Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Angeblich toter Flüchtling am Lageso: Rätsel um einen möglichen …
> Laut den Flüchtlingshelfern von „Moabit Hilft“ ist ein Flüchtling an
> Kältefolgen gestorben. Nur wenige Stunden später gibt es erhebliche
> Zweifel.
Bild: Gedenken am Lageso, aber an wen?
Berlin taz | Für die Initiative „Moabit hilft!“ ist der Fall am
Mittwochmorgen klar: Das Warten vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit
und Soziales (Lageso) hat einen Toten gefordert. Ein Syrer, der noch am
Dienstag in der Schlange gestanden habe, sei erkrankt und in der Nacht
gestorben, so ihre Schilderung.
Die ehrenamtlichen Helfer laufen mit einem schwarzen Stoffstreifen um den
Arm über das Gelände. Vor dem Haus, in dem sie jeden Tag Kleider und
Hygieneartikel an Flüchtlinge ausgeben, stehen Kerzen in weißen und roten
Plastikbechern. Ein in schwarzes Papier eingeschlagenes Notizheft soll als
Kondolenzbuch ausgelegt werden. „Der Fall zeigt das Politikversagen“, sagte
Christiane Beckmann, eine der HelferInnen, vor zahlreichen
Pressevertretern.
Für die Senatsverwaltung für Soziales, die für das Lageso verantwortlich
ist, ist dagegen noch gar nichts klar. „Wir haben bislang keinerlei
Hinweise auf einen toten Flüchtling“, sagte eine Sprecherin der taz.
Am Morgen hatte die Nachricht von dem toten Flüchtling [1][über Twitter]
und [2][Facebook] die Runde gemacht: „Wir trauern um dich. Du hast so viel
überlebt. Du hast das Lageso nicht überlebt“, verbreitete die Initiative
„Moabit hilft“. Ihren Aussagen zufolge hatte ein Ehrenamtlicher einen
24-jährigen Syrer bei sich aufgenommen. Der junge Mann sei am Dienstag
tagsüber am Lageso gewesen, habe sich nicht gut gefühlt und sei dann von
einer Helferin nach Hause geschickt worden.
In der Nacht zu Mittwoch habe der Syrer dann hohes Fieber bekommen, so die
Schilderung der Initiative. Der Ehrenamtliche, der ihn aufgenommen hatte,
habe daraufhin einen Krankenwagen gerufen. Eine andere Mitarbeiterin von
„Moabit hilft!“ hielt währenddessen per Chat den Kontakt. „Sitze im
krankenwagen herzstillstand“, schrieb der Ehrenamtliche. Der Syrer sei dann
in der Notaufnahme gestorben.
Sollten die Zustände am Lageso nach dem entführten Jungen Mohamed ein
weiteres Todesopfer gefordert haben? Pressevertreter schwärmten aus, auf
Twitter wurde wild spekuliert.
## Stimmt die Geschichte?
Die Probleme vor der Behörde in Berlin-Moabit sorgen seit vergangenem
Sommer für Schlagzeilen. Früher mussten sich die Flüchtlinge am Lageso
registrieren lassen, sie warteten tagelang erst in der Hitze, später in der
Kälte. Die Registrierung wird inzwischen in zwei Außenstellen des Lageso
erledigt. Dort aber kann bisher kein Geld ausgezahlt werden. Wer Bares
braucht, einen Krankenschein oder aber eine Erlaubnis, weiter in einer
Unterkunft bleiben zu dürfen, muss nach wie vor zum Lageso.
Erst am Dienstag hatte Senator Mario Czaja (CDU) bestätigt, dass wegen
eines Bearbeitungsstaus beim Lageso Flüchtlinge über viele Tage kein Geld
ausgezahlt bekamen, nach Aussagen von Heimleitern hungerten einige. Wenn
nun aber tatsächlich ein junger Mann aufgrund der nicht funktionierenden
Verwaltung gestorben sein sollte, hätte das noch mal eine andere Dimension.
Die Frage ist nur: Stimmt das überhaupt?
Die Senatsverwaltung für Soziales teilte am Mittag mit: Alle
Rettungsstellen der Berliner Krankenhäuser seien abgefragt worden,
nirgendwo sei in der Nacht ein Flüchtling eingeliefert worden, auf den die
Beschreibung zutreffe, sagte eine Sprecherin. Es gebe zudem ein System der
Feuerwehr und anderer Hilfsorganisationen, in dem verzeichnet werde, wann
wo welcher Rettungswagen hingefahren sei. „In der Straße, in der der Helfer
wohnt, ist kein Einsatz bekannt“, sagte die Sprecherin. „Wir arbeiten mit
Hochdruck daran, die Hintergründe zu erfahren.“
Der Ehrenamtliche, auf dessen Schilderungen alles beruht, hatte sich am
Mittwoch in seine Wohnung zurückgezogen und war auch für die Initiative
„Moabit hilft!“ stundenlang nicht zu erreichen. Die Polizei fuhr zu seiner
Wohnung, doch er machte nicht auf.
