# taz.de -- Juliane Nagel über die Angriffe in Leipzig: „Der feuchte Traum d… | |
> Am Abend des 11.01. fand Linke-Politikerin Juliane Nagel ihren Wahlkreis | |
> von Neonazis verwüstet vor. Der Angriff sei genau organisiert gewesen, | |
> sagt sie. | |
Bild: Legida Demo in Leipzig – kurz darauf demolierten Neonazis im Stadtteil … | |
taz: Wo waren Sie Montag Abend? | |
Juliane Nagel: Ich war in der Leipziger Innenstadt bei der | |
Legida-Versammlung. Dort hatte ich eine Demo angemeldet, um gegen deren | |
einjähriges Bestehen zu protestieren. Es hatten sich überregional viele | |
Teilnehmer angekündigt, die Dresdner Pegida-Veranstaltung wurde zugunsten | |
der von Leipzig abgesagt. Die Stimmung war noch aggressiver als sonst. | |
Wann erfuhren Sie, dass Neonazis parallel zur Legida-Kundgebung im | |
alternativen Stadtteil und ihrem Wahlkreis Connewitz randalieren? | |
Gegen sieben drangen erste Infos über Twitter durch. Nach Beendigung der | |
Legida-Demo fuhr ich dorthin. | |
Was fanden sie vor? | |
Connewitz war komplett abgeriegelt. Ich konnte allerdings dank meines | |
Abgeordneten-Ausweises das Viertel betreten. Es sah aus wie der feuchte | |
Traum von Neonazis: Überall waren Spuren der Verwüstung. Zerschlagene | |
Scheiben, mit Brettern zugenagelte Fenster. Herumliegende Sturmhauben. Die | |
Nazis haben insgesamt fast zwanzig Läden und vier Kneipen zerstört. | |
Wieso konnten die Neonazis unbemerkt in den links-geprägten Stadtteil | |
Connewitz marschieren und dort randalieren? | |
Es war eine konzertierte und genau organisierte Aktion. Die haben offenbar | |
ihre Autos in einem Radius von 500 Metern abgestellt und sind den Rest zu | |
Fuß gegangen, gekleidet in schwarz. An den Autos fand man bundesweite | |
Kennzeichen. | |
Warum waren keine linken Gegendemonstranten zur Stelle? | |
Viele Leute waren bei den Protesten gegen Legida. Außerdem waren die | |
Angreifer so schnell bei ihrer Aktion, dass es gar nicht mehr möglich war, | |
sich dem entgegenzustellen. Zudem waren die Gruppe absolut aggressiv und | |
damit eine akute Bedrohung für die Menschen im Kiez. | |
War der Polizeieinsatz aus Ihrer Sicht erfolgreich? | |
Die Polizei hatte wegen Legida ohnehin einen „breiten Raumschutz“ um den | |
Stadtbereich. Deswegen war die Polizei schnell hier und konnte die Neonazis | |
einkesseln. 211 von ihnen wurden festgesetzt. Am Montagabend gab es nichts | |
zu kritisieren. | |
Wie lässt sich der Überfall einordnen? | |
Es war der krasseste Angriff durch Neonazis in Connewitz seit 1990. 250 | |
randalierende Neonazis in Connewitz hat es dort seit der Wende nicht | |
gegeben. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im größeren | |
Zusammenhang eigentlich nur das I-Tüpfelchen rechter Gewalt ist. | |
Was meinen Sie? | |
Im gesamten letzten Jahr gab es bundesweit, insbesondere auch in Sachsen, | |
ständige Angriffe auf Geflüchtete und linke Aktivisten. Pro Asyl zählt 2015 | |
allein in Sachsen 145 Anschläge auf Asylunterkünfte. Es reiht sich ein in | |
eine gesellschaftliche Entwicklung. | |
Inwiefern? | |
Legida hat zwar nur einen konstant bleibenden harten Kern von etwa 500-700 | |
Teilnehmern, aber der gestrige Vorfall und der akute Anstieg von | |
Übergriffen lässt sich in die gesellschaftliche Stimmung und den von rechts | |
beeinflussten Diskurs einbetten. Hemmschwellen zu Gewalt fallen bei | |
Neonazis und vermeintlich normale Nachbarn, die rassistischen Stereotypen | |
aufsitzen, beteiligen sich auf einmal an Blockaden gegen Asylunterkünfte. | |
Auch im ach so weltoffenen Leipzig. | |
Die NPD und verschiedene Neonazis feierten noch während der Krawalle in den | |
sozialen Medien, deren vermeintlichen Erfolge. Kämpft die Rechte wieder | |
explizit „um die Straße“? | |
