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# taz.de -- Das war die Woche in Berlin I: Die Tragik des falschen Schreckens
> Schrecklich: Kaum jemand hat es für unwahrscheinlich gehalten, dass ein
> Mensch am Lageso – oder, noch schlimmer, wegen der Zustände am Lageso –
> sterben könnte.​
Bild: Kein schöner Ort: Das Lageso in Berlin-Moabit.
Wie gut, dass das am Mittwoch eine Falschmeldung war: Es ist kein junger
Flüchtling am Lageso gestorben. Behörden und Politik, Medien und
Initiativen, alle, die diese Nachricht einen Tag lang in Atem gehalten hat,
können ihrem Tagesgeschäft wieder weniger aufgeregt nachgehen. Und doch
weisen die Reaktionen auf die Meldung auf ein Problem: Kaum jemand hat es
für unwahrscheinlich gehalten, dass ein Mensch am Lageso – oder, noch
schlimmer, wegen der Zustände am Lageso – sterben könnte.
Dabei haben sich einige Dinge dort in den letzten Wochen durchaus
verbessert. Das Gelände ist seit Mitte Dezember die ganze Nacht zugänglich.
Der wirklich lebensgefährliche allmorgendliche Ansturm auf den Eingang, bei
dem regelmäßig 300 Menschen auf Bauzäune und Polizeigitter zurannten und
immer wieder Verletzte unter verbogenen Metallzäunen herausgezogen werden
mussten, ist damit vorbei. Wenn trotzdem viele Flüchtlinge stundenlang bei
schlechtem Wetter und mit schlechter Versorgung vor dem Lageso anstehen,
ist das ihrer Gesundheit sicher nicht zuträglich. Ob deswegen aber jemand
sterben könnte, ist schwer nachzuweisen. Als Vorwurf ist es zu
alarmistisch.
Die Aufregung am Mittwoch hat einen anderen Aspekt wieder aus der
Diskussion verdrängt. Denn Flüchtlinge sind in Berlin derzeit tatsächlich
in Gefahr, und weiterhin wegen der Zustände am Lageso. Einige von ihnen
leiden Hunger. Am Montag hatte sich der Leiter einer
Gemeinschaftsunterkunft in Köpenick an die Presse gewandt. Menschen in
seiner Unterkunft hätten kein Geld mehr, um sich Essen zu kaufen, weil das
Lageso es nicht schafft, ihnen regelmäßig und pünktlich ihre Leistungen
auszuzahlen. Auch andere Heimleiter meldeten sich.
Und zum ersten Mal hatte man das Gefühl, dass die Senatsverwaltung schnell
reagierte. Gleich am Dienstagmittag war der Hunger der Flüchtlinge Thema in
der Senatssitzung, am Dienstagabend traf sich der Leiter des Lageso mit den
Heimbetreibern und verkündete „Sofortmaßnahmen“. Es schien, als ob sich
schnell etwas ändern könnte im Lageso. Vielleicht auch, weil die von der
Behörde mit der Flüchtlingsversorgung beauftragten Heimleiter von ihrer
Position her mehr Legitimität haben als Ehrenamtliche, die ebenfalls die
Versorgung kritisieren. Das Tragische an der Falschmeldung um einen
angeblichen Lageso-Toten ist, dass sie die Nachricht über die Not in den
Heimen so schnell wieder aus den Schlagzeilen verdrängt hat.
30 Jan 2016
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Lageso
Moabit hilft
Berliner Senat
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Lageso
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