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# taz.de -- „Terra X“ über die Römer in Deutschland: Germanen und andere …
> Die Doku „Rom am Rhein“ hat erstaunlich aktuelle Bezüge. Damals wurden
> die Germanen von den Römern entwicklungspolitisch aufgepäppelt.
Bild: Die wilden Germanen verkauften wohl sogar das blonde Haar ihrer Frauen an…
Vor Jahren fand ich in einer italienischsprachigen Geschichte der deutschen
Literatur eine bemerkenswerte Beobachtung: dass nämlich die Aufteilung
zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland im Wesentlichen der
Linie des alten Limes, also des durch germanische Lande gezogenen
Grenzwalls des Römischen Reiches, entspräche.
Man kann das natürlich aus Diaspora-Perspektive bekritteln; aber bei
„katholisch“ denkt man hierzulande doch im Wesentlichen an das einst
römische Südbayern – und ans Rheinland: Der Geschichte und dem Erbe der
Römer dort widmet sich nun die dreiteilige Dokumentation „Rom am Rhein“ der
ZDF-Reihe „Terra X“.
Der Ton, der hier in dem populären Format angeschlagen wird, ist
interessant. „In die Wälder will niemand zurück“, heißt es etwa in einer
der zahlreichen Spielszenen. Und wer das sagt, ist ein romanisierter
Einwohner der Stadt Köln mit, wie man so merkwürdig sagt, germanischen
Wurzeln. Köln wird da gerade von den wilden Cousins aus dem Kaltregenwald
belagert.
Dass die römische Herrschaft aus der Perspektive der Untertanen als nicht
preiszugebender Fortschritt dargestellt wird, war in Deutschland die
längste Zeit mitnichten selbstverständlich. Lange vor den Nazis, seit den
Germanomanien des Humanismus und der Romantik, galten unsere Vorfahren als
freie und ungewaschene Naturburschen, die sich dem römischen Joch von
Fußbodenheizung und fließend Wasser entzogen. In Köln, klärt „Terra X“ …
war man hydrotechnisch erst 1872 wieder auf dem römischen Stand. Und, oh
Wunder: „Die Germanen integrierten sich.“
## Lieber Schweiß als Blut
Es ist diese Perspektive, die das ZDF-Format, das man ja nicht zuletzt sehr
gut mit Kindern anschauen kann, erfreulich macht; über kleine Schwächen,
wie eine Fixierung auf germanische, blonde Frauen, lässt sich so
hinwegsehen.
Denn mit Rom und den Germanen wurde ja immer – und gerade in letzter Zeit –
auch auf sehr stupide Art deutsche Politik gemacht. So entblödete sich der
Althistoriker Alexander Demandt Anfang des Jahres nicht, in einem von der
Zeitschrift Die politische Meinung bestellten Text von Germanen, „die
lieber Schweiß als Blut vergossen“, zu delirieren und ganz ohne Ironie den
Satz zu schreiben, „sie“, die Germanen, „waren arm, kinderreich,
kriegerisch und wanderfreudig“. So wie eben die Flüchtlinge in Idomeni ihre
Kinder in Schlamm und Kälte gebären, weil sie „wanderfreudig“ sind. Im
Interview mit der FAZ zog Demandt dann Frauke-Petry-mäßig blank: „Wir
müssen den Zustrom begrenzen. (...) Dazu muss man Härten in Kauf nehmen.“
Wundern konnte einen da weniger, dass die von der Konrad-Adenauer-Stiftung
verantwortete Zweimonatsschrift den Artikel – „gerade auch unter dem
Eindruck der Ereignisse zu Silvester (sic!) in Köln“ – nicht druckte,
wonach die seit der „Flüchtlingskrise“ in Teilen völkisch umgespritzte FAZ
einsprang; sondern dass man im CDU-Thinktank überhaupt einem erledigten
Fall wie Demandt einen Auftrag gab: War der doch in den letzten Jahren vor
allem durch Interviews in rechten Kampfblättern wie der Jungen Freiheit und
Roger Köppels Weltwoche (Zitat: „Die trotzige Haltung – sie steckt den
Deutschen im Blut“) aufgefallen.
„Die Gene des römischen Vielvölkerimperiums brechen immer wieder durch“,
behauptet der sympathisch durch die „Terra X“-Doku führende Archäologe
Professor Matthias Wemhoff zum Schluss. Wenn man weiß, dass die Tempel und
Paläste der Stadt Rom nicht von plündernden Germanen, sondern von römischen
Adligen zerstört wurden, die Säulen und Marmor für ihre eigenen Paläste
nutzen wollten, kann man schon ins Grübeln geraten: Was genau ist jetzt das
genetische Erbe in Köln: der Karneval, der Einsturz des Stadtarchivs, der
berüchtigte Klüngel oder die schlecht trainierte Polizei? Sicher ist nur
eines: Schuld am Kölsch sind die Römer nicht. Sie bevorzugten Wein, aus
Städten wie Trier, die in der Doku ebenfalls ausgiebig gewürdigt werden.
20 Mar 2016
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Germanen
Römer
Flüchtlinge
Vorurteile
Rhein
Rom
Schwerpunkt Flucht
Hannover
Römer
TV-Dokumentation
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