# taz.de -- Rana-Plaza-Entschädigung in Bangladesch: „Kein Konzept für die … | |
> Aus einem freiwilligen Fonds wurden die Opfer des Fabrikeinsturzes in | |
> Bangladesch entschädigt. Das sollte nicht zur Norm werden, meint der | |
> Leiter des Fonds. | |
Bild: Entschädigt ohne Schuldeingeständnis: Fatema verlor zwei Kinder beim Ei… | |
taz: Herr Kazazi, Sie haben den Entschädigungsfonds für die Opfer des | |
Einsturzes des Rana Plaza-Fabrikgebäudes verwaltet, bei dem 2013 mehr als | |
1.100 Menschen starben. Jetzt sind Sie Chef des Entschädigungsfonds für die | |
Opfer des Tazreen-Brandes. Läuft dieses Verfahren jetzt genau so ab? | |
Mojtaba Kazazi: Es ist sehr ähnlich, aber in vielerlei Hinsicht einfacher, | |
weil es viel weniger Betroffene gibt – hier kamen 2012 vermutlich 117 | |
Menschen ums Leben. Wir haben bisher die Ansprüche der Hinterbliebenen der | |
Todesopfer erhalten und beginnen jetzt, die Ansprüche der Verletzten zu | |
sammeln. Wir sind in guter Verfassung, weil mehrere Firmen bereits Gelder | |
zugesagt haben – anders als beim Rana Plaza, wo es zwei Jahre brauchte, um | |
das Geld zusammenzubekommen. | |
Das Entschädigungsverfahren beim Rana Plaza ist weithin gelobt worden. Wird | |
sich das Modell nun in Bangladesch etablieren? | |
Ich hoffe, nicht. Das ist ein Ad-hoc-Ansatz, der viel Arbeit, guten Willen | |
und Geld braucht. Dieses Experiment ist erfolgreich gewesen, aber es sollte | |
nicht die Norm werden, denn es ist nicht der beste Weg, Entschädigungen zu | |
verwalten. Wenn die Ereignisse weniger aufsehenerregend sind und weniger | |
Menschen betroffen sind, wird es für einen solchen Fonds schwierig, das | |
nötige Geld aufzubringen. Stattdessen ist ein systematischer Ansatz nötig. | |
Zum Beispiel Versicherungen. | |
Glauben Sie, dass Unglücke in der Textilindustrie passieren müssen, weil | |
die Preise so niedrig sind? | |
Das kann ich nicht kommentieren. Mir scheint aber, dass die Gehälter in den | |
Fabriken sehr niedrig sind. Auch wenn sie inzwischen etwas besser sind – es | |
reicht noch nicht. Selbst wenn wir die Arbeiterinnen und Arbeiter nach | |
ILO-Richtlinien entschädigen, bleiben sie arm. | |
Ein problematischer Aspekt des Rana-Plaza-Fonds war, dass er komplett auf | |
der Nächstenliebe der Bekleidungskonzerne basierte und nicht darauf, dass | |
die Arbeiterinnen und Arbeiter Rechte geltend machen. | |
Genau deshalb ist ein etabliertes System wichtig, dass Arbeitgeber zur | |
Kasse bittet, bevor etwas passiert ist. Im Fall von Rana Plaza hätte man | |
aber nicht auf ein solches System warten können. Gerichtsverfahren kosten | |
viel Geld, das die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht hätten aufbringen | |
können. Sie hätten viel Zeit gebraucht. Und letztlich wäre bei den | |
Fabrikbesitzern nichts zu holen gewesen, weil sie pleite sind. Wir haben | |
mit dem Fonds ein Konstrukt aufgebaut, das die Konzerne möglichst nicht von | |
der Beteiligung abschreckt, aber auch nicht die Rechte der Arbeiterinnen | |
und Arbeiter berührt. Die Konzerne bekennen sich mit ihren Spenden nicht zu | |
einer Mitschuld an dem Einsturz. Den Beschäftigten steht es frei, die | |
Fabrikbesitzer zusätzlich auch zu verklagen. | |
Viele der Betroffenen, mit denen ich gesprochen habe, waren mit der | |
