |
| Monatelang hat die Finanzwelt spekuliert: Erhöht die US-Notenbank Federal | |
| Reserve die Zinsen oder tut sie es nicht? Sie tut es. | |
| Ökonom über EZB-Geldpolitik: „Die Spekulationsblase ist schon da“ | |
| Helge Peukert fordert von der Europäischen Zentralbank Investitionen in | |
| nachhaltige oder soziale Projekte – und nicht in die Finanzindustrie. | |
| Kommentar Nullzins bleibt: Yellens Signal des Misstrauens | |
| In den USA brummt die Wirtschaft. Doch die US-Notenbankchefin Yellen erhöht | |
| den Leitzins nicht. Alles andere wäre riskant. | |
| Keine Zinswende der US-Notenbank: Die Null steht | |
| In den USA geht die seit der Krise 2008 andauernde Billiggeld-Ära weiter – | |
| die Notenbank Fed zögert mit der Zinswende. Die Märkte reagieren verhalten. | |
| Stabilität der Bankensysteme gefährdet: Janet Yellen regiert die Welt | |
| In dieser Woche könnte die Chefin der US-Notenbank Fed eine Anhebung der | |
| Leitzinsen verkünden. Das wird die Weltwirtschaft hart treffen. | |
| Volkswirtschaftler über die Zinssenkung: „Minizinssenkung bringt nichts“ | |
| Der konservative Ökonom Manfred Neumann hält die Maßnahmen der Europäischen | |
| Zentralbank für Aktionismus – hat aber auch „keinen Patentvorschlag“. | |
| Entscheidung der US-Notenbank: Das Ende der Geldschwemme | |
| Die Notenbank Fed hält die Finanzkrise offenbar für beendet: Anleihenkäufe | |
| werden verringert. Die Zinsen bleiben niedrig, Börsianer jubeln. |