| # taz.de -- Jahresbericht von Amnesty International: Kritik an deutscher Flüch… | |
| > „Härte“ und „Abschottung“ hätten die anfängliche Offenheit ersetzt… | |
| > Amnesty. Die Bundesregierung muss sich harte Vorwürfe anhören. | |
| Bild: Mit der deutschen Flüchtlingspolitik ist Amnesty International nicht zuf… | |
| Berlin dpa/rtr | Amnesty International hat im vergangenen Jahr eine | |
| deutliche Zunahme von Menschenrechtsverletzungen weltweit verzeichnet. Der | |
| am Dienstag veröffentlichte Jahresbericht der Organisation führt 122 Länder | |
| auf, in denen Menschen gefoltert oder misshandelt würden. In zwei Drittel | |
| der 160 untersuchten Staaten gebe es keine vollständige Presse- und | |
| Meinungsfreiheit und in jedem zweiten Land unfaire Gerichtsverfahren. In 18 | |
| Ländern sei es zu Kriegsverbrechen oder andere Verstöße gegen das | |
| humanitäre Völkerrecht gekommen. | |
| „Für die Menschheit stand nie mehr auf dem Spiel“, sagte | |
| Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty in London. Das Recht auf Privatsphäre, | |
| freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sei für alle Menschen | |
| gefährdet. | |
| Auch die deutsche Flüchtlingspolitik wird in dem Bericht scharf kritisiert. | |
| „Die Bundesregierung verliert die Menschenrechte aus dem Blick“, sagte die | |
| Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, Selmin Caliskan. Sie lobte | |
| zwar die Bereitschaft in großen Teilen der Bevölkerung, Flüchtlinge | |
| aufzunehmen. Die anfängliche Offenheit der Bundesregierung sei dagegen | |
| geschwunden. „Stattdessen wird nur auf Härte und Abschottung gesetzt“, | |
| sagte Caliskan. | |
| Die Amnesty-Generalsekretärin kritisierte vor allem die Verschärfung des | |
| Asylrechts. So entspreche das seit März 2015 geltende | |
| Asylbewerberleistungsgesetz besonders bei der Gesundheitsversorgung nicht | |
| den internationalen Menschenrechtsstandards. | |
| ## Kritik an neuer Regelung zu sicheren Herkunftsstaaten | |
| Die Organisation kritisierte den Vorstoß der Bundesregierung, die | |
| nordafrikanischen Länder Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren | |
| Herkunftstaaten zu erklären und Flüchtlinge aus diesen Staaten schneller | |
| abzuschieben. In den drei Ländern gebe es schwerwiegende menschenrechtliche | |
| Probleme, wie Folter oder Einschränkungen der Meinungs- und | |
| Versammlungsfreiheit, sagte Caliskan. Insbesondere Homosexuelle würden dort | |
| verfolgt. „Wenn die Bundesregierung diese drei Länder tatsächlich zu | |
| sicheren Herkunftsstaaten erklärt, verstößt sie nicht nur gegen das | |
| Grundrecht jedes Menschen, Asyl zu suchen, sondern auch gegen die eigenen | |
| verfassungsrechtlichen Kriterien zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten“, | |
| betonte Caliskan. | |
| Amnesty wirft der Bundesregierung auch vor, rassistische Gewalt zu | |
| verharmlosen. „Der Kampf gegen Rassismus muss endlich konsequent von den | |
| Behörden angegangen werden“, forderte Caliskan. | |
| Shetty lobte dennoch die Leistung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der | |
| Flüchtlingskrise: „Wir loben normalerweise keine Regierungen und ihre | |
| Chefs“, sagte Shetty. Aber Angela Merkel habe eine prinzipielle Sichtweise | |
| auf die Situation eingenommen und damit gegen Widerstand im Land die | |
| richtige Entscheidung getroffen. | |
| Mitverantwortlich für die Verschlechterung der Menschenrechtslage ist laut | |
| Amnesty das Versagen der internationalen Gemeinschaft bei der Lösung der | |
| großen Krisen. Den Bürgerkrieg in Syrien und die Folgen nannte Caliskan | |
| „eine der größten Tragödien dieses Jahrhunderts“. Die internationale | |
| Gemeinschaft zeige „weder den politischen Willen noch die Kompetenz, | |
| angemessen mit der Fluchtbewegung gemeinsam umzugehen“. | |
| ## Einschränkung von Freiheitsrechten | |
| Zu viele Regierungen schränkten im Kampf gegen bewaffnete Gruppen wie Boko | |
| Haram oder den Islamischen Staat (IS) ihrerseits die Freiheitsrechte ihrer | |
| Bürger ein, kritisierte Shetty. „Die Taten dieser Gruppen dürfen keiner | |
| Regierung als Rechtfertigung dienen, selbst gegen internationale | |
| Menschenrechte zu verstoßen, um kurzfristig etwas zu erreichen.“ Als | |
| Beispiel nannte er Frankreich, dessen Ausnahmezustand nach den | |
| Terrorangriffen von Paris „zunehmend fraglich“ sei. | |
| Zu den von Amnesty angeprangerten Menschenrechtsverletzungen zählen auch | |
| der Fortbestand des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba, | |
| die drastischen Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit in Polen | |
| und die „flüchtlingsfeindliche Politik“ der ungarischen Regierung. | |
| Amnesty forderte eine bessere Kontrolle von Menschenrechtsverstößen | |
| innerhalb der Europäischen Union. Generalsekretär Shetty mahnte zudem einen | |
| besseren Schutz der Abkommen und Institutionen zur Wahrung der | |
| Menschenrechte an. In Afrika und auf dem amerikanischen Kontinent gebe es | |
| zunehmend Widerstand beispielsweise gegen eine Zusammenarbeit mit dem | |
| Internationalen Strafgerichtshof. „Amnesty International fordert eine | |
| neuerliche Verpflichtung, das internationale System zum Schutz der | |
| Menschenrechte zu achten“, schreibt Shetty im Bericht. | |
| 24 Feb 2016 | |
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