| # taz.de -- Prozess gegen „Oldschool Society“: Aktionen fürs Vaterland | |
| > Es ist die erste Anklage wegen Rechtsterrorismus seit dem NSU: Die vier | |
| > angeklagten Neonazis weisen den Terrorvorwurf zurück. | |
| Bild: Die Angeklagten und ihre Verteidiger im Gerichtsaal | |
| München taz | Diesmal haben sie kein Interesse an Öffentlichkeit. Olaf O. | |
| verbirgt sein Gesicht hinter einem Notizblock, als er den Saal B277 des | |
| Münchner Oberlandesgerichts betritt. Markus W. dreht sich schnell zur Wand, | |
| weg von den Fotografen. Auch Denise G. wendet sich ab. Einzig Andreas H., | |
| der mutmaßliche Präsident der Gruppe, blickt in die Kameras, mustert den | |
| Saal, runzelt die Stirn. Aussagen will H. aber vorerst nicht. Auch W. | |
| blickt nur abschätzig, als er in einer Prozesspause vom Journalisten zu den | |
| Vorwürfen gefragt wird. | |
| Das Quartett war nicht immer so verschwiegen. Offen präsentierte es sich | |
| mit seiner Neonazigruppe auf einer Facebookseite: der „Oldschool Society“ | |
| (OSS). Nun sind die vier die ersten angeklagten Rechtsterroristen seit dem | |
| „Nationalsozialistischen Untergrund“. 2011 flog der NSU auf, zehn Menschen | |
| hatte die Gruppe getötet. Nur wenige Flure weiter im Münchner Gericht wird | |
| seit drei Jahren Beate Zschäpe der Prozess gemacht. | |
| Der Slogan der „Oldschool Society“ war martialisch: „Eine Kugel reicht | |
| nicht.“ Man plane „kostenintensive Aktionen für unser Vaterland“, hieß … | |
| Dann rückten im Mai 2015 Spezialeinheiten der Bundespolizei an. | |
| Die Gruppe habe terroristische Anschläge auf Asylunterkünfte geplant, mit | |
| Brand- oder Nagelbomben, verliest Bundesstaatsanwalt Jörn Hauschild am | |
| Mittwoch die Anklage. Die vier Angeklagten hätten den „Geheimrat“ der Zelle | |
| gebildet, mit Andreas H., einem 57-jährigen Augsburger als „Präsidenten“, | |
| und Markus W., 40 Jahre, aus dem sächsischen Borna, als Stellvertreter. W.s | |
| Partnerin Denise G., mit 23 Jahren die Jüngste, sei „Schriftführerin“ | |
| gewesen, und Olaf O. aus Bochum, 47 Jahre, der „Pressesprecher“. | |
| Tatsächlich kommunizierte die Gruppe neben dem offenen Facebookprofil etwa | |
| in WhatsApp- oder Telegramgruppen – und schaukelte sich dort immer weiter | |
| hoch. Hier war die Rede vom „bewaffneten Kampf gegen Salafisten“ und davon, | |
| „wer bereit wäre, auch in den Knast zu gehen für irgendwelche Taten“. In | |
| einem Telefonat schlug Markus W. vor, einen Böller mit Nägeln zu | |
| präparieren und dann: „Im Asylheim Fenster eingeschmissen und das Ding | |
| hinterhergejagt“. Präsident Andreas H. pflichtete bei: „Wär schon so nach | |
| meinem Geschmack.“ | |
| Für die Bundesanwaltschaft war das genug, um von Rechtsterrorismus zu | |
| sprechen – und ein Signal zu setzen. Nach einem Jahr ausufernder Gewalt | |
| gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte will der Staat nun Härte zeigen. | |
| ## Neonazis alten Schlags | |
| Mit dem NSU-Trio haben die Angeklagten im Saal B277 indes wenig gemein. Das | |
| Trio um Beate Zschäpe hatte sich über Jahre radikalisiert und später im | |
| Untergrund gelebt. Der mutmaßliche „Oldschool Society“-Anführer Andreas H. | |
