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# taz.de -- Chinesische Repression in Hongkong: Deportiert, erpresst und vorgef…
> Der neue Fall von Entführungen in Hongkong zeigt: Chinas Behörden scheuen
> sich nicht, Kritiker der KP- Führung im Ausland zu jagen.
Bild: In Hongkong regt sich Protest gegen die Entführungen, denn die chinesisc…
peking taz | Nicht einmal der schwedische Pass hatte Gui Minhai geholfen.
Im Oktober war das. Der 56-jährige Verlagsmitarbeiter, der in Hongkong lebt
und arbeitet, machte Urlaub im thailändischen Urlaubsparadies Pattaya.
Plötzlich war er verschwunden.
Anfang des Jahres war er plötzlich im chinesischen Staatsfernsehen CCTV zu
sehen. Blass, mit Tränen in den Augen, reuig. Er sei freiwillig nach China
gegangen, beteuerte er vor laufender Kamera. Er habe sich dort gestellt,
wegen einer Fahrerflucht vor elf Jahren. Er wolle sich nun seiner
Verantwortung stellen. „Auch wenn ich schwedischer Staatsbürger bin, fühle
ich mich wirklich wie ein Chinese“, sagte er. Und dann sein Appell: „Ich
bitte die schwedische Regierung, sich nicht für mich einzusetzen und sich
nicht in meine Privatangelegenheiten einzumischen.“
Einen Prozess hat es nie gegeben. Zumindest ist auch in China nichts davon
bekannt geworden. Trotzdem lässt sich die Fernsehmoderatorin dazu
hinreißen, das „exklusive Interview“ als Aufdeckung einer Straftat zu
feiern. Nicht nur der chinesische Rechtsstaat habe gesiegt, sondern auch
die chinesische Öffentlichkeit.
Insgesamt fünf Mitarbeiter des Hongkonger Verlags Mighty Current sind in
den vergangenen Monaten unter mysteriösen Umständen verschwunden. Gui
Minhai ist einer von ihnen. Drei weitere Kollegen sind von Reisen ebenfalls
nicht zurückgekehrt. Ende Dezember wurde dann auch der Verleger selbst, der
65-jährige Lee Po, verschleppt, vermutlich direkt in Hongkong.
## Ein orchestriertes Geständnis
Der Verlag ist dafür bekannt, Skandalbücher über chinesische
Spitzenpolitiker herauszugeben. Zuletzt hatte der Verlag ein Buch über
Chinas Staatspräsident Xi Jinping geplant, in dem über Xis angebliches
Liebesleben berichtet wird. Der Wahrheitsgehalt dieser Bücher ist
umstritten. Doch sie finden reißenden Absatz. Mehr als 60 Bücher dieser Art
sind in den letzten Jahren erschienen. In der Volksrepublik selbst ist der
Verkauf verboten.
Neben Gui haben sich inzwischen zwei weitere der verschwundenen Mitarbeiter
gezeigt – einer ebenfalls mit offensichtlich orchestriertem Geständnis im
chinesischen Staatsfernsehen. Verleger Lee Po meldete sich schriftlich:
Sein Gewissen habe ihn nach China zurückgetrieben, schrieb er ein paar Tage
nach seinem Verschwinden. Dabei hatte Lee noch kurz vorher versichert, dass
er aus Angst vor politischer Verfolgung auf keinen Fall in die
Volksrepublik reisen werde. Schon früh hatte er die britische
Staatsbürgerschaft beantragt und auch erhalten.
Spätestens mit Lee Pos Verschwinden und seinem Geständnisschreiben
schrillen in Hongkong die Alarmglocken. Nachdem er mehrere Tage lang
überhaupt nicht zu erreichen war und sich dann bei seiner Frau telefonisch
vom chinesischen Festland meldete, sind sich die meisten Hongkonger sicher:
Er wurde von Agenten der Volksrepublik verschleppt. Auch Guis in London
lebende Tochter glaubt, dass ihr Vater entführt wurde.
Die ehemalige britische Kronkolonie gehört formell seit 1997 zur
Volksrepublik. Gemäß der damals zwischen London und Peking vereinbarten
Formel „Ein Land, zwei Systeme“ genießen die Bewohner der Hafenmetropole
bis 2047 allerdings einen Sonderstatus, der den Hongkongern, anders als in
China, Meinungsfreiheit und ein unabhängiges Rechtssystem garantiert. So
sollte es eigentlich sein.
## Immer mehr Verschleppungen
Hongkongs Regierungschef Leung Chun-ying versicherte zwar, dass er illegale
Verschleppungen auf seinem Territorium nicht akzeptieren werde. Doch
beigetragen hat er seitdem nur wenig. „Sämtliche neuen Erkenntnisse über
den Verbleib der Verlagsmitarbeiter kamen von Medien“, kritisiert Patrick
Poon von Amnesty International.
In der Volksrepublik werden bereits seit einiger Zeit verstärkt
regierungskritische Blogger, Journalisten und Anwälte verschleppt und ohne
ausreichenden Rechtsbeistand festgehalten. In einigen Fällen hat die
Polizei durch Drohungen gegen die Familie oder durch Folter Geständnisse
erpresst.
Was bei den nun vermissten Hongkonger Verlagsmitarbeitern neu ist: Chinas
Agenten haben sich ihre Opfer nicht nur außerhalb des eigenen Staatsgebiets
geschnappt. Mit Gui und Lee packen sie neuerdings auch Ausländer mit harter
Hand an.
## EU extrem besorgt
Die EU-Vertretung in Peking kritisierte besonders scharf das Vorgehen der
chinesischen Behörden. „Wir zeigen uns extrem besorgt“, sagte ein Sprecher
und forderte umgehende Aufklärung über den Verbleib der Mitarbeiter. Die
britische Regierung hingegen hat vergangene Woche erst nach einigem Zögern
anerkannt, dass die vermissten Verlagsmitarbeiter gegen ihren Willen
verschleppt wurden. Großbritannien fürchtet um die Beziehungen mit China.
Nun bezeichnet Außenminister Philip Hammond die Vorgänge in China als einen
„ernsthaften Verstoß“ der Verträge, die sein Land zur Übergabe Hongkongs
1997 ausgehandelt hatte.
Ebenfalls für Aufsehen sorgte zu Jahresbeginn die Festnahme eines weiteren
schwedischen Staatsbürgers: Peter Dalihn, der in China für eine
Rechtshilfeorganisation gearbeitet hatte, verschwand am 3. Januar.
Offensichtlich ebenfalls unter Zwang gestand er einige Tage später im
Staatsfernsehen, „chinesische Gesetze gebrochen“ und „die Gefühle des
chinesischen Volkes verletzt zu haben“.
In seinem Fall gelang es der schwedischen Regierung, ihn nach drei Wochen
Haft freizubekommen und nach Schweden auszufliegen. Über den Verbleib des
schwedischen Staatsbürgers Gui Min ist auch mehr als drei Monate nach
seinem Verschwinden nichts bekannt.
15 Feb 2016
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Repression
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Verlagswesen
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