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# taz.de -- Ökomode auf der Fashion Week: Ein Hauch von Birkenstock
> Auf der Fashion Week wird eine Menge nachhaltige Mode gezeigt. Doch
> Ökomode macht noch immer einen geringen Anteil am Gesamtmarkt aus.
Bild: Voll korrekt: Grüne Mode auf der Fashion Week in Berlin.
Berlin taz | Modenschauen sind seltsame Spektakel. In der ersten Reihe
tuscheln Schauspielerinnen oder Models, je teurer die Marke, je bekannter.
Daneben oder dahinter JournalistInnen, die angestrengt nicht in die
schicken Tüten linsen, die ihnen die PR-Abteilungen der Unternehmen auf den
Sitzplatz gestellt haben; dahinter, ungesehen von Kameras und
Scheinwerferlicht, die Hauptpersonen: Einkäufer von Modehäusern, Boutiquen,
Ketten. Weil hierzulande eigentlich kaum jemand noch Kleidung braucht – der
deutsche Markt gilt als „gesättigt“ –, werden die Kollektionen in Szener…
von Kunstperformances oder Popkonzerten angepriesen: Markenbildung ist
alles.
Um die 7,4 Milliarden Euro setzt die deutsche Bekleidungsindustrie laut
Modeverband Germanfashion jährlich um. Wie groß der Anteil von ökologisch
und fair produzierten Hosen und Pullovern daran ist, ist unbekannt. Öko
heißt, von der Biobaumwolle über die Chemikalien, die beim Weben oder
Färben nötig sind, bis zur Abdichtung der Regenjacke muss alles ungiftig
und ressourcenschonend sein – das garantiert das Siegel Global Organic
Textile Standard (Gots); fair heißt, dass etwa die Näherinnen in den
Textilfabriken Asiens oder Osteuropas sich gewerkschaftlich organisieren,
im Krankheitsfall weiter bezahlt werden und von ihren Löhnen gut leben
können.
Firmen, die das garantieren, können sich das etwa von der Fair Wear
Foundation (FWF) bestätigen lassen. Gots und FWF sind zwei
vertrauenswürdige unter über 100 Siegeln, teils guten, teils schlechten.
Gesetzlich sind die Begriffe nicht definiert, darum gibt es auch – anders
als im Lebensmittelbereich – keine offiziellen Statistiken über die Ökos in
der Bekleidungsindustrie. Das Umweltbundesamt hat in einer Studie den
Anteil an Biokleidung am Gesamtmarkt auf unter ein Prozent geschätzt.
Sieht man den großen Zuspruch, den die beiden „Öko-Ableger“ Greenshowroom
und Ethical Fashion Show auf der Berliner Modemesse Fashion Week bekommen,
dann befindet sich die kleine Branche allerdings im Aufwind: Mit 166
Ausstellern machen so viele Unternehmen mit wie noch nie, die auf faire und
ökologische Produktion setzen und das durch entsprechende Gots- und
FW-Zertifikate belegen. Auf den beiden Messen, auf denen sich früher
Reformhäuser und Naturwarenläden über das Angebot von Ökoklamotten
informierten, tauchen zunehmend Einkäufer großer Boutiquen und
Handelsketten auf. Schaffen es die Ökos jetzt also aus der Nische?
„Aufseiten des konventionellen Handels herrscht eine extreme Nachfrage“,
beobachtet Claudia Lanius, Chefin des Kölner Labels Lanius. Vor allem die
„soziale Verantwortung“ werde immer höher gewichtet, sagt die Designerin.
„Die Nische selbst wird größer“, beobachtet hingegen Robert Diekmann, ein…
der Geschäftsführer des Hamburger Streetwearlabels Recolution, „aber aus
der Nische heraustreten, das ist schwierig.“ Recolution habe sich
inzwischen ein Händlernetz von 120 spezialisierten Eco-Fashion-Stores
aufgebaut, ständig eröffneten neue Läden.
Am Anfang hat Recolution seine Hoodies und T-Shirts vor allem online
verkauft, inzwischen gehen zwei Drittel der Waren im stationären Handel
über den Ladentisch. Die Berliner Marke Slowmo hingegen hat sich aus den
Läden zurückgezogen und setzt nun voll auf den Onlinehandel. „So können wir
unseren Kunden den besten Preis anbieten, ohne dafür auf faire Löhne und
biologische Materialien verzichten zu müssen“, sagt Gründer Melchior Moss.
## Hessnatur ist enttäuscht
Branchenprimus Hessnatur, Versandhändler aus dem hessischen Butzbach, hat
sich enttäuscht von dem Versuch verabschiedet, seine Kollektionen
beispielsweise bei Peek & Cloppenburg anzubieten. Viele konventionelle
Händler hätten noch immer Bedenken, sich eine ökofaire Kollektion neben die
üblichen Waren zu hängen, berichtet Sven Bergmann, Sprecher von Hessnatur,
weil diese dann entwertet werden könnten. Oder als „böse“ gelabelt werden
könnten, berichten andere aus der Branche.
Annette Hempel hält diese Diskussion für Unfug: In ihrem Modehaus Hempel in
Wolfsburg ist Kleidung mit Biosiegel ganz selbstverständlich ein Teil des
Angebots, neben den übrigen Marken – allerdings mit einem Anteil von nicht
einmal 1 Prozent. „Wir wünschen uns mehr Anbieter, die unserem Modegrad
entsprechen“, sagt Geschäftsführerin Hempel, „und die ein gutes
Preis-Leistung-Verhältnis bieten“.
Den größten Erfolg hat sie mit Marken, die junge Käufer mit legerer
Alltagskleidung ansprechen, etwa Armed Angels aus Köln oder Jeansmarken wie
Good Society aus Hamburg – deren Jeans und Shirts kosten zwar mehr als bei
H & M oder C & A, sind aber auch nicht teurer als Markenklamotten wie Tom
Tailor oder Marc O’Polo. Doch schicke Mode verbinden viele Kunden noch
immer nicht mit öko.
Genau das will Hessnatur ändern – und zeigt seine neueste Kollektion in
Berlin nicht mehr auf der Greenshowroom, sondern im superschicken Hotel de
Rome unweit des Berliner Gendarmenmarkts. Wichtig sei, sagt Bergmann von
Hessnatur, die „Konvergenz der Systeme“: Die Ökohersteller müssten sich
modisch auf den Rest der Branche zubewegen, und der Rest der Branche müsse
so nachhaltig produzieren wie die Ökohersteller. „Ist nur die Frage, wer
schneller ist“, sagt er.
Tchibo, in Deutschland einer der großen Textilhändler, beeilt sich schon
mal. Das ganze Unternehmen hat sich Gots-zertifizieren lassen und will
damit seinen rund 900 Zulieferern aus allen Warengruppen signalisieren,
dass man das Thema Nachhaltigkeit ernst nimmt. 85 Prozent der eingesetzten
Baumwolle wurde 2015 ökologisch erzeugt – das macht die Hamburger laut der
US-Organisation Textile Exchange zum weltweit drittgrößten Anbieter von
Biobaumwolle, nach H & M und C & A. Bis auch der Rest der langen
Lieferkette ihrer Kleidungstücke ökologisch und fair produziert sind, haben
sie allerdings noch einiges vor sich.
18 Jan 2016
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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