| # taz.de -- Streit über völkische Altäre: Jesus, der Nazi-Märtyrer | |
| > Hannovers Landeskirche überlegt, wie sie mit den teils noch genutzten | |
| > Altären des NS-nahen Lübecker Künstlers Erich Klahn umgeht. | |
| Bild: Umstritten: Thomas-Altar mit dem Konterfei Leo Schlageters, eines Nazi-M�… | |
| Hamburg taz | Ein Altar mit Hakenkreuz? Gibt es nicht, möchte man sagen, | |
| nicht mehr hier in Deutschland, solche NS-Insignien wurden – wie die Runen | |
| im Mauerwerk von Kirchen aus der Nazizeit – längst entfernt. Aber gemach: | |
| Die Altäre des 1901 in Lübeck geborenen Künstlers Erich Klahn, dem | |
| inzwischen drei Gutachten eine große Nähe zum Nationalsozialismus und | |
| seiner antisemitisch-völkischen Ideologie bescheinigen, stehen noch | |
| unbehelligt an öffentlichen Orten: in den Klöstern Amelungsborn und | |
| Mariensee, in Abbehausen, der Stadtkirche Celle und der Christuskirche in | |
| Bad Eilsen, und einige sind Sonntag für Sonntag im liturgischen Gebrauch. | |
| Das ist all die Jahre nicht weiter aufgefallen, weil Klahn kein wichtiger | |
| Wegbereiter war, sondern eher Sympathisant, der in der zweiten Reihe stand. | |
| Deshalb hat er die Sonnenräder, Runen, Hakenkreuze und andere | |
| völkisch-germanische Symbole auch so unauffällig neben die christlichen | |
| gesetzt hat, dass der Normalbürger die Doppelbödigkeit schwer erkennt. | |
| Das Hakenkreuz des Karfreitagsaltars im Kloster Mariensee etwa wurde ans | |
| Scharnier geschmiedet, die Man-Rune der Abendmahlsszene des Abbehauser | |
| Altars als Fachwerk getarnt. Und dass der Christus des Amelungsborner | |
| Thomas-Altars stark an Klahns Porträt Albert Leo Schlageters erinnert, den | |
| die Nazis als Märtyrer verehrten: Wer weiß das schon? | |
| Aber, sagt der hannoversche Kunsthistoriker Herbert Pötter, dessen | |
| Gutachten die Hannoversche Landeskirche am 9. Februar vorstellte, all das | |
| war kein Zufall. Denn der Mix aus Symbolen mittelalterlicher Sakralkunst, | |
| religiöser Mystik, germanischen Runen und politischen Symbolen war bei den | |
| NS-nahen Deutschen Christen gang und gäbe. Und Klahns damalige kirchliche | |
| Auftraggeber wollten dies ausdrücklich. | |
| Klahn kam dem gern nach, war er doch nicht nur in jenem Flügel der | |
| niederdeutschen Bewegung aktiv, die dem Nationalsozialismus nahe stand, | |
| sondern unterstützte die völkisch-nationalistisch gesonnene Fehrsgilde. | |
| Zudem erhielt er 1943 den Lübecker Geibel-Preis, der als offizielle Ehrung | |
| des NS-Regimes galt, und war ab 1943 Mitglied der Reichskammer für bildende | |
| Künste. Später behauptete er, das sei erst 1944 gewesen, nannte den | |
| Geibel-Preis „unpolitisch“ und verschwieg seine frühe NSDAP-Mitgliedschaft. | |
| Im Entnazifizierungsverfahren kam Klahn, der sich immer wieder | |
| anti-demokratisch geäußert hatte, damit durch. | |
| Genau diese Gesinnung war ein Grund, warum die Hannoversche Klosterkammer | |
| bereits zwei Gutachten zur NS-Nähe Klahns anfertigen ließ. Denn sie will | |
| den im Kloster Mariensee verwahrten Klahn-Nachlass nicht mehr aus | |
| öffentlichen Mitteln finanzieren und kündigte den Stiftungsvertrag 2014. | |
| Doch Klahns Erben finden, es handele sich um eine Schenkung unter Auflagen, | |
| die man nicht einfach zurückgeben könne, und haben geklagt. Das | |
| Gerichtsverfahren läuft, denn es geht um viel Geld: Wer wird die | |
| Klahn-Werke künftig lagern, restaurieren, präsentieren? | |
| Und wie wird, andererseits, die Hannoversche Landeskirche umgehen mit den | |
| Altären, deren NS-Symbolik jetzt wissenschaftlich belegt ist? „Nun“, sagt | |
| Benjamin Simon-Henkelmann, der stellvertretende Pressesprecher, „die | |
