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# taz.de -- Ehrenamtler in der Flüchtlingsarbeit: „Wir müssen uns entschuld…
> Ein ehrenamtlicher Helfer hat den Tod eines Flüchtlings gefakt. Diana
> Henniges von „Moabit hilft“ über Öffentlichkeitsarbeit, Misstrauen und
> Glaubwürdigkeit.
Bild: Diana Henniges (rechts) und Christiane Beckmann von „Moabit hilft“ am…
taz: Frau Henniges, seit Mittwochabend ist es klar: Die Geschichte über den
Tod eines Flüchtlings hat ein ehrenamtlicher Mitarbeiter von „Moabit hilft“
frei erfunden. Was war Ihre Reaktion, als Sie das erfahren haben?
Diana Henniges: Wir waren stinksauer und wahnsinnig enttäuscht. Dirk hatte
uns monatelang unglaublich geholfen.
Noch am Vortag hatten Sie aber Dirk V. als einen absolut vertrauenswürdigen
Menschen bezeichnet.
Das war auch so. Er hatte bei uns einen großen Vertrauensvorschuss. Auch
bei vielen anderen Verbänden und Initiativen hat er mitgemacht. Er ließ
immer wieder Flüchtlinge in seiner Wohnung übernachten, manche sogar eine
Woche lang. Seite an Seite haben wir sehr viel erreicht. Sonst hätte Dirk
bei uns auch nicht diesen Freischein gehabt, dass wir diese Information für
ihn veröffentlichen. „Moabit hilft“ hat sich auf einen Freund verlassen.
Für Hinz und Kunz hätten wir das nicht gemacht.
Was wissen Sie über Dirk V.s Motive für die Falschmeldung?
Bei Facebook hat Dirk geschrieben: Ich war leicht betrunken und gestresst
und kann mich gar nicht mehr erinnern, was ich da geschrieben habe. Für
das, was er da ausgelöst hat, ist das ein bisschen dürftig.
Würden Sie für die ehrenamtlichen Mitarbeiter von „Moabit hilft“ nach
diesem Vorfall noch die Hand ins Feuer legen?
Der Kern der Leute, die hier arbeiten besteht aus rund 100 Personen. Wir
haben weitaus mehr Helfer, aber die Fluktuation ist sehr groß. Wirklich die
Hand ins Feuer legen? Das sind vielleicht 30, 40 Leute, denen ich einen
ähnlichen Vertrauensvorschuss geben würde, wie ihn Dirk bis Mittwoch
genossen hat.
Was folgt nun aus diesem Vorfall?
Wir sind jetzt vorsichtiger. Wir müssen uns auch entschuldigen. So etwas
passiert natürlich auch, weil man kein Profi ist. Wir sind Laien, wir sind
Ehrenamtliche. Wir sind viel zu schnell an die Öffentlichkeit gegangen.
Was heißt das in Zukunft für die Arbeit von „Moabit hilft“?
Wir werden die Dinge genau hinterfragen und absprechen, bevor wir an die
Öffentlichkeit gehen. Konkret bedeutet das, dass ich erst mal bei der
Polizei nachfragen würde, ob es diesen Toten auch gibt. Wenn man von dort
keine Information bekommt, müsste man selbst recherchieren.
Bedeutet das auch, dass Sie die Helfer der Initiative künftig sorgfältiger
auswählen?
Nein. Auf keinen Fall. Wir machen hier kein Selektionsverfahren. Wir haben
hier so viele verschiedene Charaktere. Man kann in einen Menschen nicht
reingucken. Das wollen und können wir uns nicht anmaßen. Das ist eine
freiwillige Leistung.
Waren Sie bei der Nachricht auch deshalb so unkritisch, weil Sie schon
länger mit dem Tod eines Flüchtlings am Lageso gerechnet haben?
Ganz genau. Die Reaktion von Politikern und Leuten aus Helferkreisen hat
das bestätigt: Alle halten es für wahrscheinlich, dass so etwas auch hier
am Lageso passieren kann. Das ist Sprengstoff hier auf dem Gelände. Wir
haben hier jeden Tag schwerstkranke Menschen, X-Leute in der Stadt, die
unterversorgt sind und hungern. Die Wahrscheinlichkeit, das so etwas
passiert, ist sehr hoch.
Einen toten Flüchtling zu erfinden, birgt aber auch Sprengstoff. Was
bedeutet das für das Ansehen von „Moabit hilft“?
Die Reputation, die wir uns erarbeitet haben, hat einen ganz schönen Knacks
bekommen. Unsere Glaubwürdigkeit ist beschädigt, unsere kommunikative
Fähigkeit nach Außen hat einen Riss erhalten. Wenn wir in Zukunft
Informationen herausgeben, werden wir diese vermutlich immer mit Daten und
Fakten untermauern müssen, weil immer die Frage gestellt werden wird: Ist
das diesmal wirklich die Wahrheit? Wir werden in der Politik noch schwere
Gänge gehen müssen.
Was für Reaktionen bekommt „Moabit hilft“, seit die Falschmeldung bekannt
ist?
Allein am Mittwoch haben wir 113 E-Mails aus der rechten Szene bekommen.
Wir haben schon relativ lange eine recht massive Bedrohungslage von Rechts.
Aber die Geschichte war noch mal Wasser auf deren Mühlen. Die rechte Szene
ist ja bekannt dafür, dass sie in regelmäßigen Abständen Fake-Meldungen
herausgibt. Die freuen sich jetzt wie ein Kullerkeks, weil sie sagen
können, wir würden das gleiche tun.
Bekommen Sie auch Rückenstärkung?
Ja, das kommt aus Ebenen, wo wir es am wenigsten erwartet haben. Der neue
Leiter des Lageso kam gerade und sagte: Machen wir einfach weiter. Auch
Sozialsenator Czaja hat sich relativ neutral gehalten und von einer
wichtigen Zusammenarbeit mit „Moabit hilft“ gesprochen.
Wie lautet Ihre persönliche Lehre aus dem Ganzen?
Man darf manchen Leuten nicht zu viel Vertrauen schenken. Man lernt aus
seinen Fehlern. Das nächste Mal prüft man besser.
28 Jan 2016
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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