| # taz.de -- Debatte Bundeswehreinsatz in Mali: Der falsche Weg zum Frieden | |
| > Der Bundeswehreinsatz erfolgt aus Solidarität mit Frankreich. Dabei | |
| > spielt die Ex-Kolonialmacht in Westafrika eine zweifelhafte Rolle. | |
| Bild: Bundespräsident Gauck zu Besuch bei der Bundeswehr in Mali. | |
| Für die Beteiligten wird es sicher kein leichter Einsatz werden. Nach einem | |
| Votum des Bundestags vom 28. Januar werden künftig, voraussichtlich ab | |
| Juni, 800 Soldaten der deutschen Bundeswehr ihren Dienst im | |
| westafrikanischen Mali verrichten. 650 von ihnen werden in den Norden des | |
| Landes entsandt und in der Regionalhauptstadt Gao stationiert werden. | |
| Die UN-Truppe der „Mission für die Stabilisierung Malis“, kurz Minusma, mit | |
| über 11.000 Soldaten hat dabei eine offizielle und eine vorrangige, | |
| inoffizielle Aufgabe. Die erste besteht darin, das im Juni vorigen Jahres | |
| in Bamako geschlossene Abkommen zwischen vormaligen Tuareg-Separatisten und | |
| der Zentralregierung zu überwachen. Dessen Umsetzung kommt nicht recht | |
| voran. | |
| In Wirklichkeit geht es bei der UN-Truppe jedoch vor allem um die | |
| Bekämpfung von dschihadistischen Gruppen, die sich im Windschatten der | |
| Konflikte zwischen den übrigen Akteuren im Norden Malis festgesetzt haben. | |
| Auch wenn die französische Intervention von 2013 sie vorübergehend von dort | |
| vertrieb, sind sie längst zurück. Die Minusma nimmt ihre, im Übrigen | |
| durchaus gefährliche Aufgabe parallel zur französischen Truppe „Barkhane“ | |
| wahr, das sind derzeit 3.800 Mann unter nationalem Oberbefehl. Beider | |
| Aktivitäten greifen ineinander. | |
| Das Hauptquartier der „Barkhane“-Streitmacht steht in N’Djamena im Tschad, | |
| der von dem berüchtigen Schlächter Idriss Déby Itno regiert wird. Er | |
| putschte sich am 1. Dezember 1990 an die Macht und will seitdem nicht von | |
| ihr weichen, ist aber auch ein guter Freund des politischen Frankreich. Und | |
| ausgerechnet ein Ex-Minister des Itno-Regimes, Mahamet Salef Annadif, | |
| leitet seit dem 23. Dezember die UN- Truppe Minusma. Ginge es also darum, | |
| die Dschihadisten wegen ihrer manifesten Verstöße gegen die Menschenrechte | |
| der örtlichen Bevölkerung zu bekämpfen – dann hätte man hier einen | |
| kapitalen Bock zum Gärtner ernannt. | |
| ## Neokoloniale Friedensstifter | |
| Der Bundestag rechtfertigte den Einsatz damit, „Solidarität mit Frankreich“ | |
| üben zu wollen, als Konsequenz aus den mörderischen Attentaten vom 13. | |
| November 2015, die von anderen Dschihadisten auf Pariser Boden verübt | |
| worden waren. Dass deren Ziele ebenso wie deren Mittel von allen | |
| demokratisch gesinnten und progressiven Menschen nur abgelehnt werden | |
| können, dürfte unstrittig sein. Auch ist Solidarität mit der französischen | |
| Gesellschaft als solche nicht fragwürdig. Aber auf einem anderen Blatt | |
| steht folgende Frage: Ist ein militärisches Aufgebot wirklich das geeignete | |
| Mittel, die Dschihadisten zurückzudrängen? | |
| Wohl kaum. Gerade Frankreich als ehemalige Kolonial- und noch immer in der | |
| gesamten Region präsente neokoloniale Macht dürfte wohl der letzte Akteur | |
| sein, dem man dort eine Rolle als Friedensstifter zugetraut hätte. | |
| Zunächst grundsätzlich: Ja, mitunter ist in der Geschichte militärische | |
| Gewalt erforderlich. Etwa als es in den 1940er Jahren galt, einen auf die | |
| Menschheit zurasenden Katastrophenzug wie den deutschen Nationalsozialismus | |
