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# taz.de -- DIW-Chef Fratzscher über die EZB-Politik: „Hubschraubergeld ist …
> Soll die Europäische Zentralbank Geld verschenken, um die Wirtschaft
> anzukurbeln? Ja, sagt DIW-Chef Marcel Fratzscher.
Bild: Hier fliegt er und Geld soll er abwerfen: der Heli
taz: Herr Fratzscher, 5.000 Euro als Geschenk für jeden Haushalt von der
Europäischen Zentralbank (EZB) – wie aus dem Hubschrauber abgeworfen.
Darüber diskutieren Ökonomen. Ist das nicht unrealistisch?
Marcel Fratzscher: Augenblicklich scheint das tatsächlich weit hergeholt.
Aber es ist auch nicht ausgeschlossen. Auf jeden Fall brauchen wir die
Debatte darüber. In Deutschland werden neue Gedanken manchmal zu schnell
vom Tisch gewischt und als Quatsch bezeichnet. Die Idee des sogenannten
helicopter money ist durchaus sinnvoll. Wir müssen offen bleiben und
überlegen, wie wir aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise herauskommen.
Auch Ihr Kollege Reint Gropp, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung
Halle, plädiert für Hubschraubergeld. Was sind Ihre Argumente?
Der Vorschlag ist logisch. Denn in Europa sinken in vielen Branchen und bei
zahlreichen Produkten die Preise. Diese Deflation ist schlecht für die
Unternehmen, sie nehmen zu wenig Kredite auf und halten sich mit
Investitionen zurück. Gleichzeitig leiten die Banken das Geld, das ihnen
die EZB zur Verfügung stellt, in zu geringem Maße an die Firmen und die
Bürger weiter. Seit der Finanzkrise funktioniert das Banksystem nicht mehr
so, wie es soll. Daher kommt die Idee, die Banken zu umgehen und
Zentralbankgeld direkt den Bürgern zur Verfügung zu stellen. Die damit
finanzierte Nachfrage könnte einen Impuls für höhere Preise und mehr
Wachstum darstellen.
Sie sagen, das Bankensystem funktioniere nicht mehr. Was heißt das?
Große Probleme gibt es in Südeuropa, beispielsweise in Italien. Dort sitzen
die Banken auf faulen Krediten von mindestens 200 Milliarden Euro. Weil sie
weiteres Risiko scheuen, geben die Institute besonders kleinen und
mittleren Unternehmen kaum Kredite. Diese beschäftigen aber 70 Prozent der
Arbeitnehmer. Die Banken kommen also ihrer ureigensten Aufgabe,
wirtschaftliche Aktivitäten zu finanzieren, kaum nach. Und das nährt die
Sorge, dass wir über viele Jahre aus der Krise nicht herauskommen und in
eine Deflationsspirale hineingeraten könnten.
Das Wirtschaftswachstum in der EU soll dieses Jahr 1,5 Prozent betragen.
Ist die Krise wirklich so tief, dass unorthodoxe Maßnahmen wie Verschenken
von Zentralbankgeld gerechtfertigt sind?
Drei bis vier Prozent wären notwendig und auch normal nach einer
Finanzkrise, wie wir sie hatten. Und man darf die erträgliche Lage in
Deutschland nicht mit der EU insgesamt verwechseln. Die italienische
Volkswirtschaft ist heute neun Prozent kleiner als 2008. Die
Arbeitslosenquote liegt bei zwölf Prozent.
Hat irgendeine Notenbank die Idee des Hubschraubergeldes schon mal
ausprobiert?
Wir reden hier über ein neues Instrument. Aber es wäre nicht das erste Mal
während der vergangenen zehn Jahre, dass in der Geld- und Fiskalpolitik
Dinge passieren, die man vorher für undenkbar hielt. Um die US-Banken zu
stabilisieren, zwang ihnen die dortige Notenbank Staatskapital auf. Ein
anderes Beispiel: die negativen Einlagenzinsen der EZB.
Wie würde es in der Praxis ablaufen, wenn die EZB die Bürger mit
zusätzlichen Euros versorgte?
Die Notenbank müsste mit den staatlichen Behörden kooperieren.
Beispielsweise die Finanzämter könnten die Mittel an die Steuerzahler
weiterleiten.
Überschritte die EZB mit den Geschenken nicht ihre Kompetenzen?
Nein, laut ihrem Mandat muss sie Preisstabilität gewährleisten. Dieses Ziel
verfehlt sie jedoch zurzeit bei weitem. Sie muss deshalb alle legalen
Instrumente nutzen.
Hier und da ist schon die Forderung nach regelmäßigen Geldgeschenken der
EZB zu hören – einer Art Grundeinkommen.
Das ist ein Kurzschluss. Hubschraubergeld wäre ein einmaliger
geldpolitischer Impuls, keine längerfristige soziale Sicherung.
12 Apr 2016
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Geld
EZB
DIW
Deflation
EZB
EZB
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
Streik
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