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# taz.de -- Film „The True Cost“ über Textilindustrie: Der Preis der Syste…
> Für seinen Dokumentarfilm „The True Cost“ bereist der Filmemacher Andrew
> Morgen die Schauplätze der globalen Textilindustrie.
Bild: Würden Sie in dieser Textilfabrik arbeiten wollen, wie man sie hier in �…
Die Näherin Shima liegt mit ihrer Tochter Nadja auf einem Schiff. Das
kleine Mädchen hat ihren Kopf auf die Schulter der Mutter gelegt. Die
Kamera saugt sich an den beiden fest, an diesem Bild voll Geborgenheit und
Vertrautheit. Shima arbeitet als Näherin in Dhaka, Bangladesch, von früh
bis spät. Um ihre Tochter kann sie sich nicht kümmern, sie hat nicht genug
Geld für eine gute Schule, sie hat für überhaupt nichts genug Geld.
Also bringt sie ihre Tochter ins Dorf zu ihren Eltern. In einem Jahr wird
sie sie wiedersehen. Mit der 23 Sekunden langen Sequenz von Shima und Nadja
auf dem Schiff findet der Film „The True Cost“ ganz ruhig ein berührendes
Bild für einen der großen Skandale unserer Zeit: die Lage der Arbeiterinnen
in der globalen Textilindustrie.
Der amerikanische Filmemacher Andrew Morgan hat für ihn die halbe Welt
bereist und zeigt die Schauplätze, an denen „Fast Fashion“ entsteht:
Kleidung als Wegwerfartikel. Von London nach Port au Prince auf Haiti bis
Dhaka, von New York über Hongkong bis ins indische Kanpur.
Dort trifft er Lederarbeiter, deren Kinder an Leberkrebs leiden, weil das
giftige Gerbemittel Chrom VI von den Gerbereien in die Flüsse und damit in
die Nahrungskette gelangt; er spricht mit einer amerikanischen
Baumwollfarmerin, deren Mann mit 50 Jahren an einem Hirntumor starb,
vermutlich wegen des Umgangs mit giftigen Ackergiften, die massenhaft auf
Baumwollfelder gespritzt werden, und er begleitet eine Londoner Designerin,
die mit einem öko-fairen Label einen neuen, einen anderen Weg geht.
Morgan spricht mit Politikern, Umwelt- und Menschenrechtsaktivistinnen, mit
Journalisten, Autoren, Psychologen, die sich mit der Modeindustrie befasst
haben, und er nennt eindrucksvolle Zahlen: In den 60er Jahren wurden 95
Prozent aller Kleidung in den USA im Land hergestellt, heute sind es nur
noch 3 Prozent. 80 Milliarden Kleidungsstücke kaufen die Amerikaner
jährlich, 400 Prozent mehr als vor 20 Jahren.
## Feuerwerk von Interviews und Informationen
Ein Feuerwerk von Interviews und Informationen schießt der Film ab – der
Filmemacher ist empört. Hochglanzschöne Bilder aus Werbeclips und von
Modenschauen werden gegen schäumende Flüsse und Tote aus dem eingestürzten
Fabrikgebäude Rana Plaza in Bangladesch geschnitten.
Das ist, so die Botschaft an das Publikum in den reichen Ländern, das wahre
Gesicht eures Konsumkapitalismus. Nur – gibt es irgendjemanden über 16, der
sich Dokumentarfilme ansieht und das noch nicht weiß? Irgendwann, wenn
Morgan das erste Mal den Ökonomen Richard Wolff interviewt, fällt endlich
die Systemfrage. Das wahre Problem, sagt Wolff, sei nämlich das System
selbst.
Morgan sagt, anfangs habe er nicht viel über Mode gewusst, er sei mit
nichts als ein paar Fragen gestartet. Das ist ein guter Einstieg in ein
Thema. Aber viel Interesse daran hat er auch während des Drehs nicht
entwickelt; zumindest nicht für die Diskussionen, die gerade innerhalb der
Textilindustrie geführt werden über einen notwendigen Wandel.
Die Entschädigungszahlungen an die Opfer von Rana Plaza kommen nicht vor
und nicht der steigende Anteil von Biobaumwolle in konventioneller Ware;
Organisationen wie die Fair Wear Foundation, die mit den Unternehmen an
besseren Sozialstandards arbeitet, fehlen genauso wie NGOs, etwa die Clean
Clothes Campaign. Nichts, was das Dampfbad der Empörung abkühlen könnte.
Insofern ist „The True Cost“ letztlich unpolitisch.
21 Jan 2016
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Dokumentarfilm
Textilindustrie
Indien
Kleidung
Chemikalien
Mode
Grüne Woche
Rana Plaza
Schwerpunkt Korruption
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