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# taz.de -- Kommentar Grüne und Asylrecht: Die Grenzen des Pragmatismus
> Die Grünen könnten zustimmen, Marokko und Algerien zu sicheren
> Herkunftsländern zu erklären. Auf wessen Nein ist dann noch zu hoffen?
Bild: Links im Bild: die wohl bald sicheren Herkunftsstaaten Marokko und Algeri…
In Marokko gab es, wie Amnesty International im letzten Jahr feststellte,
173 Fälle von Folter. In Algerien wurde 2014 eine Protestbewegung gegen den
Präsidenten gewaltsam unterdrückt. Die Große Koalition in Berlin will beide
Ländern zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Und die Grünen in
Baden-Württemberg und Hessen sind wohl drauf und dran, zuzustimmen.
Es ist legitim, Asylfragen nicht nur moralisch, sondern auch politisch zu
betrachten und Vor- und Nachteile abzuwägen. Die Menschenrechtslage ist
vielerorts bedrohlicher als im Maghreb. Das zentrale Argument für die
Verschärfung lautet, dass ja ohnehin nur ein paar Prozent der Flüchtlinge
aus dem Maghreb anerkannt werden. Und künftig wird eben schneller
entschieden.
Die Union sendet schon seit Längerem nicht mehr die Botschaft „Wir schaffen
das“, sondern „Wir tun was, um Flüchtlinge abzuschrecken“. Damit hat Mer…
auf die dramatisch gekippte Stimmung reagiert. Wenn man den Talkshows
folgt, muss man sich wundern, dass hierzulande noch Straßenbahnen fahren
und Schulen öffnen.
Die Große Koalition will nun durchgreifen. Allerdings ist es fraglich, ob
diese Art von Aktivismus viel nutzt. Aus dem Maghreb stammen etwa zwei
Prozent der Flüchtlinge. Es kann durchaus sein, dass mit markigen Worten
intonierte symbolische Abschreckungspolitik, ohne dass die Zahl der
Flüchtlinge sinkt, den Rechtspopulisten erst recht nutzt.
## Kretschmann und Al-Wazir wollen Deal
Die Grünen Winfried Kretschmann und Tarek Al-Wazir wollen den Plänen der
Großen Koalition wohl zustimmen – und dafür einen sicheren Status für ein
paar Tausend geduldete Flüchtlinge erreichen, die schon einige Jahre hier
leben. Das ist sinnvoll, auch wenn dies wohl kein Einstieg in eine
weiträumige Legalisierung von Illegalen ist.
Kretschmann und Al-Wazir handeln damit politisch. Sie wollen einen Deal
machen. Die Union kann sich als tatkräftige Regierung präsentieren, die
grünen (Vize-)Ministerpräsidenten erscheinen als gestandene Realpolitiker,
die das Mögliche umsetzen.
Doch das Problem ist grundsätzlich. Das Asylrecht hat einen Kern, der dem
Geben und Nehmen pragmatischer Politik entzogen sein muss. Wenn man es
unter dem Aspekt politischer Nützlichkeit verhandelt, dann löst es sich
auf. Wenn heute Marokko als rechtsstaatlich akzeptabel gilt, warum nicht
morgen Pakistan, Russland, Afghanistan? Und wenn die Grünen zu dieser Logik
Ja sagen, auf wessen Nein ist dann noch zu hoffen?
16 Feb 2016
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Asylpolitik
Bündnis 90/Die Grünen
sichere Herkunftsländer
Flüchtlinge
Menschenrechte
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Bundesrat
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Grüne
Algerien
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