| pflegte dagegen anfangs ein Facebookprofil mit Klarnamen. „Ich wehre mich | |
| jetzt, mit meinen Freunden der OSS“, schrieb er dort. Daneben arbeitete er | |
| in Augsburg weiter als Maler. In München sitzt er in Karohemd und | |
| Turnschuhen, die Brille auf die Nasenspitze gerutscht. | |
| Die anderen drei scheinen Neonazi-Skinheads alten Schlags zu sein mit eher | |
| schlichtem Gemüt. Markus W. ist kahlgeschoren, stämmig, Tattoos auf Hals | |
| und Armen. Auch Olaf O. ist tätowiert, er trägt Tarnfleckhose. Denise G. | |
| vergräbt sich hinter ihrer Lederjacke, ihr Gesicht zieren Piercings. | |
| Auf der Gewinnerseite des Lebens standen sie nicht. Der Richter fragt nach | |
| Denise G.s Arbeit. „Nischt, arbeitslos“, gibt die zurück. Auch Olaf O. war | |
| die letzten Jahre ohne Job. In der Schule habe er eine „Ehrenrunde | |
| gedreht“, sagt er am Mittwoch. Seine Arbeit als Opel-Arbeiter gab er auf, | |
| seine Frau verließ ihn. Markus W. brach zwei Lehren ab. | |
| Dann folgten Jahre der Arbeitslosigkeit Drogenkonsum, Haftstrafen, drei | |
| Kinder mit drei Frauen, eine Partnerin brannte mit einem Türken durch. Am | |
| Ende arbeitete W. als Sicherheitsmann, zuletzt auch in einem Asylheim in | |
| Leipzig. Respektlos sei er von den Flüchtlingen behandelt worden, sagt | |
| Markus W. am Mittwoch vor Gericht. Er habe gekündigt. „Sonst hätte es da | |
| schon geknallt.“ | |
| ## Monatelange Ermittlungen | |
| Gewalt ja, aber Terrorismus? Ihre Verteidiger weisen das zurück. „Da wurde | |
| viel schwadroniert, aber das waren keine konkreten Pläne“, sagt der Anwalt | |
| von Denise G. Ein Kollege ergänzt, die Gruppe habe vor allem gesoffen, | |
| keine einzige Gewalttat sei ihr zuzurechnen. „Die Anklage gehört | |
| eingedampft.“ | |
| Nur: Die Gruppe war straff organisiert. Und Gewalt war längst keine | |
| Fantasie mehr. | |
| Vor einem Treffen der Gruppe im Mai 2015 in einer Kleingartenanlage in | |
| Borna hatten Markus W. und Denise G. bereits illegale Pyrotechnik aus | |
| Tschechien besorgt, Böller namens „La Bomba“ und „Viper 12“. Für das | |
| Treffen wurde aufgefordert, nüchtern und in neutraler schwarzer Kleidung zu | |
| erscheinen, „für eine eventuell stattfindende Aktion“. Olaf O. hatte dafür | |
| auch schon Vorschläge: „Nachtwanderung auf jeden Fall, mögliches Ziel: | |
| Asylantenheim, Antifa-Quartier oder Ölaugen umschuppen“. Die Ermittler | |
| gehen davon aus, dass es am Ende eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft bei | |
| Borna treffen sollte. Dem kam die Polizei mit ihren Razzien zuvor. | |
| Über Monate hatten sich die Ermittler in die Kommunikation der Gruppe | |
| eingeklinkt. Bereits im Sommer 2014 wurde der Verfassungsschutz auf die | |
| Neonazis aufmerksam, später führten die Behörden eine Quelle direkt im | |
| Umfeld der Gruppe. Und spürten auch die politische Seite der Angeklagten | |
| auf. Olaf O. bewegte sich im Hogesa-Spektrum, Andreas H. hielt früher zur | |
| NPD. Markus W. gehörte zur 2012 verbotenen Kameradschaft „Aachener Land“. | |
| Gegen das mutmaßliche Führungsquartett soll im November das Urteil fallen. | |
| 27 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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