| aufzuhalten. Aber nur im Falle ihrer Alternativlosigkeit ist die Frage nach | |
| ihrer Legitimität zu bejahen. Eine solche ist hier nicht gegeben. Im Norden | |
| Malis könnten durchaus auch afrikanische Truppen, aus Staaten ohne direkte | |
| Anbindung an die französische „Staatsräson“, zum Einsatz kommen. Auch eine | |
| Ausbildung malischer Soldaten, wie die Bundeswehr sie schon bislang in | |
| Koulikoro betreibt, wäre denkbar. | |
| Dort aber, wo militärische Macht als Mittel der internationalen Politik | |
| eingesetzt wird, schlägt diese Wahl auf die Bewertung der Ziele dieser | |
| Politik zurück – weil sie eben keinesfalls ein neutrales Instrument | |
| darstellt. Aber immer dann, wenn sie von Dominanzstrategen gegen | |
| unterworfene Bevölkerungen eingesetzt wird, hat sie jeglichen | |
| Legitimitätsanspruch von vornherein verloren. Dies gilt für Frankreich in | |
| seiner Einflusssphäre in Afrika. | |
| ## Antikoloniale Befreiungsbewegung | |
| Frankreich greift und griff in vielfältiger Form in Westafrika und der | |
| Sahelzone ein, in aller Regel besteht dabei ein durchsichtiger Zusammenhang | |
| zu eigenen Interessen. Mehr als ein Drittel des Uranbedarfs für die | |
| gigantisch aufgeblähte französische Atomindustrie kommt etwa aus Niger, das | |
| eines der drei ärmsten Länder der Welt bleibt. Der Fehler im System liegt | |
| hier klar auf der Hand. In einem anderen Nachbarland Malis, in Burkina | |
| Faso, waren es französische Elitetruppen, die im Oktober 2014 den durch | |
| „seine“ Bevölkerung gestürzten Autokraten Blaise Compaoré per Helikopter | |
| ins Nachbarland Côte d’Ivoire ausflogen. | |
| Also zu Frankreichs und Compaorés engstem Verbündeten in der Region, | |
| Alassana Ouattara, dem dritten Nachbarn Malis, der noch im Herbst 2015 | |
| Putschpläne gegen die demokratische Übergangsregierung in Burkina Faso | |
| unterstützte. Und der eifrig privatisiert, was nicht niet- und nagelfest | |
| ist – oft zugunsten französischer Interessen. Gegen Ouattaras früheren | |
| Premierminister Guillaume Soro stellte im November – er weilte auf dem | |
| Pariser Klimagipfel – aufgrund seiner bereits erwähnten Putschhilfe sogar | |
| die französische Justiz einen Haftbefehl aus – der dann jedoch aus Gründen | |
| der Staatsräson zurückgenommen wurde. | |
| Wie pragmatisch Frankreich an den Umgang mit afrikanischen Staaten | |
| herangeht, illustriert recht anschaulich ein Zitat des französische | |
| Verteidigungsministers Jean-Yves Le Drian von Dezember 2014. Im Hinblick | |
| auf Mali und Tschad sagte er dem Wochenmagazin Jeune Afrique: „Man muss ein | |
| Gleichgewicht zwischen dem demokratischen Ziel und der | |
| sicherheitspolitischen Notwendigkeit finden (...). Aber die Priorität liegt | |
| heute auf der Sicherheit.“ | |
| Das Frankreich der Militärs und der Milliardäre sorgt dafür, dass seine | |
| Interessen in der Region gut gesichert bleiben. Die Dschihadisten wiederum | |
| dürfen sich bei ihm geradezu bedanken. Liefert Frankreichs Politik ihnen | |
| doch den besten Vorwand, sich, wie sie es in Mali oft tun, als eine Art | |
| antikolonialer Befreiungsbewegung zu gerieren, die sie in Wirklichkeit | |
| keineswegs sind. Sich mit dieser Politik gemeinzumachen, und sei es aus den | |
| edelsten Motiven heraus, kann man nur kritisieren. | |
| 16 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernard Schmid | |
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