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# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Deutschland: Merkels Plan B?
> In CDU und CSU glauben nicht mehr viele an Merkels europäische Lösung.
> Ein Konzept aus Rheinland-Pfalz könnte die Kanzlerin retten.
Bild: Ziemlich beste Freundinnen: Angela Merkel (l.) und Julia Klöckner.
Berlin taz | Ja, es ist leicht, den Vorstoß von Julia Klöckner in der
Flüchtlingspolitik als Wahlkampfgeklingel abzutun. Allein der lustige Name.
„Plan A2“ hat die Christdemokratin aus Rheinland-Pfalz ihr Strategiepapier
genannt. „A2“, weil „Plan B“ zu sehr nach Kritik an der Bundeskanzlerin
klänge, die ja immer noch auf Plan A setzt, also darauf, sich mit anderen
EU-Staaten auf eine Verteilung der Flüchtlinge zu einigen. Nur glauben
immer weniger in CSU und CDU daran.
Klöckner will der SPD das Ministerpräsidentinnenamt in Rheinland-Pfalz
abjagen. Ist ihr Plan nur der durchsichtige Versuch einer Wahlkämpferin,
ihr Profil zu schärfen? Sicher auch. Aber es gibt einige Hinweise darauf,
dass die Ideen aus Mainz in der Bundespolitik noch wichtiger werden
könnten, als viele heute denken. Klöckners Strategiepapier, das der taz
vorliegt, klingt, als sei es über weite Strecken im Kanzleramt geschrieben
worden.
Die CSU rebelliert seit Monaten gegen Merkels Diktum offener Grenzen in
Europa, doch auch in der CDU wird es einsam um die Kanzlerin. Merkels
Rezepte funktionieren nicht schnell genug. Sie setzt bekanntlich auf eine
europäische Lösung, um die Einreise nach Deutschland zu dämpfen. Sie will
Staaten wie Griechenland dazu bringen, die Außengrenzen der EU besser zu
sichern. Außerdem arbeitet sie an einem Pakt mit der türkischen Regierung.
Die Türkei, ein wichtiges Transitland für syrische Flüchtlinge, soll
EU-Milliarden bekommen und dafür Flüchtlinge daran hindern, weiterzureisen.
Merkels Problem ist, dass dieser Plan Zeit braucht. Für viele EU-Staaten
ist es sehr bequem, dass Deutschland die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Sie
sehen keinen Handlungsbedarf. Merkel aber braucht rasche Ergebnisse, auch
in der CDU werden die Rufe nach einem Plan B lauter. Nun kommt der besagte
Vorstoß Klöckners ins Spiel.
## Stets loyal zur Kanzlerin
Die Rheinland-Pfälzerin setzt sich damit keineswegs von Merkel ab.
Ausdrücklich versichert sie, eine europäische Lösung sei nach wie vor
richtig. Aber sie betont auch: „Gleichzeitig müssen wir jetzt
innenpolitisch und in den bilateralen Beziehungen zu Nachbar- und
Transitländern einen Schritt weiter gehen.“ Es gehe um ein „zweigleisiges,
paralleles Vorgehen“.
Merkel dürfte mit der Veröffentlichung kein Problem haben. Klöckner
verhielt sich bisher stets loyal zur Kanzlerin, auch in der
Flüchtlingspolitik. „Einfach mal die Klappe halten und arbeiten“, bürstete
sie vor einer Woche im CDU-Vorstand die Kritiker der Kanzlerin ab.
Dass sich Klöckner ausgerechnet bei diesem brisanten Thema nicht mit der
Kanzlerin abgestimmt hat, ist unwahrscheinlich. CDU-Generalsekretär Peter
Tauber, ein bekennender Merkel-Unterstützer, lobte den Plan am Sonntag denn
auch demonstrativ. Bereitet Merkel über Klöckner einen Kurswechsel vor?
