| # taz.de -- Einschätzung der Krawalle in Connewitz: Auf dem Pfad der Gewalt | |
| > Neonazis feiern die Randale von Leipzig. Die Ausschreitungen sind ein | |
| > weiterer Schritt einer sich derzeit radikalisierenden Szene. | |
| Bild: Hooligans werden in Leipzig von der Polizei eingekesselt. | |
| Berlin taz | Die rechten Claqueure waren schnell. „Connewitz wird eben mit | |
| dem Kärcher gereinigt“, frohlockte die Leipziger NPD via Twitter, noch | |
| während am Montagabend Gesinnungskameraden im Stadtteil Connewitz Scheiben | |
| einwarfen. Andere Neonazis legten nach. „Jeder bekommt, was er verdient“, | |
| schrieben sie im Internet. Oder, schlicht: „Herrlich“. | |
| Trotz der offenen Gewalt in Leipzig: Die rechte Szene gibt sich nicht | |
| bedeckt. Im Gegenteil: Sie feiert diese. Die Randale von Connewitz ist | |
| damit nur ein weiterer Schritt einer rechtsextremen Szene, die sich | |
| hierzulande stetig radikalisiert. | |
| Die Strategie der seriösen Radikalität, welche gerade die NPD lange | |
| predigte – der nach außen biedere Auftritt, die Ausbreitungsversuche in den | |
| Parlamenten – sie ist für weite Teile der Szene passé. Stattdessen greifen | |
| Neonazis immer unverhohlener, immer häufiger zur Gewalt. | |
| Einer der ersten Wendepunkte war die eskalierte Demonstration von Hogesa | |
| (“Hooligans gegen Salafisten“) im Oktober 2014. Neonazis und Hooligans | |
| randalierten in der Kölner Innenstadt. Zurück blieben 45 verletzte | |
| Polizisten. | |
| ## „Kampf um die Straße“ | |
| Bereits diese Randale wurde in der Szene gefeiert – ebenso wie die | |
| Ausschreitungen einige Monate später im sächsischen Heidenau. Dort | |
| randalierten im vergangenen Jahr Rechtsextreme über Stunden vor einer | |
| Flüchtlingsunterkunft. | |
| Die rechte Szene münzte beides als vermeintliche Erfolge im seit Jahren | |
| propagierten „Kampf um die Straße“ – und sieht sich im Aufwind. „Euer … | |
| beginnt in Connewitz“, drohten Rechtsextreme nach den Leipziger | |
| Ausschreitungen ihren linken Gegnern. | |
| Für die Polizeibehörden stellen die Neonazis ein wachsenden | |
| Sicherheitsproblem dar. Jeder zweite Rechtsextremist gilt ihnen inzwischen | |
| als gewaltbereit. 990 rechte Gewalttaten zählten die Sicherheitsbehörden | |
| schon 2014, dem Hogesa-Jahr – ein Anstieg um 23 Prozent zum Vorjahr. 2015 | |
| lagen bereits die vorläufigen Zahlen bis Ende Oktober bei 759 | |
| Gewaltdelikten; Nachmeldungen nicht inbegriffen. | |
| Hinter den Zahlen liegen die vervielfachten Übergriffe auf | |
| Flüchtlingsunterkünfte oder direkte Attacken gegen Asylbewerber. Im Fall | |
| einer Neonazi-Gruppe, der Oldschool Society, ermittelt gar die | |
| Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts des Rechtsterrorismus. Im Sog der | |
| rechten Gewalt handelte auch der Neonazi Frank S., der im Oktober 2015 die | |
| Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henrietter Reker wegen ihrer | |
| Flüchtlingspolitik niederstach. | |
| ## „Wechselwirkungsspirale“ | |
| Von einer „weitgehenden Radikalisierung deutscher Rechtsextremisten“, | |
| angetrieben vor allem durch die Flüchtlingsdebatte, sprach zuletzt der | |
| Verfassungsschutz. Die Szene wähne sich im „festen Glauben“ an einen | |
| bevorstehenden Bürgerkrieg. | |
| Die Sicherheitsbehörden warnten aber auch auch bereits vor | |
| Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Linken, die zu einer | |
| „Wechselwirkungsspirale“ und „erheblichen Gewalteskalation“ führen kö… | |
| So kommt auch die Gewalt von Leipzig nur bedingt überraschend. Erst Mitte | |
| Dezember hatten Autonome einen Neonazi-Aufmarsch in der Stadt mit Krawallen | |
| begleitet. Die rechte Szene sann offen nach Rache. | |
| Unter dem Titel „Sturm auf Leipzig“ kursierten auf Internetseiten der | |
| rechten und Hooligan-Szene Aufrufe, am Montag nach Leipzig zu reisen. „Es | |
| beginnt, holen wir unser Land zurück.“ Die „Freie Kameradschaft Dresden“ | |
| kündigte eine „Überraschung“ an, „Montag alle Mann nach Leipzig!“. | |
| Die anschließende Randale erfolgte nur einen Abend, nachdem in Köln rechte | |
| Schlägertrupps wahllos auf Migranten losgingen – als selbsternannte | |
| Revanche nach den Silvesterübergriffen auf Frauen am Hauptbahnhof. Die | |
| Polizei zählte mehrere Verletzte. Auch dieser Exzess war über das Internet | |
| verabredet. Die Akte der Gewalt mehren sich. Die Sicherheitsbehörden | |
| dürften alarmiert sein. | |
| 12 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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