## „Ich schreie gerade innerlich“
„Moabit hilft!“ sah sich am Nachmittag genötigt, auf dem Gelände des Lage…
erneut eine Pressekonferenz zu geben. Der ehrenamtliche Helfer sei „absolut
vertrauenswürdig“, betonte eine der GründerInnen der Initiative, Diana
Henniges. Sie könne sich nicht vorstellen, dass seine Schilderungen nicht
stimmten. Falls sich der Fall doch als Falschmeldung entpuppen sollte, sei
das „eine Katastrophe“ für „Moabit hilft“. „Wir bemühen uns, das so…
wie möglich zu klären“, sagte Henniges.
Kaja Grabowski, die regelmäßig am Lageso Flüchtlinge betreut, kennt sowohl
den ehrenamtlichen Helfer als auch den syrischen Flüchtling. „Es ist
schlimm, wenn ein so junger Mensch stirbt, und es ist traurig und schlimm
für mich, weil ich ihn kannte.“ Sie gehe aber nicht davon aus, dass das
Lageso Schuld an seinem Tod habe, sagte Grabowski. Der Fall müsse nun in
Ruhe geklärt werden. Am Lageso habe sich seit dem Sommer viel verbessert.
„Ich schreie gerade innerlich, weil jetzt alle sagen: Das Lageso tötet
Menschen.“
Am Nachmittag waren UnterstützerInnen und JournalistInnen auf dem
Lageso-Gelände gleichermaßen ratlos. Der betroffene Ehrenamtliche äußerte
sich bis zum Redaktionsschluss nicht.
Am Abend meldete sich dann die Polizei zu Wort. „Wir haben keinen toten
Flüchtling“, sagte eine Sprecherin der Polizei nach einer Befragung des
Mannes, der den angeblichen Todesfall im Internet publik gemacht hatte. „Es
gibt derzeit keine Anhaltspunkte, dass an dem Sachverhalt, den er
veröffentlicht hat, etwas dran ist“, sagte die Sprecherin.
27 Jan 2016
## LINKS
[1] http://twitter.com/Moabithilft/status/692234562362040320
[2] http://www.facebook.com/reyna.bruns/posts/10153590362573005
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
Uta Schleiermacher
Gereon Asmuth
## TAGS
Lageso
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Mario Czaja
Moabit hilft
Berlin
Lageso
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Lageso
Berlin
Lageso
Lageso
Flüchtlinge
Lageso
Sozialgericht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Lüge über Flüchtlingstod: Drohungen gegen Berliner Helfer
Mails mit persönlichen Angriffen, ein toter Vogel auf der Fußmatte: „Moabit
hilft“ muss mit unangenehmen Attacken zurechtkommen.
Das war die Woche in Berlin I: Die Tragik des falschen Schreckens
Schrecklich: Kaum jemand hat es für unwahrscheinlich gehalten, dass ein
Mensch am Lageso – oder, noch schlimmer, wegen der Zustände am Lageso –
sterben könnte.​
Ehrenamtler in der Flüchtlingsarbeit: „Wir müssen uns entschuldigen“
Ein ehrenamtlicher Helfer hat den Tod eines Flüchtlings gefakt. Diana
Henniges von „Moabit hilft“ über Öffentlichkeitsarbeit, Misstrauen und
Glaubwürdigkeit.
Erfundener toter Flüchtling am Lageso: Helfer sagt Sorry
Dirk V., der einen toten Flüchtling am Berliner Lageso erfunden hatte, hat
sich offenbar via Facebook entschuldigt. Es sei Alkohol im Spiel gewesen.
Versorgung von Flüchtlingen am Lageso: „Miserabler als in der Dritten Welt“
Die Zustände am Lageso bergen große gesundheitliche Risiken, sagt der
Präsident der Berliner Ärztekammer. Ein Todesfall wäre keine Überraschung.
Kommentar erfundener Toter Lageso: Schande über dieses Land
Die erfundene Geschichte vom Tod eines Flüchtlings beschädigt die
Glaubwürdigkeit der Flüchtlingshilfe. Sie verweist aber auch auf reale
Probleme.
Angeblich toter Flüchtling in Berlin: Helfer hat alles nur erfunden
Ein Facebook-Eintrag führt zu großer Aufregung. „Moabit hilft!“ ist
erleichtert, aber fassungslos und entschuldigt sich. Die CDU will
Konsequenzen.
Angeblich gestorbener Flüchtling in Berlin: Todesfall bisher nicht bestätigt
In Berlin soll ein Flüchtling nach langem Warten am Lageso verstorben sein.
Obwohl alle Kliniken befragt wurden, konnte der Fall nicht bestätigt
werden.
Desolate Zustände am Berliner Lageso: Flüchtling offenbar an Kälte gestorben
Dem Bündnis „Moabit Hilft!“ zufolge ist am Berliner Lageso ein 24-jähriger
syrischer Flüchtling gestorben. Die Berliner Regierung will den Fall nun
umgehend prüfen.
Schlechte Versorgung von Flüchtlingen: Wieder Hunger in Berlin
Einige Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften leiden Hunger, weil ihnen
das Lageso ihr Geld nicht regelmäßig auszahlt. Heimleiter gehen nun an die
Öffentlichkeit.
Flüchtlingskrise am Lageso: Hausverbot für Helferin - oder nicht?
Eine Freiwillige berichtet auf Facebook von Schikanen, rechter Hetze und
ihrem Rauswurf. Das löst eine Empörungswelle aus.
Flüchtlinge wehren sich: Lageso beschäftigt Justiz
Anzahl der Klagen von Flüchtlingen beim Sozialgericht Berlin hat sich
verachtfacht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.