| Landeskirche kann ja nicht irgendetwas verordnen.“ | |
| Man wolle vielmehr eine offene Diskussion, und die solle die Tagung | |
| „Künstler und Kirche im Dritten Reich – Mitgestalter oder Mitläufer?“ am | |
| 14. März der Evangelischen Akademie Loccum befördern, zu der „alle | |
| Interessierten herzlich eingeladen sind“. | |
| Dazu gehören auch die – der Landeskirche organisatorisch nicht verbundene – | |
| Klosterkammer sowie die Klahn-Erben. Letztere allerdings werden nicht auf | |
| dem Podium sitzen, so viel Öffentlichkeit will man dann doch nicht; gut | |
| erinnerlich ist noch, dass deren Anwalt Peter Raue Klahns | |
| NS-Parteimitgliedschaft als „Jugendsünde“ bezeichnet hatte. | |
| Stattdessen werden – und die Kuratoriumsvorsitzende der veranstaltenden | |
| Hanns-Lilje-Stiftung hat das bereits als fachlich unzureichend moniert – | |
| der Kunstreferent der Landeskirche sowie der Chef von Akademie und | |
| Lilje-Stiftung die Tagung leiten. | |
| Danach, sagt Simon-Henkelmann, werde die Landeskirche Handlungsempfehlungen | |
| erarbeiten, „und dann ist den jeweiligen Gemeinden überlassen, was sie mit | |
| den Altären tun“. Ganz entfernen wolle man sie aber nicht, hat | |
| Landesbischof Ralf Meister gesagt. „Denkbar wäre, Klahn in einer | |
| Ausstellung einzuordnen.“ | |
| 10 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
| ## TAGS | |
| Hannover | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Kunst | |
| NS-Forschung | |
| Hakenkreuz | |
| Germanen | |
| Schwerpunkt Cornelius Gurlitt | |
| Hamburger Kunsthalle | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| NS-Raubkunst | |
| Antisemitismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Streit um den Nachlass von Erich Klahn: Nazi-Kunstwerke kommen weg | |
| Hannovers Klosterkammer muss das Werk des NS-nahen Künstlers Erich Klahn | |
| nicht mehr zeigen und zahlt dafür 300.000 Euro an Klahns Erben. | |
| NS-Symbolik in Sachsen: Dorfumzug mit Hakenkreuz | |
| Bei einem historischen Festumzug in Ostsachsen liefen unter anderem als | |
| Wehrmachtssoldaten verkleidete Teilnehmer mit. Nun ermittelt die Polizei. | |
| „Terra X“ über die Römer in Deutschland: Germanen und andere Flüchtlinge | |
| Die Doku „Rom am Rhein“ hat erstaunlich aktuelle Bezüge. Damals wurden die | |
| Germanen von den Römern entwicklungspolitisch aufgepäppelt. | |
| Herkunft von NS-Raubkunst: Noch zu viel ist unerforscht | |
| Im Kulturausschuss des Bundestags wird debattiert, wie die | |
| Provenienzforschung zukünftig erfolgreicher gestaltet werden kann. | |
| Emil-Nolde-Ausstellung in Hamburg: Nazi, von Nazis verfolgt | |
| Einst verbrachte Emil Nolde einige Wochen in Hamburg und tauchte hier in | |
| das Hafenleben ein. Die Hamburger Kunsthalle betrachtet nun die lokale | |
| Rezeptionsgeschichte. | |
| Münchner Pinakothek der Moderne: Kamindekoration für den Führer | |
| Wie politisch sind nackte Frauen? „GegenKunst“ in der Münchner Pinakothek | |
| der Moderne konfrontiert Nazikunst mit „entarteter“ Malerei. | |
| Suche nach Raubkunst: Mit der Crowd auf Kunstjagd | |
| Reporter des Recherche-Start-ups „Follow the money“ suchen mit ihrem | |
| Publikum ein Gemälde, das 1938 viele Leben rettete. | |
| NS-Künstler Erich Klahn: Antijüdische Stereotype | |
| Das Lübecker Museum Behnhaus zeigt den „Ulenspiegel“ des wegen seiner | |
| NS-Nähe umstrittenen Künstlers Erich Klahn fast unkommentiert. | |
| Ende einer Dauerausstellung: Rechtsstreit um NS-nahen Künstler | |
| Die hannoversche Klosterkammer schloss kürzlich die Dauerausstellung mit | |
| Werken Erich Klahns wegen dessen Nähe zum Nazi-Regime. Die Klage der | |
| Stifter dagegen wird nun in Hannover verhandelt. |