# taz.de -- Schlechte Versorgung von Flüchtlingen: Wieder Hunger in Berlin | |
> Einige Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften leiden Hunger, weil ihnen | |
> das Lageso ihr Geld nicht regelmäßig auszahlt. Heimleiter gehen nun an | |
> die Öffentlichkeit. | |
Bild: Die Versorgung der Flüchtlinge in Berlin klappt einfach nicht. | |
Weil sie kein Geld haben, um sich Essen zu kaufen, müssen Flüchtlinge in | |
Berliner Unterkünften Hunger leiden. „Bei uns haben 40 Menschen nichts mehr | |
zu essen“, sagte Peter Hermanns, Leiter einer Gemeinschaftsunterkunft für | |
rund 380 Flüchtlinge in Köpenick, am Dienstag. „Die Not ist groß, und die | |
Stimmung in den Unterkünften nicht gut.“ | |
Mehrfach seien die BewohnerInnen zum Landesamt für Gesundheit und Soziales | |
(Lageso) in die Turmstraße gefahren. Dort befindet sich die Zentrale | |
Leistungsstelle (ZLA), die Flüchtlingen das ihnen zustehende Geld – zirka | |
364 Euro pro Monat – auszahlt. Doch kommt die Behörde mit den Auszahlungen | |
nicht mehr hinterher. Hermanns hatte sich am Montag gemeinsam mit anderen | |
Heimleitern an die Presse gewandt, nachdem sowohl die Senatsverwaltung als | |
auch der Flüchtlingsstab nicht auf seine Hilferufe reagiert hatten. | |
„Bei uns lebt eine Familie, die seit dem 11. Januar kein Geld mehr bekommen | |
hat“, sagte auch Suada Dolovuc, Sprecherin einer weiteren | |
Gemeinschaftsunterkunft in Westend. „Deren Termin beim Lageso wurde jetzt | |
auf den 3. Februar verschoben. Wovon sollen sie bis dahin leben?“ Mehr als | |
30 Menschen seien in ihrer Unterkunft betroffen, erklärt Dovoluc. Die | |
Leiter der Unterkunft hätten deshalb Essensspenden für die BewohnerInnen | |
organisiert. Auch andere Heimbetreiber schätzen, dass rund 15 Prozent der | |
von ihnen betreuten Flüchtlinge unter Geldmangel leiden. | |
Schuld ist das Lageso. Dessen Leistungsstelle schafft es derzeit nur, rund | |
250 bis 300 Anträge pro Tag zu bearbeiten. Trotzdem müssen alle | |
registrierten Flüchtlinge in der Regel einmal im Monat erscheinen, damit | |
die Behörde prüfen kann, ob die Flüchtlinge noch einen Anspruch auf die | |
Leistungen haben. Wer jedoch nicht drankommt, erhält den Stempel „Termin | |
verschoben“ – und kein Geld. | |
Besonders schlimm trifft dies die rund 12.400 Flüchtlinge, die in | |
Gemeinschaftsunterkünften leben. Sie verpflegen sich dort selbst – und sind | |
daher auf eine regelmäßige Auszahlung ihrer Leistungen angewiesen. Dazu | |
kommen rund 600 Flüchtlinge, die in Hostels untergebracht sind. Dort gibt | |
es nicht mal Heimleiter, an die sie sich wenden könnten. Eine | |
Hostelbesitzerin, die nicht namentlich genannt werden möchte, hatte schon | |
im Dezember und Januar für die bei ihr untergebrachten Flüchtlinge gekocht. | |
Um die Not wenigstens etwas zu lindern, hatte das Lageso rund 500 | |
Flüchtlingen am vergangenen Freitag erstmals 100 Euro pauschal ausgezahlt. | |
Darin sieht der Sozialsenator einen Teil der Lösung: Mario Czaja (CDU) | |
erklärte am Dienstag im Senat, es werde derzeit geprüft, ob die Heime | |
Abschläge direkt auszahlen könnten. Drei Heimbetreiber, das DRK, der | |
Internationale Bund und Prisod, hätten bereits „signalisiert, dass sie sich | |
das vorstellen könnten“, sagte Czaja. | |
Die Senatsverwaltung will außerdem eine neue Hotline einrichten, bei der | |
Heimbetreiber sich melden können, wenn Bewohner länger keine Versorgung | |
bekämen. Grund für die schleppende Bearbeitung ist laut Czaja, dass die | |
Hälfte der rund 70 Mitarbeiter der ZLA derzeit krank sind. „Vorher hat die | |
ZLA 600 bis 700 Termine am Tag geschafft, das wollen wir auch wieder | |
erreichen“, sagte er. | |
Politiker der Partei die Linke und der Grünen erklärten, es sei unfassbar, | |
dass Flüchtlinge in Berlin hungern müssten, weil der Senat seine Arbeit | |
nicht mache. Immer wieder habe Czaja versprochen, die Zustände am Lageso zu | |
verbessern, der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) dürfe nicht | |
länger tatenlos zusehen. | |
26 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
Berliner Senat | |
Hunger | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlinge | |
Schwerpunkt Flucht | |
Lageso | |
Lageso | |
Flughafen Tempelhof | |
Klaus Lederer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bessere Unterbringung: Flüchtlinge lassen Hotels boomen | |
Der Senat sucht dringend nach Lösungen, um Flüchtlinge schnell und besser | |
unterzubringen - und bestätigt Gespräche mit einem Hotelunternehmen. | |
Ehrenamtler in der Flüchtlingsarbeit: „Wir müssen uns entschuldigen“ | |
Ein ehrenamtlicher Helfer hat den Tod eines Flüchtlings gefakt. Diana | |
Henniges von „Moabit hilft“ über Öffentlichkeitsarbeit, Misstrauen und | |
Glaubwürdigkeit. | |
Versorgung von Flüchtlingen am Lageso: „Miserabler als in der Dritten Welt“ | |
Die Zustände am Lageso bergen große gesundheitliche Risiken, sagt der | |
Präsident der Berliner Ärztekammer. Ein Todesfall wäre keine Überraschung. | |
Angeblich toter Flüchtling am Lageso: Rätsel um einen möglichen Todesfall | |
Laut den Flüchtlingshelfern von „Moabit Hilft“ ist ein Flüchtling an | |
Kältefolgen gestorben. Nur wenige Stunden später gibt es erhebliche | |
Zweifel. | |
Desolate Zustände am Berliner Lageso: Flüchtling offenbar an Kälte gestorben | |
Dem Bündnis „Moabit Hilft!“ zufolge ist am Berliner Lageso ein 24-jähriger | |
syrischer Flüchtling gestorben. Die Berliner Regierung will den Fall nun | |
umgehend prüfen. | |
Debatte über das Tempelhofer Feld: Antworten am Fließband | |
Es geht um Senatspläne, für Flüchtlingsunterkünfte das Schutzgesetz fürs | |
Feld zu ändern. Die gut 1.500 Menschen diskutieren erstaunlich sachlich. | |
Berlin: Politikirrsinn nach Köln: Rein ins Ghetto, raus aus dem Ghetto | |
Auch Berliner Politiker beteiligen sich nun am munteren Vorschlagskarussell | |
nach den Ereignissen von Köln. Geht‘s noch? | |
Flüchtlingspolitik der Berliner Linkspartei: „Auch wenn das drei Prozent kos… | |
Der Spitzenkandidat der Linken, Klaus Lederer, will Flüchtlinge weiter | |
willkommen heißen, selbst wenn die Partei Stimmen verliert. Heftige Schelte | |
für Berliner Senat. |