Die gewaltbereiten Neonazis, die an Pegida und Legida teilnehmen, | |
radikalisieren sich. Sie fühlen sich gestärkt durch den großen Zulauf bei | |
Pegida und stadtpolitische Diskurse. Vermeintliche Rechtspopulisten | |
predigen, die gewaltbereite Neonazis lassen Taten folgen. Durch die | |
Angriffe fühlen sie vermutlich gut organisiert und bestärkt, weil sie es | |
geschafft haben, die Angriffe parallel zur Legida-Demo durchzuführen. | |
Wer genau waren die 250 Neonazis, die dort randalierten? | |
Es waren eher jugendkulturell geprägte Nazis. Autonome Nationalisten, die | |
zu einem großen Teil zugleich Fußballfans und Nazis sind. Es gab | |
Vorankündigungen etwa von der „Brigade Halle“, einer | |
kameradschaftsähnlichen Struktur, die eine Schnittstellen zu vergleichbaren | |
Organisationen aufweist. Die Täter kommen aus einer Grauzone zwischen | |
Fußball und Politik. Dort sind sowohl Hooligans von Lok Leipzig, als auch | |
die „jungen Nationaldemokraten“ von der NPD anzutreffen. | |
Wenn es angekündigt wurde, warum ist es dann trotzdem passiert? | |
Im Zuge einer Demonstration vergangenen Dezember postete „Brigade Halle“ | |
bereits „Connewitz in Schutt und Asche legen“. Es gab Hinweise, dass viele | |
gewaltbereite Neonazis an der Legida-Demo aufgrund des einjährigen | |
Jubiläums teilnehmen wollten. Polizeikreise bestärkten im Vorfeld | |
allerdings eher das linke Feindbild. Hätte man genauer nach rechts | |
geschaut, hätte man das vielleicht sehen können. | |
Sind die Behörden immer noch auf dem rechten Auge blind? | |
Aus dem NSU hat man auf Bundesebene immer noch nichts gelernt. Aber in | |
Sachsen, dem Heimatland der Extremismus-These, ist es noch schlimmer: | |
Rechts und Links werden gleichgesetzt. Viele verteufeln die Linke sogar | |
mehr als die Rechte, die im Behördenverständnis noch zur Mitte gehört. Es | |
gibt hier keine staatliche Stelle, die Pegida und Legida wenigstens | |
Schnittmengen zum extrem rechten Spektrum attestiert. Sie verharmlosen es | |
als „Bürgerbewegung“ oder „rechtspopulistische Versammlungen“. | |
Am Montag durfte mit Hannes Ostendorf doch sogar ein HoGeSa-Initiator mit | |
seiner Band „Kategorie C“ auftreten. | |
Es ist absurd. Nach einer reinen extrem rechten Demo im vergangenen | |
Dezember hat die Polizei auch nur von Rechtspopulisten gesprochen, obwohl | |
es ein homogenes Nazibündnis war, das sich dort versammelte. Bis heute | |
steht das unwidersprochen im Raum. | |
Was kann man da noch machen? | |
Auf politischer Ebene wäre das Mindeste eine personelle Veränderung. Der | |
jetzige Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, | |
hat nicht gerade ein Händchen für die gesellschaftliche Bedrohungen. Der | |
ist selber Burschenschaftler und war V-Mann-Führer des NSU-Spitzel Piatto. | |
Äußerst fragwürdige Merkmale für einen Geheimdienst-Chef. | |
Wie geht die Landesregierung mit derartigen Problemen um? | |
Die CDU ist hier seit 25 Jahren an der Macht und zeigt immer nach links. | |
Überspitzt: Jeder von Autonomen zerstörte Mülleimer löst eine Debatte im | |
Landtag aus. Wir hatten 2015 in Sachsen 145 Angriffe auf Asylunterkünfte. | |
Die bleiben unbeachtet. | |
Auch Sie werden ihrerseits immer wieder aus der rechten Szene bedroht. Wie | |
gehen Sie mit rechter Gewalt um? | |
Früher war ich für die Neonazi-Szene die Anführerin der Antifa. Ich wurde | |
persönlich angegriffen und angefeindet. Durch Legida und Pegida ist es | |
natürlich nicht besser geworden. Das geht bis zu der Ankündigung, mir eine | |
„Kugel in den Kopf zu schießen“. Wegen fünf Drohbriefen habe ich im | |
vergangenen Jahr Anzeige erstattet. Die Verfahren wurden eingestellt. | |
13 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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