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# taz.de -- Amnesty-Mitarbeiter über Entführungen: „China bricht internatio…
> Die internationale Staatengemeinschaft muss die chinesische Praxis
> stoppen, fordert Patrick Poon von Amnesty International.
Bild: Es geht stürmisch zu in Hongkong.
taz: Herr Poon, müssen Sie in Hongkong nun auch um Ihr Leben fürchten?
Patrick Poon: Nein, momentan fürchte ich mich noch nicht. Als Mitarbeiter
von Amnesty International, einer ja weltweit sehr bekannten
Menschenrechtsorganisation, genieße ich einen gewissen Schutz. Wenn die
chinesischen Behörden versuchen würden, mich in Hongkong festzunehmen, wäre
die weltweite Empörung sicherlich sehr groß.
Bis vor Kurzem hätte es auch niemand für möglich gehalten, dass chinesische
Behörden über die Grenze kommen, in Hongkong lebende Bürger festnehmen und
aufs Festland schleppen würden. Immerhin wurde der ehemaligen britischen
Kronkolonie bei der Rückgabe 1997 an die Volksrepublik zugesichert, dass
der Sonderstatus mit eigenem Rechtssystem für 50 Jahre erhalten bleibt.
In der Tat: Dass China offensichtlich fünf Verlagsmitarbeiter aus Hongkong
entführen lässt, stellt eine Zäsur dar. Denn es ist zu befürchten, dass
künftig jeder, der sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt und die
chinesische Führung kritisiert, auch in Hongkong vor den chinesischen
Behörden nicht mehr sicher ist. Das ist wirklich besorgniserregend.
Wie erklären Sie sich dieses dreiste Vorgehen?
Mit Chinas gestiegenem Selbstbewusstsein. Wir beobachten schon seit einiger
Zeit, dass chinesische Agenten im Ausland aktiv sind. Angefangen hatte das
mit der Ankündigung des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping vor zwei
Jahren, korrupte Kader auch im Ausland zu verfolgen. Dafür zeigten viele
Regierungen noch Verständnis. Dass das nun aber bedeutet, dass China auch
gegen ins Ausland geflüchtete Dissidenten und Kritiker vorgeht, haben diese
Länder unterschätzt.
Zum Beispiel?
Thailand etwa war viele Jahre lang für Dissidenten der Ausgangspunkt, um
von dort aus in einem freien Land politisches Asyl zu beantragen. Erst
neulich wurden zwei Chinesen in Thailand entführt und nach China
zurückgebracht. Die thailändischen Behörden ließen das zu. Dabei hatte
Kanada den beiden bereits Asyl erteilt. Sie waren praktisch nur noch auf
den Weg zum Flughafen. Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr zu ihnen.
Einer der fünf in Hongkong entführten Verlagsmitarbeiter hat einen
britischen Pass, ein zweiter besitzt einen schwedischen Pass. Setzen sich
diese beiden Länder nicht für ihre Staatsbürger ein?
Was auf diplomatischem Wege genau passiert – darüber sind wir im Detail
nicht informiert. Mir fällt allerdings auf: Der gebürtige Schwede Peter
Dalihn, der in China festgenommen und im chinesischen Staatsfernsehen
offensichtlich zu einem öffentlichen Geständnis gezwungen wurde, ist
inzwischen frei. Der Buchhändler Gui Minhai, der einen schwedischen Pass
hat und ebenfalls vor laufender Kamera ein Geständnis ablegen musste,
bleibt weiterhin verschwunden.
Wollen Sie damit sagen, dass Schweden sich nur für seine gebürtigen
Staatsbürger einsetzt?
Das will ich den schwedischen Behörden noch nicht unterstellen. Die
chinesische Seite allerdings rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass Gui und
die anderen Verlagsmitarbeiter gebürtige Chinesen sind und die
ausländischen Pässe erst hinterher erworben haben. Ich wünsche mir, dass
Schweden und Großbritannien sich noch viel offensiver für ihre Staatsbürger
einsetzen. China bricht ganz klar internationales Recht. Sollte dieses
Vorgehen Schule machen, muss jeder Bürger mit chinesischer Abstammung
künftig damit rechnen, von China verfolgt zu werden. Die internationale
Staatengemeinschaft muss dieser Praxis unbedingt einen Riegel vorschieben.
16 Feb 2016
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Hongkong
Menschenrechte
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Repression
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