# taz.de -- Streit um den Nachlass von Erich Klahn: Nazi-Kunstwerke kommen weg | |
> Hannovers Klosterkammer muss das Werk des NS-nahen Künstlers Erich Klahn | |
> nicht mehr zeigen und zahlt dafür 300.000 Euro an Klahns Erben. | |
Bild: Codiert: Amelungsborner Altar mit NS-Märtyrer Leo Schlageter als Jesus | |
HAMBURG taz | Der Streit um den Nachlass des NS-nahen Künstlers Erich Klahn | |
ist entschieden. Die Hannoversche Klosterkammer und die Erben haben einen | |
Vergleich geschlossen. Die Kammer zahlt dafür, dass sie das Werk nicht mehr | |
zeigen muss. | |
Und plötzlich reißen sich angeblich alle um Klahn. „Verschiedene deutsche | |
Museen“ seien interessiert, dem Nachlass des 1978 verstorbenen Lübecker | |
Malers eine neue Heimstatt zu bieten, „und kein Gesprächspartner hat sich | |
an Klahns angeblicher Nähe zum Nationalsozialismus gestört. Die ist ja auch | |
erstunken und erlogen“, sagt Peter Raue. Der Rechtsanwalt vertritt die | |
Erben des Künstlers, der NS-Runen auf Altarbilder malte, den NS-Märtyrer | |
Leo Schlageter als Jesus darstellte und ein Altar-Scharnier mit einem | |
Hakenkreuz garnierte. | |
Ausgestellt war der Nachlass seit 2001 im Kloster Mariensee bei Hannover – | |
mitgebracht von der Klahn-Witwe und späteren Äbtissin Barbara Bosse-Klahn. | |
Als „Schenkung unter Auflage“ hatte sie die Werke in eine rechtlich | |
„unselbstständige Stiftung“ gegeben. | |
Die wird, wie das Kloster Mariensee, getragen vom Hannoverschen | |
Klosterfonds, den die Klosterkammer verwaltet. Deren Direktor Andreas Hesse | |
fand es 2014 nicht mehr tragbar, den Nachlass eines NS-nahen Künstlers zu | |
pflegen. Er fand, der Stiftungsvertrag sei keine „Schenkung“, sondern ein | |
Treuhandvertrag – und kündigte ihn. | |
Klahns Erben klagten und behaupteten, Klahn sei kein NS-Sympathisant | |
gewesen. „Man muss erstmal definieren, was ein Nazi ist“, sagte Edda Bosse, | |
Schwiegertochter der Klahn-Witwe und Präsidentin der Bremischen | |
Evangelischen Kirche, zur taz. | |
## Drei Gutachten | |
Dabei hatten drei von der Klosterkammer initiierte Gutachten die | |
nationalsozialistische Gesinnung Klahns nachgewiesen. Neben den | |
künstlerischen Symbolen waren da die frühe Mitgliedschaft in der NSDAP – | |
allerdings ohne Nachweis von Mitgliedsbeitragszahlungen – sowie das | |
Engagement in der NS-freundlichen „Niederdeutschen Bewegung“. 1943 hat | |
Klahn den Geibel-Preis akzeptiert, eine hohe Ehrung des NS-Regimes. | |
Gestapo-Chef Hermann Göring bestellte 1940 einen Teppich bei Klahn. | |
Einen vierstelligen Betrag hätten diese Gutachten gekostet, sagt | |
Klosterkammer-Chef Hesse. Genützt hat es ihm nichts. Das Landgericht | |
Hannover erklärte die Vertragskündigung für unwirksam, das | |
Oberlandesgericht Celle wies die Berufung der Klosterkammer zurück. | |
Argumentiert wurde dabei stets formal: Eine „Schenkung unter Auflage“ könne | |
nicht zurückgegeben werden. | |
Von Rechts wegen wäre die Klosterkammer nach vierjährigem Prozessieren also | |
verpflichtet gewesen, den ungeliebten Nachlass weiter zu zeigen. Daher | |
haben sich Klosterkammer und Erben jetzt auf einen Vergleich geeinigt: Die | |
Klosterkammer zahlt den Erben 300.000 Euro für die Verlagerung des | |
Nachlasses aus Mariensee an einen anderen Ort, etwa eines der | |
interessierten Museen. Im Gegenzug muss Mariensee die Werke nicht mehr | |
öffentlich zeigen, bewahrt sie aber bis Mitte 2019 auf. | |
## Gescheiterte Gespräche | |
Warum hat die Klosterkammer diesen Vergleich nicht früher geschlossen und | |
Prozesskosten gespart? „Wir haben vor der Kündigung 2014 das Gespräch mit | |
den Erben gesucht“, sagt Hesse. „Sie haben damals Summen gefordert, die für | |
uns außerhalb des Möglichen lagen. Das ist jetzt anders.“ Erben-Anwalt Raue | |
kontert: „Die Klosterkammer zahlt jetzt ein Vielfaches dessen, was wir | |
damals gefordert haben.“ Ein Vergleichsangebot vor Prozessbeginn 2014 habe | |
Hesse zurückgewiesen. | |
Hesse sagt, das sei eine Fehlinterpretation. „Bevor wir den | |
Stiftungsvertrag gekündigt haben, haben wir umfangreiche Gespräche mit den | |
Erben geführt, um eine einvernehmliche Aufhebung der Stiftung zu | |
erreichen.“ Dies sei an deren Forderungen gescheitert. Die Behauptung | |
Raues, eine Mediation, „bei der die Erben mit einem Drittel des jetzt | |
Gezahlten einverstanden waren“, sei an Hesse gescheitert, wollte der am | |
Mittwoch nicht kommentieren. | |
Fest stehe aber, dass der jetzige Vergleich keine Niederlage bedeute. „Ein | |
Vergleich bedeutet, dass keine Seite klar siegt oder unterliegt“, sagt | |
Hesse. Zwar habe keins der Gerichte seine Entscheidung auf das Verhältnis | |
Klahns zum Nationalsozialismus gestützt. Darauf komme es aber nicht an, | |
findet Hesse. „Die Auseinandersetzung sowie die in ihrem Zusammenhang | |
erstellten Gutachten haben zu einer breiten öffentlichen Diskussion über | |
diesen Künstler geführt und die Aufarbeitung deutscher Geschichte | |
befördert. | |
8 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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