| # taz.de -- Debatte über das Tempelhofer Feld: Antworten am Fließband | |
| > Es geht um Senatspläne, für Flüchtlingsunterkünfte das Schutzgesetz fürs | |
| > Feld zu ändern. Die gut 1.500 Menschen diskutieren erstaunlich sachlich. | |
| Bild: Komplett ausgebucht: Die Debatte am Donnerstagabend im Flughafen Tempelho… | |
| Berlin taz | Die vielen grauen Plastikstühle – 1.400 sollen es sein – | |
| stehen noch gerade ausgerichtet, als sich die einstige Abfertigungshalle | |
| des Flughafens Tempelhof leert. Das ist so berichtenswert, weil mehrere | |
| Politiker gewarnt hatten, die Bürgerversammlung zum Tempelhofer Feld könnte | |
| gesprengt werden, im Chaos enden. | |
| Doch es läuft anders an diesem Donnerstagabend: Nach zwei Stunden | |
| Informationen und Diskussion zur geplanten Änderung des Schutzgesetzes für | |
| das Feld zugunsten von Unterkünften für Flüchtlinge bleiben die Lager zwar | |
| gespalten. Aber auch die demokratischen Umgangsformen wurden gewahrt. | |
| Noch mehr Menschen als auf eben diese Plastiksitze passen füllen die Halle | |
| zu Beginn der Veranstaltung gegen 19 Uhr. Vor ihnen, auf dem Podium, warten | |
| vier Staatssekretäre, die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, | |
| Angelika Schöttler – und ein Moderator, der es schaffen wird, Stimmungen | |
| aufzufangen, einigermaßen neutral zu wirken und Fragen nicht auszublenden. | |
| Zu Beginn wird gesagt, wie es derzeit aussieht: Die Hälfte der sieben | |
| Hangars ist genutzt, gut 2.500 Flüchtlinge leben derzeit darin. Mit den vom | |
| Senat geplanten Behelfsbauten und Hallen sowie weiteren Hangars sollen es | |
| maximal 7.000 werden. Nicht als Dauerunterkunft, versichert man: Die Idee | |
| sei die einer großen Anlaufstelle mit medizinischer Versorgung, um die | |
| Flüchtlinge dann möglichst schnell in kleinere und dauerhafte Unterkünfte | |
| zu schicken. „Wir wissen alle, dass der Flughafen Tempelhof kein Ort ist, | |
| an dem Flüchtlinge über viele Monate leben sollten“, sagt | |
| Flüchtlings-Staatssekretär Dieter Glietsch (SPD). | |
| ## 3.000 neue Unterkunftsplätze | |
| Bislang konnten allerdings nur wenige von denen, die teils schon vor | |
| Monaten in die Hangars kamen, umziehen, räumt Bürgermeisterin Schöttler | |
| (SPD) ein. Glietsch setzt deswegen auf 3.000 neue, bessere | |
| Unterkunftsplätze, die in den nächsten Wochen anderswo fertig werden sollen | |
| – die Menschen aus den Hangars sollen als erste dorthin ziehen. | |
| Während Glietsch und Kollegen referieren und betonen, dass es um | |
| Behelfsbauten gehe, dass die Unterkünfte maximal drei Jahre stehen sollen | |
| und nur auf den befestigen Flächen neben dem Vorfeld, strecken dutzende | |
| Menschen im Publikum grüne Pappen nach oben. Darauf stehen Sätze wie „Es | |
| gibt Alternativen“ oder „Müller macht Flüchtlinge zu Menschen zweiter | |
| Klasse“. | |
| Als nach einer halben Stunde die Mikrofone für Fragen frei sind, findet | |
| sich eine Mischung von Flüchtlingshelfern, Feld-Bewahrern, | |
| Selbstdarstellern und auch zweien, die Berlin bereits für überlaufen | |
| halten. Aus vielen spricht tiefes Misstrauen gegenüber dem Senat und den | |
| ihn tragenden Parteien SPD und CDU. Auch Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek | |
| meldet sich. Tempelhof sei eine reine Verzweiflungsstrategie, sagt sie. | |
| Anders als so oft bei Bürgerversammlungen halten sich die meisten Redner | |
| und Frager an die Vorgabe, höchsten zwei Minuten zu sprechen, Beleidigungen | |
| bleiben aus. Widersprüche tun sich allerdings auf: Während die einen die | |
| bisherige Enge in den Hangars beklagen, die der Senat mit weiteren Bauten | |
| auf und neben dem betonierten Vorfeld des Flughafens auflockern will, ist | |
| es einem, der sich als Architekt vorstellt – „ich als Professor“ – zu v… | |
| Für ihn geht der Senatsentwurf verschwenderisch mit der Fläche um. Da müsse | |
| man sich jetzt mal entscheiden, antwortet Staatssekretär Christian Gaebler | |
| (SPD) aus der Stadtentwicklungsverwaltung: Wolle man nun mehr Platz für die | |
| Flüchtlinge oder nicht? | |
| ## Per Volksentscheid beschlossenes Schutzgesetz | |
| Als Alternativen werfen mehrere den Begriff „Bima-Liste“ in die Diskussion, | |
| jenes Papier, auf dem die so abgekürzte Bundesanstalt für | |
| Immobilienaufgaben dem Land 60 Standorte für Unterkünfte vorgeschlagen hat: | |
| Der Senat solle lieber diese Möglichkeiten nutzen, als das per | |
| Volksentscheid im Mai 2014 beschlossene Schutzgesetz für das Tempelhofer | |
| Feld zu verändern. Und wieder einmal ruft jemand danach, das „Haus der | |
| Statistik“ am Alexanderplatz zu nutzen. „Die Bima-Liste beschäftigt uns | |
| schon länger“, antwortet Sozial-Staatssekretär Dirk Gerstle (CDU). Aber das | |
| „Haus der Statistik“ sei eben wie viele Objekte auf der Liste keineswegs | |
| sofort nutzbar – drei Jahre wird es laut Gerstle dauern, bis es so weit | |
| ist. | |
| Tenor auf dem Podium: Und weil eben auch andere Umbauten dauerten, brauche | |
| man für den Übergang Großeinrichtungen wie in Tempelhof. Andere rufen nach | |
| Beschlagnahme leerstehender Häuser. Da ist es SPD-Mitglied Franziska | |
| Giffey, die Bürgemeisterin von Neukölln, die aufsteht und sagt, es gebe ein | |
| Grundgesetz: „Man kann nicht einfach überall reingehen und beschlagnahmen, | |
| was leer steht.“ Im Gesetz stehe aber auch, dass Eigentum verpflichte, | |
| kommt es aus dem Publikum zurück. | |
| Kurz vor halb zehn hat sich die Halle geleert, doch die Diskussion geht | |
| weiter: Am Dienstag stimmen erst die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU | |
| intern über die Gesetzesänderung ab, tags darauf der öffentliche tagende | |
| Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses und Donnerstag das | |
| komplette Parlament. | |
| 22 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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