Das sind die wichtigsten Punkte aus dem Klöckner-Papier, das erst die
Ausgangslage analysiert, dann einen Vorschlag und seine Umsetzung
beschreibt:
Grenzzentren und Hotspots: Deutschland würde an den Grenzen Grenzzentren
einrichten. Nur noch über sie könnten Flüchtlinge einreisen. Diese Idee
dockt an die Transitzonen an. Jene hatte die CSU vor einigen Monaten
vorgeschlagen, die SPD hatte sie verhindert. Mit Staaten wie Italien,
Griechenland oder der Türkei würde Deutschland bilaterale Abkommen über
Hotspots abschließen. Dies wären ebenfalls Lager, in denen Flüchtlinge
registriert würden. Viele sollen von dort aus freiwillig in ihre Heimat
zurückkehren.
All das hieße nichts anderes als eine Abkehr von einer gemeinsamen
EU-Strategie. Künftig würde Deutschland unwillige EU-Staaten ignorieren und
mit willigen Partnern zusammenarbeiten. Andere Staaten müssen diese
Andeutung als handfeste Drohung interpretieren. Offen lässt das
Klöckner-Papier allerdings die Gretchenfrage: Was, wenn weiter sehr viele
Flüchtlinge über die grüne Grenze einreisen? Müsste Deutschland Zäune an
der Grenze bauen? Dazu heißt es nur vage: Jeder nicht registrierte
Flüchtling, der ohne Flüchtlingsausweis im Land aufgegriffen werde, werde
in die Zentren überführt.
Flexible Kontingente: Deutschland soll „eigene, tagesaktuelle Kontingente“
für Flüchtlinge in den Grenzzentren und Hotspots einführen. „Diese
Tageskontingente richten sich nach der Aufnahmefähigkeit der Länder und
Kommunen“, heißt es in dem Plan. Eine Reduzierung der Kontingente würde den
Anrainerstaaten der Balkanroute und Italien frühzeitig mitgeteilt.
Dies wäre faktisch eine Obergrenze, allerdings eine flexible. Deutschland
nähme nur noch eine selbst definierte Zahl an Flüchtlingen auf - und nicht
mehr alle, die zufällig vor der deutsch-österreichischen Grenze stehen.
Eine Kettenreaktion auf der Balkanroute wäre die Folge, auch andere Staaten
würden zumachen, weil sie fürchteten, auf Flüchtlingen sitzen zu bleiben.
Wie deutsche Grenzschützer die Einhaltung der Kontingente überwachen
sollen, lässt das Papier offen. Die Idee birgt für Merkel einigen Charme,
weil sie einen gesichtswahrenden Kompromiss zwischen ihr und Horst Seehofer
ermöglicht. Merkel könnte fixe Obergrenzen nach wie vor als Unfug
bezeichnen, Seehofer könnte sich dafür loben, eine harte Begrenzung
durchgesetzt zu haben.
Anreizsysteme: Das ist eine besonders schlaue - oder, je nach Sicht:
besonders perfide - Idee. Die Kontingente sollen größer werden, je größer
die Distanz zu Deutschland ist. Ein Flüchtling, der sich in einem Hotspot
an türkisch-syrischen Grenze meldet, hätte also größere Chancen auf Asyl in
Deutschland als einer, der es bis an die deutsch-österreichische Grenze
geschafft hat. Dies lasse den Weg über Schleuser direkt an die deutsche
Grenze „weniger chancenreich“ werden, argumentiert das Papier.
Klöckners Plan wurde am Sonntag prompt von der CSU gelobt.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der Passauer Neuen Presse, er
gehe in die richtige Richtung. „Über allem bleibt die Botschaft: Schnell
den Zustrom begrenzen.“ Merkel selbst hat angekündigt, nach dem anstehenden
EU-Gipfel am 18. und 19. Februar eine „Zwischenbilanz“ ziehen zu wollen.
Falls bis dahin andere EU-Staaten ihren Kurs weiter blockieren, könnte sie
parallel die beschriebenen Maßnahmen anschieben.
Hinter Klöckners Konzept mit der lustigen Überschrift „Plan A 2“ könnte
sich also in Wirklichkeit etwas sehr Wichtiges verbergen: Merkels Plan B.
24 Jan 2016
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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