# taz.de -- Ende einer Dauerausstellung: Rechtsstreit um NS-nahen Künstler | |
> Die hannoversche Klosterkammer schloss kürzlich die Dauerausstellung mit | |
> Werken Erich Klahns wegen dessen Nähe zum Nazi-Regime. Die Klage der | |
> Stifter dagegen wird nun in Hannover verhandelt. | |
Bild: Schloss kurzfristig die Ausstellung mit Werken Erich Klahns: Kloster Mari… | |
HAMBURG taz | „Das waren dumme, völkische Sprüche. Jugendsünden.“ Anwalt | |
Peter Raue ist sicher, dass es nichts weiter auf sich hat mit der | |
NS-Vergangenheit des 1978 verstorbenen Oldenburger Künstlers Erich Klahn. | |
Der war Bildhauer und Maler, und seine Frau Barbara Bosse-Klahn stickte ab | |
1933 fast 100 Teppiche nach seinen Motiven. Noch heute sind Werke von ihm | |
in der Celler Stadtkirche und im Niedersächsischen Landtag zu sehen. | |
Nach Klahns Tod trat seine Frau als Äbtissin in das Kloster Mariensee bei | |
Hannover ein und brachte den Künstlernachlass gleich mit. Das Kloster | |
witterte eine neue Attraktion, richtete Museumsräume ein und zeigt seit | |
2001 rund 30 Klahn-Exponate. Hunderte weitere Werke, die Klahns Witwe der | |
Klosterkammer schenkte, lagern im Depot. | |
Formal kleidete man das Ganze in eine rechtlich unselbstständige Stiftung, | |
getragen vom Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds, den die Klosterkammer | |
verwaltet. Die verpflichtete sich, den treuhänderisch überlassenen Nachlass | |
zu pflegen und auszustellen. | |
Anfang Mai allerdings – und darüber verhandelt das Landgericht Hannover am | |
2. Juli – hat die Klosterkammer den Vertrag fristlos gekündigt, die | |
Ausstellung geschlossen und die Internetseite der Stiftung gesperrt. Denn | |
Klahn war NSDAP-Mitglied, und einen solchen Künstler will man nicht länger | |
aus öffentlichen Mitteln fördern. | |
Warum es nicht früher auffiel, ist unklar – jedenfalls gab die | |
Klosterkammer voriges Jahr beim Kunsthistoriker und Klahn-Biografen Henning | |
Repetzky ein Gutachten in Auftrag. „Ziel war es, Aufschluss über die | |
mutmaßlich völkisch-rassistische Orientierung des Künstlers und dessen | |
Verbindung zu nationalsozialistischen Organisationen zu erhalten“, sagt | |
Klosterkammerdirektor Andreas Hesse. | |
Tatsächlich bestätige das Gutachten, dass Klahn 1921 der NSDAP beitrat. Die | |
bis Februar 1945 überlieferten Briefe Klahns belegten zudem dessen | |
uneingeschränkte Bejahung des NS-Regimes. Auch hat Klahn laut Gutachten | |
erwogen, dem rechtsextremen „Freikorps Oberland“ beizutreten, das sich 1921 | |
an der Niederschlagung der oberschlesischen Aufstände beteiligte. | |
Zudem engagierte er sich in der völkisch geprägten „Niederdeutschen | |
Bewegung“ sowie in der „Ludendorff-Bewegung“, die beide | |
völkisch-rassistisch dachten. Und schließlich akzeptierte er 1943 den | |
Lübecker Emanuel-Geibel-Preis – zu einer Zeit, als die Nazis den | |
Kulturbetrieb bereits kontrollierten und jeden Anwärter auf „politische | |
Zuverlässigkeit“ prüften. | |
„Alles Verleumdungen“, sagt Anwalt Raue, der die Klahn-Nachkommen vertritt. | |
„Klahn hat der NSDAP nicht einmal Mitgliedsbeiträge gezahlt.“ Tatsächlich | |
bleibt das in der Schwebe, und auch Klahn schreibt, er sei nur nominelles | |
Mitglied gewesen. Zudem, sagt Raue, sei Klahns durchgehende Mitgliedschaft | |
in der – zwischen 1923 und 1925 verbotenen – NSDAP nicht belegt. Zwar | |
schreibt ein Freund 1931 an Klahn: „Bist du noch bei Hitler?“ Aber Raue | |
sagt, indirekte Beweisführung akzeptiere er nicht. | |
Allerdings scheint Klahn selbst seine Parteimitgliedschaft so problematisch | |
gefunden zu haben, dass er sie 1946 zunächst zugab, beim | |
Entnazifizierungsverfahren 1949 aber leugnete. | |
All dies war für die Klosterkammer Beweis genug: Es sei „ausgeschlossen, | |
öffentliche Mittel weiterhin für die Klahn-Stiftung bereitzustellen“, sagt | |
Direktor Hesse. Weil die Klahn-Nachkommen das anders sehen, haben sie eine | |
Einstweilige Verfügung beantragt, die jetzt in Hannover verhandelt wird. | |
Dabei geht es um Wert und Verbleib der Werke, „denn der Beschenkte kann das | |
Geschenk nicht einfach zurückgeben“, sagt Raue. „Und er kann damit nicht | |
nach Belieben verfahren und die Ausstellung schließen oder einlagern.“ So | |
jedenfalls interpretiere er den geschlossenen Vertrag. Und von Klahns | |
Parteimitgliedschaft habe die Kammer stets gewusst. | |
Auch Edda Bosse, Schwiegertochter der Klahn-Witwe und Vorsitzende des | |
Klahn-Freundeskreises, findet, „dass man erst einmal definieren muss, was | |
ein Nazi ist“. Denn erstens sei nicht belegt, dass Klahn Mitglied der | |
„historisch gültigen“ NSDAP ab 1925 gewesen sei. | |
Zweitens habe er weder dem Hitler-Kult gehuldigt noch Andersdenkende | |
diffamiert, „und wir sind dafür, dass das endlich seriös aufgearbeitet | |
wird“. Auch das Zweitgutachten des hannoverschen Geschichtsprofessors | |
Detlef Schmiechen-Ackermann, der bestätigt, dass Klahn, „intensiv in der | |
völkisch-nationalistischen Gedankenwelt verwurzelt war“, zweifelt sie an. | |
„Ich kenne den Herrn nicht.“ | |
Bleiben als Zeugen Klahns Werke, die er auch NS-Größen zur Verfügung | |
stellte. Gestapo-Chef Hermann Göring bestellte 1940 einen Teppich; ein | |
weiterer wurde 1943 im „Gästehaus der Reichsführung der NS-Frauenschaft“ | |
ausgestellt. Oft mischen sich darauf christliche und völkisch-germanische | |
Motive. Ein Scharnier des Karfreitags-Flügelaltars von 1939, bis vor Kurzem | |
in Mariensee zu sehen, zeigt zum Beispiel ein Hakenkreuz. Klahn schuf es | |
mit 38 Jahren. | |
2 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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