# taz.de -- Kommentar erfundener Toter Lageso: Schande über dieses Land | |
> Die erfundene Geschichte vom Tod eines Flüchtlings beschädigt die | |
> Glaubwürdigkeit der Flüchtlingshilfe. Sie verweist aber auch auf reale | |
> Probleme. | |
Bild: Das Übliche: lange Schlangen am Lageso. | |
Am Mittwochmorgen schien die Nachricht klar, bedrückend klar: Ein junger | |
Syrer ist gestorben, weil er am Berliner Landesamt für Gesundheit und | |
Soziales (Lageso) tagelang trotz Krankheit in der Kälte anstehen musste. | |
Noch im Krankenwagen habe er einen Herzstillstand erlitten, schreibt ein | |
Helfer an eine andere Helferin, die den Nachrichtenverlauf dann auf | |
Facebook veröffentlicht, wo sich die Nachricht in Windeseile verbreitet. | |
Während die sozialen Medien heißliefen, wurde die Faktenlage im | |
Tagesverlauf immer dünner: Polizei und Feuerwehr konnten den Fall nicht | |
bestätigen, die Krankenhäuser wussten nichts von einem in der Nacht zu | |
Mittwoch verstorbenen Flüchtling. Am Abend erst gab der Helfer und einzige | |
Zeuge des Geschehens zu: [1][Es gab keinen Toten, die Geschichte war frei | |
erfunden.] | |
Übersteigertes Geltungsbedürfnis, eine Persönlichkeitsstörung oder ein | |
fehlgeleiteter Versuch, durch größtmögliche Dramatisierung endlich die | |
Zustände am Lageso verändern zu können? | |
Welche Absichten mit dieser Behauptung auch immer verfolgt werden sollten: | |
Die falsche Nachricht vom toten Flüchtling ist verheerend für die | |
Flüchtlingshilfe. Das Ansehen und die Glaubwürdigkeit ausgerechnet der | |
Berliner Vorzeige-Initiative „Moabit hilft!“ ist dauerhaft beschädigt, weil | |
sie zu schnell mit einer Nachricht nach vorne preschte, von der niemand | |
wissen konnte, ob sie stimmt. | |
Glaubwürdigkeit aber ist gerade in Zeiten, in denen jede Woche neue | |
Fake-Meldungen über angebliches Fehlverhalten von Ausländern in den | |
sozialen Medien kursieren und jede Nachricht, die mit Flüchtlingen zu tun | |
hat, zum Politikum wird, ein hohes Gut. Gleichzeitig ist aber auch klar: | |
Menschen machen Fehler, gerade Menschen, die überlastet sind, weil sie seit | |
Monaten ehrenamtlich versuchen, Fehler von anderen auszubügeln. | |
Das tatsächliche Drama in dieser Geschichte ist aber etwas anderes: All | |
jene, die die Situation am Lageso kennen, reagierten am Mittwochmorgen | |
zutiefst erschüttert – aber nicht überrascht. Die Nachricht, dass ein | |
Mensch an den Zuständen am Lageso zugrundegegangen ist, schien plausibel. | |
Denn am Lageso ist seit Monaten ein Ausnahmezustand Normalität, der trotz | |
immer wieder neuen Eskalationen – ein kleiner Junge wird entführt und | |
umgebracht, Mütter erleiden Fehlgeburten auf dem Gelände – nicht beendet | |
wird. | |
Diesen Zustand sofort und grundlegend zu ändern, ist letztlich nur eins: | |
eine Frage des politischen Willens, der Bereitschaft, Geld in die Hand zu | |
nehmen. Schande über dieses Land, wenn es dafür erst einen echten Toten | |
braucht. | |
28 Jan 2016 | |
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## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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