Entschädigung durch den Fonds nicht zufrieden, sahen aber keine | |
Möglichkeit, die Entscheidungen anzufechten. | |
Es ist ein Massenverarbeitungssystem. Wenn man Geschwindigkeit will, muss | |
man an vielen Ecken und Enden abkürzen. Es ist schwierig, in einem Land wie | |
Bangladesch mit seinen 5.000 Anspruchstellern zu kommunizieren, die Post | |
funktioniert nicht richtig, teilweise gibt es nicht einmal Kurierdienste. | |
Wir haben es dennoch geschafft, allen einen Bericht über ihren Anspruch | |
zuzuschicken und mit einem Telefonat offene Fragen zu klären. | |
Offensichtliche Fehler haben wir korrigiert und in einigen Fällen auch den | |
Anspruch neu bearbeitet. Das waren aber weniger als ein Prozent aller | |
Fälle. | |
Beenden Sie dieses Fondsmodell nach der Entschädigung der | |
Tazreen-Beschäftigten? | |
Wir hoffen, alle Ansprüche bis April 2016 bedienen zu können. Danach sollte | |
es erst einmal keine weiteren Fonds geben. Viele Erfahrungen aus den beiden | |
Versuchen wären aber für ein eventuelles neues Versicherungssystem | |
verwendbar – wie auch viele der Menschen, die wir in den vergangenen Jahren | |
ausgebildet haben. | |
1 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Lalon Sander | |
## TAGS | |
Rana Plaza | |
Bangladesch | |
Textilindustrie | |
Bangladesch | |
Rana Plaza | |
Rana Plaza | |
Rana Plaza | |
Dokumentarfilm | |
Bangladesch | |
Rana Plaza | |
Arbeitsbedingungen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kinderarbeiter in Bangladesch getötet: Tödliche Bestrafung | |
Kinderarbeit ist in Bangladesch verboten, aber weit verbreitet. In einer | |
Textilfabrik wurde nun ein Neunjähriger zu Tode misshandelt. | |
Aktionsplan der Bundesregierung: Verantwortung für Menschenrechte | |
Unternehmen sollen in der Produktion Menschenrechte schützen. Firmen, die | |
nicht mitmachen, drohen gesetzliche Maßnahmen. | |
Beschwerde gegen TÜV Rheinland: Mitschuld an Rana Plaza? | |
TÜV-Prüfer sollen am eingestürzten Fabrikgebäude in Bangladesch Mängel | |
übersehen haben. Anwälte legen Beschwerde bei der OECD ein. | |
Textilindustrie in Bangladesch: Die meisten Fabriken sind mangelhaft | |
Drei Jahre nach dem Rana-Plaza-Einsturz haben nur die wenigsten | |
Textilfabriken die Mängel behoben. Strittig ist, wer die Reparaturen | |
bezahlen soll. | |
Film „The True Cost“ über Textilindustrie: Der Preis der Systemfrage | |
Für seinen Dokumentarfilm „The True Cost“ bereist der Filmemacher Andrew | |
Morgen die Schauplätze der globalen Textilindustrie. | |
Nach Fabrikeinsturz in Bangladesch: Gericht ordnet Festnahme an | |
Beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza starben 2013 über 1100 Menschen. | |
Jetzt sollen 24 Verdächtige festgenommen werden. Sie sind wegen Mordes | |
angeklagt. | |
Rana-Plaza-Einsturz in Bangladesch: Endlich kann entschädigt werden | |
Das Geld für die Rana-Plaza-Opfer und ihre Familien steht komplett bereit. | |
Zwei Jahre nach dem Unglück in Bangladesch sind 30 Millionen Dollar | |
beisammen. | |
Fabrikeinsturz in Bangladesch: Was nach den Trümmern bleibt | |
Zwei Jahre nach dem Einsturz des Rana Plaza sind viele Opfer nicht | |
entschädigt. Die Arbeitsbedingungen in der Branche haben sich kaum | |
verbessert. |