# taz.de -- Bundespräsident Joachim Gauck: Alle sagen: I Love You | |
> Am besten ist er, wenn er gar nichts sagt. Trotzdem soll Joachim Gauck | |
> 2017 erneut zum Bundespräsidenten gewählt werden. | |
Bild: Der Erleuchtete sinniert über seine zweite Amtszeit: Joachim Gauck im Sc… | |
Noch ziert er sich etwas. Aber die Anzeichen mehren sich, dass Joachim | |
Gauck auch für eine zweite Amtszeit im Schloss Bellevue bleiben will. | |
Selbstverständlich nur, um „die Politik nicht noch in eine zusätzliche | |
Krise zu stürzen“, wie es laut Bild-Zeitung aus dem Bundespräsidialamt | |
heißen soll. Was auch sonst? | |
Fest steht: Falls sich der dann 77-jährige Gauck tatsächlich am 12. Februar | |
2017 erneut dem Votum der Bundesversammlung stellt, wird er auf keinE | |
GegenkandidatIn stoßen, der oder die ihm die Wiederwahl ernsthaft würde | |
streitig machen können. Denn erneut kann sich der parteilose Theologe auf | |
die Unterstützung einer ganz großen Koalition verlassen. | |
CSU-Chef Hort Seehofer lobt seine „ausbalancierten, klugen Aussagen“. Für | |
einen „großartigen Bundespräsidenten“ hält ihn der Grüne Cem Özdemi, u… | |
seine Kovorsitzende Simone Peter sieht „keinen Anlass, nun einen anderen | |
Kandidaten ins Spiel zu bringen“. Es wäre „gut für das Land, wenn er noch | |
einmal antritt“, findet FDP-Chef Christian Lindner. Eine erneute Kandidatur | |
Gaucks werde seine Partei „nachhaltig unterstützen“, verspricht SPD-Chef | |
Sigmar Gabriel. Und CDU-Chefin Angela Merkel ist ebenfalls dafür. „Das | |
würde uns viele Probleme ersparen“, ließ die Bundeskanzlerin wissen. | |
Gut möglich, dass sich nicht einmal die AfD verweigern würde, wo Gauck doch | |
immerhin Frauke Petry bereits im Oktober 2012 das Bundesverdienstkreuz für | |
ihre „besondere Courage und Tatkraft im Bereich Forschung und Entwicklung“ | |
verliehen hat. Vier Monate später startete sie ihre AfD-Karriere. | |
Bliebe nur noch die Linkspartei, die alte Spielverderberin. Aber die hatte | |
den evangelisch-lutherischen Pastor aus Mecklenburg ja auch schon vor vier | |
Jahren nicht gewählt. SPD und Grüne hingegen übertölpelten seinerzeit | |
mithilfe der FDP Angela Merkel und nötigten ihr in einem vermeintlich | |
genialen Schachzug den Kandidaten Gauck auf. Jetzt können sie gar nicht | |
anders, als den eitlen Prediger erneut zu unterstützen. | |
## Gauck statt linkes Signal | |
Allerdings dürfte es SPD und Grünen auch nicht ganz ungelegen kommen, erst | |
gar nicht über eine eigene Kandidatur nachdenken zu müssen. Auch wenn es | |
aufgrund der anstehenden Landtagswahlen äußerst unklar ist, ob die | |
Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung bis 2017 so bleiben: Nach | |
dem derzeitigen Stand hätte ein gemeinsamer Vorschlag, den auch die | |
Linkspartei mittragen könnte, gute Chancen. | |
Also jemand wie Gesine Schwan. Das jedoch läge nicht im Interesse von | |
Sozialdemokraten und Grüne, könnten daraus doch Koalitionsspekulationen für | |
die Bundestagswahl wenige Monate später abgeleitet werden, was beide | |
Parteien unbedingt vermeiden wollen. Ein linkes Signal? Dann lieber noch | |
einmal Gauck. | |
Dessen Wahl im März 2012 dürfte einer der schönsten Schlappen in der | |
politischen Karriere Angela Merkels gewesen sein. Sie könne „zufrieden | |
sein, denn sie hat aus einer vermeintlichen Niederlage vielleicht sogar | |
einen Sieg gemacht“, befand damals der inzwischen verstorbene konservative | |
Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Denn mit Gauck bekäme die Republik | |
einen Präsidenten, „der viel konservativer sein dürfte als seine | |
Vorgänger“. Langguth hat recht behalten. | |
So können aufgeklärte und humanistisch orientierte Menschen eigentlich froh | |
sein, wenn Gauck mal gar nichts sagt. Oder, wie am vergangenen Freitag, | |
eine Rede über das Tanzen hält: „Dass Tanz eine kosmische Ordnung spiegeln | |
kann, die dem Menschen vorgegeben ist, eine Ordnung, die in Musik und | |
Bewegung erfahren und zum Ausdruck gebracht wird – das scheint eine sehr | |
frühe ästhetische und spirituelle Erfahrung der Menschheit zu sein.“ Große | |
Worte gelassen ausgesprochen. | |
## Er schwadroniert und warnt | |
Unangenehm wird es hingegen, wenn Gauck, wie auf der Sicherheitskonferenz | |
vor zwei Jahren, im Stil eines Garnisonspfarrers eine „seinem Gewicht | |
entsprechend“ stärkere Rolle Deutschlands in der Welt fordert und vor | |
Tabuisierung von Militäreinsätzen warnt. Da kann man Linkspartei-Chef Bernd | |
Riexinger schon irgendwie verstehen, wenn er konstatiert: „Ein Präsident, | |
der mehr deutsche Soldaten in alle Welt schicken will, ist nicht unserer.“ | |
Nicht weniger unerfreulich wird es, wenn Gauck in der sogenannten | |
Flüchtlingskrise über „die Grenzen der Aufnahmefähigkeit“ schwadroniert. | |
Darüber, dass „die Bereitschaft zu solidarischem Handeln nicht unendlich“ | |
und „Begrenzung nicht per se unethisch“ sei. Und nicht nur das, so Gauck | |
auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Mitte Januar: „Eine | |
Begrenzungsstrategie kann moralisch und politisch sogar geboten sein, um | |
die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten.“ Wenn nicht Demokraten über | |
Begrenzungen reden wollten, würde „Populisten und Fremdenfeinden das Feld | |
überlassen“. | |
Dabei müsste ihm eigentlich bekannt sein, dass es geradezu eine zwingende | |
Interpretation des Grundgesetzes ist, wenn Angela Merkel postuliert, das | |
Grundrecht auf Asyl „kennt keine Obergrenze“. Aber damit hat ja derzeit | |
nicht nur Gauck Probleme. In diesem Sinne ist er ein wahrer | |
„Bürgerpräsident“ – mit den Worten der Welt: „der maximale Präsident… | |
24 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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